Ein früher Vorschlag, um die Flüchtlingsströme einzudämmen, lautete, die kriminellen Schleuser und ihre Banden zu bekämpfen. Sie seien die Wurzel des humanitären Übels und bereicherten sich an dem Leid Hunderttausender. Darüber waren sich zahlreiche politische Akteure einig. Die vielen Toten der waghalsigen Fluchtversuche mit Schlauchbooten oder luftverschlossenen LKWs lägen in ihrer Verantwortung. Auf welche Weise sich jedoch die verborgenen Wege für die Fluchtrouten zusammensetzen, ihre aufwendige Logistik, die Netzwerke Beteiligter und welche immense Wirtschaftskraft die Welle an Vertriebenen nach Europa lotst, bleibt einer breiten Öffentlichkeit bis heute verborgen. Der Kriminologe Di Nicola und der Journalist Musumeci haben durch eine langjährige Recherche und Interviews ein wenig Licht in diese dunklen Milliardengeschäfte gebracht. Ihre kurze Monographie sammelt unter dem irreführenden Titel "Bekenntnisse eines Menschenhändlers" Berichtssequenzen mehrerer Beteiligter am Geschäft der Schleuser. Sie zeichnen so die Konturen dieser Schattenwelt nach. Die Veranschaulichung durch wenige Fotos erscheint jedoch zu knapp geraten. Ergänzungen, wie z.B. Kartenmaterial, kontrastierende Interviews aus offiziellen Quellen und Hinweise auf weiterführende Literatur, hätten hier die Darstellung weiter abrunden können. Insgesamt bieten sich für den Schulunterricht exemplarische aktuelle Anknüpfungspunkte an die Verantwortungs- und Grenzbereiche menschlichen Handelns besonders für die sozialwissenschaftlichen Fächer und für den Ethikunterricht (hier z.B.: Verantwortung in ethischen Anwendungskontexten) an.
Einsatzmöglichkeiten für den Unterricht
Den Schülerinnen und Schülern eröffnet diese Darstellung durch die Authentizität der Berichte und der Breite an Perspektiven auf das Phänomen der Rolle der Schleuser mit überschaubarem Lektüreaufwand einen anschaulichen Zugang in die Thematik. Die insgesamt 11 kurzen Teilkapitel lassen sich je nach Lerngruppengröße in Zweier- oder Dreiergruppen unterteilen. Einzelne Kapitel können hierbei ausgelassen bzw. nach Schwerpunkten akzentuiert werden. Vertiefende Recherchen oder Bereitstellung von Ergänzungsmaterial aus Zeitungen ist hierbei unerlässlich, da die Berichte an vielen Stellen etwas zu vage gehalten sind. Die Medienkompetenz der SuS lässt sich ausgehend von einem Beispielkapitel durch vergleichende journalistische Äußerungsformen schulen, z.B. durch die Ausarbeitung von Videoinszenierungen, weiterführende Interviews oder Erstellung eines Podcasts. Schreibkompetenzen und textliche Beurteilungsfertigkeiten können die SuS z.B. durch Abfassung eines Kommentars zu einem Textabschnitt trainieren. Diese Ergebnisse lassen sich durch Anfertigung einer Wandzeitung bzw. einer Infowand oder von Plakaten dokumentieren und präsentieren, um so ein Sachurteil zu entwickeln. Die Schleuserproblematik kann außerdem anhand eines Beispielkapitels für eine Fish-Bowl-Diskussion problematisiert werden, um die Ebene des Werturteils zu erreichen.
Zugriff
Der Band "Bekenntnisse eines Menschenhändlers" steht als Print-Ausgabe im Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung für 4,50 € zzgl. Versandkosten zur Verfügung:
http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/211423/bekenntnisse-eines-menschenhaendlers