Das Klima ist immer noch die primäre Bestimmungsgröße für die landwirtschaftliche Produktivität. Der erwartete Klimwandel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl auf die Pflanzen- und Tierproduktion wie auf andere Faktoren des landwirtschaftlichen Systems haben. Die Art dieser Auswirkungen wie die der menschlichen Reaktionen darauf ist jedoch hoch komplex und daher schwer zu bestimmen und vorherzusagen. Wachstum und Ernte sind sowohl durch Temperatur und Niederschlag wie durch das Auftreten von Extremereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürme direkt beeinflusst. Hinzu kommt der Düngungs-Effekt von CO2, der bei steigendem Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre zu einer höheren Produktivität der Pflanzen führt. Klimatische Veränderungen haben außerdem einen Einfluss auf die Wasserverfügbarkeit, die Bodenerosion und die Verbreitung von Krankheitserregern bei Pflanzen und Tieren. Da das Agrarsystem ein Bestandteil der menschlichen Gesellschaft und Ökonomie ist, ist die Reaktion auf die klimatischen Veränderungen, von der Ebene des einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes über die Preisentwicklung bis hin zu Regierungsentscheidungen, ein entscheidender Faktor der tatsächlichen Auswirkungen eines künftigen Klimawandels auf den landwirtschaftlichen Sektor. [...]
Schon in historischen Zeiten hat sich die Landwirtschaft immer wieder veränderten klimatischen Bedingungen durch verschiedene Maßnahmen wie die räumliche Verschiebung der Anbauzonen, die Änderung der Einsaatzeiten, den Gebrauch neuer Sorten, die Anwendung von Bewässerungssystemen usw. angepasst. Auch auf den künftigen Klimawandel wird das landwirtschaftliche System sowohl auf der Betriebsebene wie auf übergeordneten Ebenen, z.B. mit Preisänderungen, Änderungen von Konsumgewohnheiten und mit Forschungsentwicklungen, reagieren. Eine entscheidende Frage wird sein, ob sich die Landwirtschaft schnell genug und eigenständig an den klimatischen Wandel anpassen kann oder ob die Reaktion eher langsam erfolgt und auf Unterstützung durch politische Maßnahmen und Programme angewiesen sein wird. Anpassungsmaßnahmen werden nicht kostenlos zu haben sein. Neue Anbautechnologien erfordern Forschungs- und Entwicklungskosten. Für die einzelnen Betriebe ist der Zugang zu finanziellen Ressourcen, technischer Unterstützung und Beratung und die Verfügbarkeit von Düngemitteln, Wasser und anderen Inputs Grundlage ihrer Anpassungsfähigkeit, die entsprechend in entwickelten Staaten größer sein wird als in der Dritten Welt. [...]
Mehrere Studien vertreten die These, dass - ohne Berücksichtigung des Klimawandels - die Nahrungsmittelproduktion auch im 21. Jahrhundert wahrscheinlich mit der Nachfrage Schritt halten wird, so dass die Nahrungsmittelpreise während der ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts stabil bleiben oder sogar etwas sinken werden. Für die Zeit nach 2020 gibt es nur wenige Prognosen. Die optimistische Variante geht davon aus, dass sich die Ernährungssituation aufgrund des abnehmenden Bevölkerungswachstums und der weiter zunehmenden landwirtschaftlichen Produktivität verbessern wird. Andere Stimmen sind weniger optimistisch. So gibt es Hinweise darauf, dass die asiatische Reismonokultur aufgrund der begrenzten Wasser- und Bodenressourcen an ihr Produktionslimit gestoßen ist, und manche Studien nehmen an, dass weltweit auch die Investitionen weniger stark zunehmen werden als im 20. Jahrhundert. Hinzu kommt, dass der Agrarsektor auch durch eine Reihe von Umweltveränderungen zunehmend negativ beeinflusst wird. Ein sehr ernstes Problem ist die Bodenverschlechterung durch Erosion, Anreicherung von Chemikalien, Stauwasser und Versalzung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden schätzungsweise 23% des Anbaulandes, der Dauerweiden und Wälder in ihrer Qualität gemindert. 5-10 Millionen Hektar an landwirtschaftlich nutzbarem Land gehen jährlich verloren, und betroffen ist nicht zuletzt das bewässerte Land, das zwar nur 16% der weltweiten Anbaugebiete ausmacht, auf dem aber 40% der Nahrungsmittel der Welt produziert werden. Mit diesen und anderen Faktoren tritt der vom Menschen verursachte Klimawandel in Wechselwirkung. [...]
