Einleitung
Das hier vorgestellte Unterrichtsmodell besteht aus vier didaktischen Bausteinen, die aufeinander aufbauend die Unterrichtsreihe darstellen und strukturieren. Innerhalb der Bausteine können je nach der zur Verfügung stehenden Zeit und den von Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler gewünschten Inhalten Schwerpunkte gesetzt werden. Die Bausteine werden hier nur kurz skizziert. Eine detaillierte Beschreibung finden Sie in den jeweiligen Planungshinweisen zu den einzelnen Bausteinen (jeweils mit Verlaufsplan sowie den dazugehörigen Unterrichtsmaterialien).
Kurzüberblick
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Der Schwerpunkt von
Da beim Thema Rechtsextremismus häufig Bedenken und Unsicherheiten aufkommen, wie man das Thema angehen sollte und wo Fallstricke zu befürchten sind, haben wir im Folgenden einige Vorüberlegungen sowie Hinweise zu möglichen Fallstricken zusammengestellt, die solche Bedenken und Unsicherheiten nehmen können.
Vorüberlegungen
„Warum sollen wir etwas gegen rechtsextremistische Einstellungen tun?“
Rechtsextremismus ist, anders als der Begriff nahelegen mag, kein Randgruppenphänomen, sondern in Form von rechtsextremistischen Einstellungen und Äußerungen in der so genannten Mitte der Gesellschaft angekommen. Verschiedene Studien
Dieser Schritt kann allerdings nicht von oben verordnet werden, sondern sollte von den Schülerinnen und Schülern ausgehen. Lehrende können Impulse setzen, Schülerinnen und Schüler in ihrem Engagement stärken und Projekte anleiten beziehungsweise begleiten. Im schulischen Alltag fällt diese Herangehensweise naturgemäß schwer – der inhaltliche Druck der Curricula, die Notwendigkeit der Notengebung und die in der Regel knappe Zeit machen Projektarbeit häufig zu einem „Luxusvorhaben“, das nur kurz vor den Ferien nach dem Eintragen der Noten umgesetzt werden kann.
Dass Projekte zum Thema Rechtsextremismus über den thematischen Schwerpunkt hinaus für Schulen eine Chance bieten, auch am Schulklima und schlussendlich an der Frage „Wie wollen wir zusammen leben?“ zu arbeiten, werden praxiserprobte Beispiele zeigen (s.
Im Fokus bleibt aber – gerade in der Diskussion mit Schülerinnen und Schülern – die Frage „Warum eigentlich sollen wir etwas gegen rechtsextremistische Einstellungen tun?“ Diese kann Ausgangspunkt von Projekten unterschiedlicher Art sein. Zentral bleibt dabei immer die Orientierung an den Einstellungen, Wünschen und Ideen der Schülerinnen und Schüler in ihrem jeweiligen Lebensumfeld. Die Arbeit mit den vorhergehenden Bausteinen bietet unterschiedliche Anknüpfungsmöglichkeiten für die gemeinsame Formulierung von Gründen für ein Vorgehen gegen rechtsextreme Parolen und Einstellungen.
„Was darf oder was muss ich gegen rechtsextremistische Einstellungen im Unterricht tun? – Legitimation und Auftrag
In der Beschäftigung mit Rechtsextremismus und Rassismus im Unterricht, aber auch in anderen Bereichen des schulischen Lebens stellt sich für Lehrerinnen und Lehrer die Frage, inwiefern sie Position beziehen sollten – beziehungsweise überhaupt dürfen. Unsicherheit kommt unter Umständen auf, weil sich Lehrerinnen und Lehrer und Schule „neutral“ verhalten sollten. Im Sinne des Beutelsbacher Konsens
Eine weitere Forderung des Beutelsbacher Konsens, das „Gebot der Kontroversität“, kann als Antwort auf diese Fragen verstanden werden. Themen, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden, sollen vom Lehrenden auch im Unterricht als solche dargestellt und besprochen werden. Auf rassistische und extrem rechte Positionen darf und muss also aus fachlicher Sicht reagiert werden. Guter (Politik-, Philosophie-, Geschichts-,…) Unterricht lässt die Schülerinnen und Schüler nicht allein in ihren Meinungen, sondern trägt durch strukturierte Urteilsbildung wesentlich dazu bei, die Qualität begründeter Urteile zu verbessern. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass anhand konkreter Fälle die Stichhaltigkeit der Aussagen verbessert, die möglichen Folgen von Positionen abgeschätzt und im konkreten Themenfeld „Rechtsextremismus“ die Unvereinbarkeit mit demokratischen sowie humanen Werten aufgezeigt werden.
