Immer dann, wenn die Gleichwertigkeit von Gruppen - oder von Menschen, weil sie Mitglieder bestimmter Gruppen sind - in Frage gestellt wird, können sich Vorurteile entwickeln. Das Vorurteil mag die Ungleichwertigkeit und legitimiert sie, denn letztendlich dient das Vorurteil der Diskriminierung, das heißt einer Ungleichbehandlung von Menschen und Gruppen, nur weil sie einer "anderen" Gruppe angehören. […]
Vorurteile wie der Antisemitismus beruhen dabei in der Regel auf Stereotypen. Mit Stereotypen bezeichnen wir zunächst nur Zuschreibungen von Merkmalen zu einer Person. Sie können positiv und negativ sein. […] Stereotype sind noch keine Vorurteile. Letztere beinhalten eine Wertung. Beim Antisemitismus eine eindeutige Abwertung.
Stereotype basieren aber auf Mechanismen, die Vorurteilen den Weg bereiten: Zuschreibungen beruhen auf einfachen Kategorisierungen (weil Person x der Gruppe y angehört, muss sie so und so sein), sie verkürzen die Wahrnehmung der Umwelt, weil sie Informationen vereinfachen, und sie funktionieren gut, weil sie unbewusst aktiviert und ausgedrückt werden können. Die Neurowissenschaften zeigen sehr deutlich, dass unsere Informationen über andere Menschen wie ein Netzwerk von Stereotypen organisiert sind. Stereotype teilen auch eine wesentliche Eigenschaft des Vorurteils: Sie orientieren sich an den sozialen Kategorien, den Gruppenzugehörigkeiten von Personen, die wahrgenommen werden. Personen, von denen wir wissen, dass sie zur Gruppe der Juden gehören, werden nach Maßgabe dieser Gruppenmitgliedschaft Merkmale zugeschrieben.
Wir kennen die Stereotype über Gruppen, weil unser Gehirn Prototypen speichert. [Sinti und Roma
Das Vorurteil ist aber nicht einfach mit dem Stereotyp identisch. Das Vorurteil ist motiviert. Es basiert auf ähnlichen kognitiven Prozessen wie das Stereotyp, sucht aber die Bewertung und bedient sich der Ungleichwertigkeit. Vorurteile können [auch] positiv sein […]
Antisemitismus ist ein negatives Vorurteil, das heißt eine einstellungs- oder verhaltensbezogene Abwertung von Juden, jüdischen Symbolen, Einrichtungen etc. Die Abwertung beruht dabei auf der Meinung, Juden oder das Judentum stellten eine Fremdgruppe dar. […] Er hat mehr oder minder kognitive, affektive und verhaltensbezogene Komponenten, das bedeutet, der Antisemitismus drückt aus, wie Menschen über Juden denken, welche Gefühle sie gegenüber Juden und dem Judentum hegen und welche Vorstellungen sie davon haben, wie sie sich verhalten sollen. Dabei ist das Vorurteil sozial. Es drückt die Haltung von Menschen als Mitglieder einer Gruppe gegenüber der Gruppe der Juden aus. Die oft gehörte Aussage: „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …". Das Vorurteil versucht, das negative Bild der Anderen stabil zu halten.
Aus: Zick, A. (2009). Antisemitismus als Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Einfallstore und Schutzwälle. In: Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (Hrsg.), Das Eigene und das Fremde: Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit als Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung (S. 21 – 27). ZWST: Frankfurt a. Main.
Arbeitsaufträge
Erkläre mit eigenen Worten die Begriffe "Vorurteil" und "Stereotyp". Worin unterscheiden sich beide? Was ist ihnen gemeinsam und wie hängen beide zusammen?
Welche (soziale) Funktion haben Stereotype?
Der Autor Andreas Zick führt als Beispiel für Vorurteile den Antisemitismus auf. Welche fünf Motive nennt er, die im Hinblick auf den Menschen als Gemeinschaftswesen beim Antisemitismus bedient werden?
Welche Funktion bzw. welches Ziel haben Vorurteile?
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