Einschätzungen der quantitativen Folgen einer Klimaänderung auf die Ernteerträge in globalen oder regionalen Maßstäben liegen durch Modellberechnungen vor. Danach muss in tropischen und subtropischen Regionen auch bei einem relativ geringen Temperaturanstieg mit einer Reduktion der Ernten durch den Klimawandel gerechnet werden, weil die Temperaturen für viele Anbausorten hier schon heute an der oberen Toleranzgrenze liegen. Bei einer Verminderung der Niederschläge werden die negativen Folgen noch deutlicher sein. In mittleren Breiten werden die Ernten bei einer Temperaturzunahme um wenige Grad steigen, bei einer höheren Temperaturzunahme eher fallen. Während in niederen Breiten zudem höhere Temperaturen die Wachstumszeit und damit die Ernteerträge verringern, wird sie in höheren Breiten verlängert, was hier auch zu besseren Erträgen führt.
Die Weltgetreideproduktion wird ohne einen Klimawandel nach Modellberechnungen am Hadley Centre im Jahre 2080 auf 4012 Millionen t geschätzt, gegenüber 1800 Millionen t im Jahre 1990. Die Getreidepreise würden hiernach um 7,5% zurückgehen, und die Zahl der Menschen, die unter Hunger leiden, würde sich in dem genannten Zeitraum von 521 auf 300 Millionen reduzieren. Grundannahmen dieser Berechnungen sind u.a., dass die politischen und ökonomischen Verhältnisse keine wesentlichen Änderungen erfahren, die Wachstumsrate des BNP pro Kopf im globalen Durchschnitt bei ca. 2% liegt und die Weltbevölkerung bis 2080 auf 10,7 Milliarden wächst.
Berechnungen mit dem neueren Modell des Hadley Centres, das sowohl den direkten Effekt des CO2-Anstiegs bis 2080 wie den klimatischen Wandel berücksichtigt, zeigen einen insgesamt negativen Effekt des Klimawandels auf die Produktion von Weizen, Reis und Mais. Weltweit wird sich danach nur durch den Klimawandel die Getreideproduktion um 160 Millionen t oder ca. 4% reduzieren, und die Anzahl der durch Hunger bedrohten Menschen wird um 125 Millionen höher liegen als ohne eine Änderung des Klimas durch den Menschen. Negativ betroffen sind vor allem die Entwicklungsländer mit Ausnahme von China. Aber auch Nordamerika, Osteuropa und Russland weisen einen Rückgang in der Getreideproduktion auf, während Westeuropa mit einer Erhöhung der Ernten rechnen kann.
Die wichtigsten Ursachen für die negativen Auswirkungen auf die Getreideproduktion sind
eine Verkürzung der Wachstumsperiode, wodurch die Kornreife beeinträchtigt wird
eine Abnahme der Wasserverfügbarkeit durch höhere Verdunstung, Verlust an Bodenfeuchte und in einigen Regionen auch durch geringere Niederschläge sowie
eine verringerte Frühlingsperiode, die den Blüten- und Keimprozess von Winterweizen in Kanada und Russland beeinträchtigt. In die Berechnungen wurden auch verschiedene Anpassungsmaßnahmen der Landwirtschaft wie eine Veränderung der Einsaatzeiten, klimatisch angepasste Sorten, Bewässerung und Düngeranwendung einbezogen. Zu solchen Anpassungsmaßnahmen sind Staaten und Betriebe in entwickelten Ländern deutlich besser in der Lage als in Entwicklungsländern.
Aus: Dieter Kasang: Klimawandel und Klimafolgen, Externer Link: (31.07.2007).