Die Landesverfassungen und Schulgesetze
Der Beutelsbacher Konsens sowie die in den Schulgesetzen formulierten Ziele können von Lehrerinnen und Lehrern als eine Art Kompass verstanden werden. Rassistische Äußerungen im Unterricht, extrem rechte Flugblätter auf dem Schulgelände, neonazistische Aufkleber an der Schulbushaltestelle und viele weitere Vorkommnisse können und müssen thematisiert werden. Sie können Anlass bieten, im Rahmen des Unterrichts oder in schulischer Projektarbeit gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern gut begründete Positionen zu entwickeln, warum Rechtsextremismus mit der Demokratie unvereinbar ist, wie man gegen Rechtsextremismus vorgehen kann – aber auch, wofür sich eine Schulgemeinschaft einsetzen sollte.
Weitere Bezugspunkte für eine deutliche Positionierung gegen Rechtsextremismus sind die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in den Artikeln 1 bis 19 formulierten Grundrechte, hier insbesondere Artikel 3, Absatz 3
„Wofür sollen wir etwas tun?“ – Positive Bezugnahme und langfristige Orientierung
„Gegen Nazis“ zu sein, darüber dürfte an den meisten Schulen relativ schnell Konsens herrschen. Die Abgrenzung gegenüber „extremen“ Einstellungen, die von erkennbar als Neonazis auftretenden Menschen vertreten werden, fällt in der Regel leicht. Schwieriger scheint es zu sein, nicht nur einen eng gefassten Begriff von Rechtsextremismus, sondern rassistische Vorurteile in der „Mitte der Gesellschaft“ zu thematisieren – sowie eine Einigung zu erzielen, wofür man eintreten kann. Was kann also rechtsextremer Ideologie entgegen gestellt werden? Wie gehen wir mit alltäglichen Diskriminierungen an unserer Schule um? Übliche Antworten, die sich auch im Namen unterschiedlicher Programme und Projekte widerspiegeln, sind „Vielfalt“, „Toleranz“, „Demokratie“, „Partizipation“ und ähnliche Schlagworte. Diese müssen gerade in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit Inhalt gefüllt werden, um konkret, anschaulich und glaubwürdig zu bleiben. Gerade Demokratie und Partizipation dürfen nicht nur abstrakte Bezugspunkte bleiben, sie müssen im schulischen Alltag erlebbar und in die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler übersetzt werden. Auch hier formulieren die Schulgesetze klare Vorgaben: Schülerinnen und Schüler sollen zu mündigen und selbstverantwortlichen Menschen erzogen werden, die am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilhaben können. Dies kann sicherlich nicht nur im Rahmen der theoretischen Vermittlung passieren, sondern im Erleben eigener Wirkmächtigkeit. Hierzu bietet die Projektarbeit eine gute Möglichkeit.
„Was soll schulische Projektarbeit gegen Rechtsextremismus erreichen?“ – Zielformulierung
Die Schule allein kann keine gesellschaftlichen Probleme lösen. Gleichwohl muss sie sich an der Bearbeitung dieser beteiligen. Das Ziel schulischer Projektarbeit gegen Rechtsextremismus kann es daher nicht sein, ihn „abzuschaffen“, extrem rechts denkende Schülerinnen und Schüler „umzudrehen“ oder alltäglichen Rassismus zu beenden. Sie kann aber dabei helfen, diese und weitere Phänomene zu benennen und zu thematisieren, Vorfälle an Schulen nicht zu beschweigen und demokratisches Engagement von Schülerinnen und Schülern zu stärken. Nicht immer werden die von Schülerinnen und Schülern angestrebten Aktivitäten oder Projekte sich mit den Ideen der Schulleitung oder betreuenden Lehrerinnen und Lehrern decken. Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler ist es vielleicht gerade wichtig, auf vorhandene Probleme hinzuweisen, Diskriminierungen zu benennen oder über organisierte Neonazis im Ort zu sprechen – offensiv und mit einer möglichst großen Außenwirkung. Das Interesse einer Schule als Institution mag hier allerdings eher sein, Inhalte und Werthaltungen zu vermitteln, im Rahmen des Unterrichts zu diskutieren – aber nicht nach außen als „Problemschule“ wahrgenommen zu werden.
