Der Klimawandel wird kosten - und das nicht zu knapp: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ermittelt, dass in den nächsten 42 Jahren 800 Milliarden Euro fällig werden. Die Kosten ergeben sich laut der Studie aus 330 Milliarden Euro volkswirtschaftlichen Schäden, 300 Milliarden höheren Energiekosten und 170 Milliarden bis 2050 notwendig werdenden Anpassungsmaßnahmen. Damit wird der Klimawandel in den kommenden 43 Jahren jährlich durchschnittlich 0,5 Prozent des gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftswachstums kosten.
"Die Anzahl und Intensität von extremen Klimaereignissen wird auch in Deutschland deutlich zunehmen", erklärte Claudia Kemfert, die seit April 2004 die DIW-Abteilung "Energie, Verkehr, Umwelt" leitet. Ihre Untersuchung geht davon aus, dass die Temperatur bis zum Jahr 2100 weltweit um 2 bis 4,5 Grad steigen wird. Zur Frage, wie wahrscheinlich die Richtigkeit dieser Prognose ist, sagt Kemfert: "Wir sind schon heute mit unseren Emissionen auf einem so hohen Niveau, dass die 2 Grad Erderwärmung unvermeidbar sind."
Das DIW hat einzelne Wirtschaftssektoren untersucht und ihre wahrscheinliche zukünftige Entwicklung simuliert. Demnach wird allein die Energiebereitstellung bis 2050 insgesamt 300 Milliarden Euro mehr kosten. "Es wird in Deutschland im Sommer mehr Hitze und mehr Trockenheit geben", so Kemfert. Die wird dazu führen, dass Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden müssen, weil die Flüsse nicht mehr genügend Wasser zur Kühlung führen. Die Kosten für die Erdölförderung werden schon allein dadurch steigen, dass Hurrikane Ölplattformen in deutlich stärkerem Maße bedrohen als heute. Und auch die Energieinfrastruktur Deutschlands wird durch eine Zunahme von Stürmen oder extremen Eislasten weit häufiger geschädigt werden.
Die Erderwärmung selbst wird Kosten in Land- und Wasserwirtschaft, im Gesundheitssystem und in der Industrie verursachen. Zunehmende Sommertrockenheiten werden zu mehr Waldbränden führen, die das Klima ebenfalls weiter anheizen. Im Agrarsektor wird der Wassermangel Wachstumsbedingungen verschlechtern und Landwirtschaft vielerorts unmöglich machen. Nicht nur dort werden sich Schädlinge in bisher unbekanntem Ausmaß verbreiten: Die DIW-Experten rechnen auch mit der Ausbreitung tropischer und subtropischer Krankheiten in unseren Breiten, "etwa mit der Malaria", sagt Kemfert. Die Zahl der Hitzetoten in Europa wird durch die Hitzebelastung im Sommer in die Höhe schnellen - und dabei auch die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft beeinträchtigen. Neben extremer Trockenheit wird es zu einer Häufung von Starkniederschlägen kommen. Dadurch werden Immobilien- und Infrastrukturschäden sprunghaft ansteigen. Insbesondere bei großen Rückversicherungsunternehmen werden bis 2050 zusätzliche Kosten von bis zu 100 Milliarden Euro anfallen. Natürlich wird es auch Profiteure geben. Die Tourismusgebiete in Nord- und Ostdeutschland zum Beispiel werden jene Kunden anlocken, die im Winter nicht mehr in die schneefreien Alpen fahren wollen. Auch Sektoren wie die erneuerbaren Energie und die Baubranche werden profitieren, so Kemfert: Irgendwer muss ja die höheren Deiche bauen und die weggespülten Brücken ersetzen.
Wie das DIW auf die Zahlen gekommen ist? "Wir haben die Erfahrungen aus der jüngsten Zeit in ein Modell eingespeist und mit der Prognose des Temperaturanstieges simuliert", erklärt Kemfert. Die so gewonnenen Zahlen seien keine konkrete Prognosen, sondern Näherungswerte. Und natürlich lassen sich drohende gigantische Schäden noch verhindern - "wenn endlich wirksam mit Klimaschutz begonnen wird". 0,1 Prozent des Bruttosozialproduktes könnten die schlimmsten Entwicklungen zumindest bremsen. Die jüngsten EU-Pläne - 20 Prozent erneuerbare Energie, 20 Prozent Energiesparen durch bessere Effizienz, 20 Prozent Einsparen von Kohlendioxid bis 2020 - sind für Kemfert "ein Anfang, weil sie erstmals Energie- und Klimapolitik zusammenbringen". Andererseits seien die Ziele nur ein Anfang. Und sogar der werde ja von den Mitgliedsstaaten derzeit zerredet.
Aus: Nick Reimer: Dürre, Starkregen, Malaria, in: taz Nr. 8226 vom 15.3.2007, Externer Link: http://www.taz.de/index.php?id=digi-artikel&ressort=sw&dig=2007/03/15/a0117&no_cache=1 (27.07.2007).