Wann immer in der Öffentlichkeit über Umweltbewusstsein diskutiert wird, taucht unweigerlich die Frage einer Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten auf. Was ist damit gemeint? Sehr häufig wird in empirischen Untersuchungen festgestellt, dass die Menschen hierzulande ein hohes Umweltbewusstsein besitzen, aber ihr Verhalten nicht damit Schritt hält. Zwar glaubt die Gesellschaft, die Grenzen des Wachstums seien erreicht und "wir" sollten sparsam mit Ressourcen umgehen. Trotzdem ist das gerade erstandene Auto größer und leistungsstärker als das alte. Auch die nächste Wochenendreise hat nicht die nähere Umgebung zum Ziel, sondern es geht mit dem "Billigflieger" in weit entfernte Städte und Länder. Die empirische Sozialforschung spricht in diesem Fall davon, dass Einstellungen und Verhalten nur gering miteinander korrelieren, dass positivere Einstellungen gegenüber dem Umweltschutz also nicht unweigerlich mit einem umweltgerechteren Verhalten einhergehen. Wo liegen die Gründe für diese Kluft?
Aus: Udo Kuckartz: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten, in: Informationen zur politischen Bildung "Umweltpolitik", 2.Quartal 2005, S. 51, (14.06.2007).
Menschen müssen andauernd irgendwelche Entscheidungen treffen. Die Volkswirtschaftslehre interessiert die Frage, wie etwas zu welchem Zweck entschieden wird. Wir gehen davon aus, dass Menschen nicht rein zufällig entscheiden, sondern dass der Mensch unter verschiedenen Möglichkeiten jene wählt, die er in seiner speziellen Situation für die beste hält, das heißt, das er mit seiner Entscheidung seinen Nutzen maximieren will und sich dementsprechend ökonomisch rational verhält. Dieser so genannte "homo oeconomicus" entscheidet also so, dass er in einer gegebenen Situation unter Berücksichtigung seiner Mittel jene Möglichkeiten wählt, die seinen Nutzen maximiert. [...] Die rationale Entscheidung des homo oeconomicus erfordert ein Abwägen aller Vor- und Nachteile aller verschiedenen Möglichkeiten, [...] diese Entscheidung [kostet Sie] den Verzicht auf den Nutzen der nicht gewählten Alternative. Diesen Verzicht bezeichnen Ökonomen als Opportunitätskosten.
Aus: Bernd Nolte: Volkswirtschaft konkret, Weinheim 2003, S. 21f.
Bevorzugt man "normale" Tomaten im Angebot aus Spanien statt die relativ teuren Bio-Tomaten aus der Umgebung, so liegt die Vermutung nahe, dass finanzielle Kosten-Nutzen-Motive beim Kauf eine Rolle spielen. Der rationale homo oeconomicus verhält sich nicht umweltbewusst, wenn es zu teuer ist. Allerdings berücksichtigen die Opportunitätskosten nicht nur monetäre Güter. Nehmen wir an, der normale Supermarkt liegt nebenan und der Bio-Supermarkt 8 km entfernt. Die Zeit, die es kostet, zum Bio-Supermarkt zu fahren, könnte man für eine Partie Schach mit seinem Freund verwenden. Dies würde eine Reduzierung der persönlichen Bedürfnisbefriedigung nach Gesellschaft mit sich ziehen. Das ökonomische Verhaltensmodell beschränkt sich demnach nicht nur auf monetäre Kosten und Nutzen, sondern umfasst auch immaterielle Werte wie Gemütlichkeit, Komfort und gesellschaftliches Ansehen. In Entscheidungssituationen wägt der Mensch Vor- und Nachteile gegeneinander ab und entscheidet sich für ein Verhalten, dass ihm den größten Nutzenzuwachs bzw. die geringsten Kosten beschert. So sind die Fahrtkosten evtl. geringer, wenn man sich ein Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr kauft, andererseits sinkt die Flexibilität durch die Abhängigkeit von dem Fahrplan der Busse/Züge. Zusätzlich steigt das eigene Wohlgefühl und Selbstwertgefühl eher, wenn man z.B. im Sommer mit dem Cabrio und nicht im stickigen Bus zur Arbeit fährt.
Aufgabe:
Wie erklärt das ökonomische Verhaltensmodell die Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten?
Bereitet einen Folienvortrag vor, mit dem ihr euren Mitschülern die wesentlichen Punkte erläutert.