Gerade hier liegt aber eine Chance, in der offenen Diskussion um Sinnvolles und Machbares Demokratie tatsächlich erlebbar zu machen. Methoden der Peer-Education können, sofern sie gut vorbereitet und begleitet werden, die Wirksamkeit des eigenen Handelns für die Schülerinnen und Schüler erfahrbar machen. Schule kann somit einen Rahmen schaffen, in dem sich Schülerinnen und Schüler ausprobieren, ihr Selbstbewusstsein stärken sowie Kritikfähigkeit und Selbstreflexion einüben können. Sie sollten nicht in der Rolle der Lernenden stecken bleiben, sondern Akteurinnen und Akteuren werden, die ihre eigenen Ideen im jeweils gegebenen Rahmen umsetzen können. Lehrerinnen und Lehrer können hier wertschätzen, begleiten und Impulse geben. Sie dürfen aber nicht vorschreiben, ausschließen oder bevormunden.
„Wie sollen wir das zusätzlich noch schaffen?“ – Keine Zeit, keine Mittel, keine Unterstützung?
Gerade die Arbeit in Projekten verlangt Lehrerinnen und Lehrern neben der alltäglichen Arbeitsbelastung zusätzliches Engagement vor dem Hintergrund fehlender zeitlicher und personeller Ressourcen ab. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus sollte daher
nicht auf den Schultern einer oder nur weniger Personen ruhen,
Spaß machen dürfen,
langfristig ausgelegt sein sowie
nicht allein auf isolierte Projekte bezogen.
Ein umfassender Ansatz
Hierzu ist auch nicht immer Geld vonnöten – viele der unten vorgestellten Projekte lassen sich mit wenig oder keinen Mitteln verwirklichen und fördern zudem die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung des schulischen Zusammenlebens. Oft empfiehlt sich zudem die Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartner/-innen (siehe „Weiterführenden Hilfen und Ansprechpartner/-innen“ in der Interner Link: Linksammlung), die fachlich und zeitlich eine Entlastung bietet. Im Unterricht, in Pausengesprächen oder in Projekten sind Lehrerinnen und Lehrer Schlüsselpersonen für den Umgang mit Rechtsextremismus in der eigenen Schule. Sie fungieren als Vorbild, können Interesse und Bedarf wahrnehmen und engagierten Schülerinnen und Schülern Rückenwind geben. Dieser Rolle sollten sie sich stets bewusst sein.
Planungshinweise und Fallstricke
Mit den Projektbeispielen (
Einige Fallstricke der Projektarbeit zum Thema Rechtsextremismus und Rassismus sollen hier beleuchtet werden.
Fallstrick 1: „Ansprüche vs. Realität“
In der schulischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus werden häufig große Erwartungen formuliert. Projekte im Themenfeld Rechtsextremismus sollen Schülerinnen und Schüler auf die Gefahr durch Rechtsextremismus aufmerksam machen, ein „Abrutschen“ in die Szene vermeiden, die Beteiligten zu mehr Demokratie und Toleranz erziehen, das Verständnis gegenüber „Anderen“ (siehe hierzu die folgenden Ausführungen zum Kulturbegriff) steigern oder gar „Schüler immun machen“
Die Anknüpfung von kurz- und langfristigen Projekten an konkrete Themen, Bedarfe und Interessen der Schulgemeinschaft, des Ortes oder der Region hat sich in der Praxis als hilfreich für gute Ergebnisse und die Förderung andauernden Engagements herausgestellt (Hier bietet sich der Rückgriff auf die in
Die Arbeit im und am Projekt sollte in kleinen Schritten erfolgen und auf mehrere Schultern - auch die der Schülerinnen und Schüler! - verteilt werden. Zudem gibt es in allen Bundesländern die Möglichkeit, kompetente Ansprechpartner/-innen mit einzubinden (siehe Ansprechpartner/-innen in der Interner Link: kommentierten Linksammlung).
