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Info 02.05 Mögliche anthropogene Kipp-Prozesse im Erdsystem (Stand: 17.07.2007)

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Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung prognostiziert 16 mögliche extreme Entwicklungen im Erdsystem, die das Bild der Erde wesentlich verändern würden.

© Schellnhuber 2007

1 Verlust des Arktischen See-Eises
Durch die Erwärmung der Atmosphäre schmilzt das Meereis in der Arktis und legt die dunklere Meeresoberfläche frei. Diese absorbiert mehr Strahlung als das Eis und verstärkt dadurch wiederum die Erwärmung. In den letzten 30 Jahren hat die Eisbedeckung deutlich abgenommen. Das ist auch eine schlechte Nachricht für viele Tierarten wie Seehunde oder Eisbären, die zur Jagd oder Aufzucht der Jungen auf Meereis angewiesen sind. Zeitraum: ~ 100 Jahre.

2 Schmelzen des Grönland-Eises
Das Grönland-Eis schmilzt durch die überdurchschnittlich starke Erwärmung der Arktis. Gegenwärtige Beobachtungen gehen von einer beschleunigten Destabilisierung des Eises aus, unter anderem durch in Risse dringendes Oberflächen-Schmelzwasser, das an der Unterseite des Eises wie ein Schmiermittel wirkt. Der völlige Kollaps des Grönländischen Eisschildes würde einen Meeresspiegelanstieg von 7 Metern verur sachen. Zeitraum: Derzeitige Schätzungen: 300 –1000 Jahre.

3 Methanausgasung aus aufgetauten Permafrostböden und Kontinentalschelfen
Die globale Erwärmung könnte riesige Mengen des hochwirksamen Treibhausgases Methan freisetzen. Zunächst wird dieses aus den auftauenden Permafrostgebieten Sibiriens und Nordamerikas entweichen. Zusätzlich könnten fossile Methaneishydrate an den Kontinentalhängen der Ozeane ins Spiel kommen, da jene langfristig instabil gegenüber erhöhten Wassertemperaturen und veränderten Meeresströmungen sind. Zeitraum: ~ 1000 Jahre.

4 Rückgang der nordischen Nadelwälder
Die nordischen Nadelwälder umfassen fast ein Drittel der weltweiten Waldfläche. Mit dem Klimawandel erhöht sich der auf sie wirkende Stress durch Pflanzenschädlinge, Feuer und Stürme, während gleichzeitig ihre Regeneration durch Wassermangel, erhöhte Verdunstung und menschliche Nutzung beeinträchtigt wird. Das Absterben der Wälder würde nicht nur den Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen vernichten, sondern auch eine massive Freisetzung von Kohlendioxid bedeuten, welche zur beschleunigten Erderwärmung beitragen dürfte. Zeitraum: ~ 50–100 Jahre.

5 Unterdrückung der Atlantischen Tiefenwasserbildung
Der warme Oberflächenwasserstrom des Atlantiks ist für das milde Klima in Nordwest-Europa verantwortlich. Der Motor dieses "Energieförderbandes" ist das kalte dichte Wasser, welches vor Grönland und Labrador in die Tiefe sinkt. Dieser Antrieb würde erlahmen, wenn ein erhöhter Süßwassereintrag die Dichte des Wassers erniedrigte und die Tiefenwasserbildung verhinderte. Zeitraum: ~ 100–500 Jahre.

6 Klimainduziertes Ozonloch über Nordeuropa
Besonders Nordeuropa könnte von einem klimainduzierten Ozonloch betroffen sein. Denn eine Erwärmung der unteren Atmosphärenschichten bedingt eine Abkühlung der Hochatmosphäre (Stratosphäre). Eine Abkühlung der Stratosphäre begünstigt die Eiswolkenbildung, welche wiederum den Katalysator für den Ozonabbau liefert. Zeitraum: ~ 10–1000 Jahre.

7 Oberflächenverdunklung des Tibet-Plateaus
Wenn die Schneebedeckung des Tibet- Hochlandes aufgrund des Klimawandels verschwindet, wird sich auch die regionale Erwärmung verstärken. Dies geschieht durch eine erhöhte Wärmeabsorption der dunklen Gesteinsoberfläche. Darunter werden viele asiatische Länder leiden, deren Frischwasserversorgung vom Schmelzwasser der Gebirgsregion abhängt. Außerdem wäre eine Beeinflussung des Indischen Monsuns denkbar. Zeitraum: ~ 50–100 Jahre.

8 Destabilisierung des Indischen Monsuns
Bis zu 90% des indischen Regens sind dem regelmäßig auftretenden Sommermonsun zu verdanken. Sowohl CO2 als auch Aerosole spielen eine Schlüsselrolle in diesem hochsensiblen System. Luftverschmutzung, Landnutzungsänderung und Treibhausgas- Emissionen könnten eine Pendelbewegung von abgeschwächten und verstärkten Monsunereignissen in Südasien erzeugen, in Folge derer sich extreme Dürren und Flutkatastrophen abwechseln würden. Zeitraum: 30–100 Jahre.

9 Wiederergrünen der Sahara und Versiegelung von Staubquellen
Durch den Klimawandel könnten sich die Niederschläge in der Sahelzone erhöhen und eine Wiederbegrünung der Sahara begünstigen – vorausgesetzt, die Region wird nicht überweidet. Durch dieses Ergrünen könnten die über den Atlantik gewehten Staubstürme versiegen, die den tropischen Atlantik und den Amazonasregenwald mit Nährstoffen versorgen. Zeitraum: ~ 50 Jahre.

10 Verlagerung des Westafrikanischen Monsuns
Der Westafrikanische Monsun verändert sich durch Rohdung der Küstenwälder und steigende Oberflächenwassertemperaturen des Atlantischen Ozeans. Der Klimawandel könnte die Anzahl der Dürrejahre in der Sahel bis Ende des Jahrhunderts verdoppeln oder zu einem völligen Zusammenbruch des Monsuns führen – beides mit großen Folgen für die Bevölkerung in der Region. Zeitraum: ~ 50–100 Jahre.

11 Amazonas-Waldsterben
Ein Großteil der Niederschläge im Amazonasbecken stammt aus über dem Wald verdunstetem Wasser. Ein Rückgang der Niederschläge in einem wärmeren Erdklima und die Abholzung des Regenwaldes könnten den Wald an eine kritische Grenze bringen. Ein Verschwinden des Amazonas-Regenwaldes hätte grundlegende Auswirkungen auf das Erdklima und würde gleichzeitig einen gewaltigen Verlust von Biodiversität bedeuten. Zeitraum: ~ 50– 100 Jahre.

12 Störung der Südpazifischen Klima-Oszillation
Obwohl die Unsicherheiten noch groß sind, sagen einige Klimamodelle eine zunehmende Häufigkeit und/oder Intensität von El Niño-Bedingungen im Südpazifik voraus. Die Wirkung einer derartigen Veränderung der ozeanischen Oszillationsmuster wäre um den ganzen Globus zu spüren, insbe- sondere in Form von Dürrekatastrophen in Südost-Asien und vielen anderen Regionen. Zeitraum: Schnelle Veränderungen sind in 10 –100 Jahren möglich.

13 Störung der marinen Kohlenstoffpumpe
Diese "Pumpe" dient als Senke für natürliches und anthropogenes Kohlendioxid und könnte durch die fortschreitende Versauerung und Schichtstabilisierung der Ozeane abgeschwächt werden. Die Versauerung hindert freischwebende und sesshafte Meeresorganismen wie Planktonalgen oder Korallen an der Bildung ihrer Kalkskelette, mit denen sie Kohlenstoff binden. Zeitraum: vermutlich Jahrhunderte.

14 Unterdrückung der Antarktischen Tiefenwasserbildung und Nährstoffversorgung
Ähnlich wie im Nordatlantik kann die Konvektion von Wassermassen im Südpolarmeer durch den Einfluss von Süßwasser unterdrückt werden. Letzteres kann zum Beispiel aus schmelzendem Eis stammen. Das Aufströmen von Nährstoffen würde dadurch unterbunden und die Bestände an Krill und Phytoplankton reduziert, welche am Anfang der marinen Nahrungskette stehen. Zeitraum: ~ 100 Jahre?

15 Kollaps des Westantarktischen Eisschildes
Obwohl das Antarktische Eisschild bisher nicht als so verletzlich wie das Grönländische eingeschätzt wird, könnte sein Kollaps innerhalb dieses Jahrhunderts eingeleitet werden. Warmes Meerwasser kann die Eisberge an der Küste so weit schmelzen lassen, dass die dahinterliegenden Kontinentaleismassen ins Fließen geraten. Zwischen Fels und Eisschild geratenes Meerwasser beschleunigt den Zerfall des Eises zusätzlich. Durch den völligen Kollaps des Eisschildes würde der globale Meeres- spiegel um 4–5 Meter steigen. Zeitraum: ~ 300–1000 Jahre.

16 Antarktisches Ozonloch
Die Ozonschicht über der Antarktis wurde in der Vergangenheit durch die Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffen stark geschädigt. Nachdem diese Chemikalien weltweit verboten wurden, geht man von einer nachhaltigen Regeneration der schützenden Ozonschicht aus. Doch das Wechselspiel zwischen stratosphärischem Ozonabbau und der Erwärmung der Erdatmosphäre kann das Ozonloch über der Antarktis wieder vergrößern. Zeitraum: ~ 10–100 Jahre.

Aus: Hans Joachim Schellnhuber, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Mögliche anthropogene Kipp-Prozesse im Erdsystem.

Fussnoten