Fallstrick 2: „Das ist halt deren Kultur“
„Das ist halt deren Kultur“ ist ein auch im schulischen Kontext oft genannter Einwand, wenn bestimmte Verhaltensformen, Erwartungshaltungen oder Konfliktlinien unterschiedlicher Gruppen erklärt werden sollen. „Kultur“ wird dabei als feststehender, das Leben und die Handlungen einer Person bestimmender Hintergrund verstanden – und abgegrenzt gegen angenommene „deutsche“ Gewohnheiten und Regeln. Positiv gewendet zeigt sich dieser Kulturbegriff beispielsweise in gut gemeinten Projekten zum „interkulturellen Kochen“, bei denen „jeder kocht, was er zu Hause isst“. Oft werden hier Vorurteile oder Zuschreibungen eher zementiert als entkräftet, geht es doch nicht wirklich darum, was die Jugendlichen wirklich zu Hause essen – sondern was aufgrund der Herkunft ihrer Eltern oder Großeltern aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft erwartet wird.
Dass Kultur dynamisch und stetiger Entwicklung ausgesetzt ist, zeigt nicht zuletzt der gesellschaftliche Wandel in Deutschland. War es etwa vor 20 Jahren noch ein Zeichen von Hektik oder schlechter Planung, wenn das Essen oder der Kaffee unterwegs verzehrt wurde, gilt „to go“ heute als Ausdruck eines dynamischen und weltgewandten Lebensstils. In der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus sollte daher der Kulturbegriff nur vorsichtig eingesetzt beziehungsweise differenziert thematisiert werden. Zudem gilt es, (Re-)Ethnisierungen und Kulturalisierungen zu vermeiden – vor allem im Blick auf die Lernenden, die beispielsweise nicht unreflektiert als „Expertinnen und Experten“ für ihre „Heimat“ (also etwa das Land, aus dem ihre Eltern oder Großeltern eingewandert sind) eingebunden werden sollten.
Fallstrick 3: „Die sollen mal sehen, wohin das führt“
Die Idee, mit einer Gedenkstättenfahrt oder mit Zeitzeugengesprächen zum Nationalsozialismus auf extrem rechte Äußerungen im Unterricht zu reagieren, liegt nahe. Allerdings ist im Einzelfall zu klären, ob die genannten pädagogischen Interventionen, die für sich genommen nicht kritisiert werden sollen, auch das erreichen können, was sie sollen. Historisch-politische Bildung ist ein Baustein in der Rechtsextremismusprävention, aber kein Allheilmittel. Die Betroffenheit über das Berichtete und Gesehene bleibt in der Regel auf das konkrete historische Ereignis oder den Schauplatz des Verbrechens beschränkt. Die gewünschte Übertragung der „Lehren aus der Geschichte“ in den eigenen Lebensbereich, auf andere Situationen und Akteurinnen und Akteure findet nicht statt. Womöglich blockiert die Beschäftigung mit dem historischen Nationalsozialismus als Reaktion auf aktuelle Vorfälle oder Äußerungen sogar die Thematisierung aktueller und in der Schule existenter Erscheinungsformen von Rechtsextremismus und Rassismus. Ein „Lernen aus der Geschichte“ ist also weder zu verordnen noch anzulegen – aber die Beschäftigung mit Geschichte kann für interessierte Schülerinnen und Schüler Anlass sein, etwa über aktuelle Formen von Ausgrenzung und Diskriminierungen nachzudenken.
Fallstrick 4: „Das schmeißen wir besser direkt in die Tonne“
Werden Flugblätter extrem rechter Parteien oder Gruppierungen vor Schulhöfen verteilt, Schulhof-CDs unter der Hand in der Pause weitergegeben oder tauchen rassistische Aufkleber auf den Schultoiletten auf, ist das für Lehrerinnen und Lehrer eine große Herausforderung. Häufig werden kursierende Materialien eingezogen und nicht weiter thematisiert, manchmal plakativ entsorgt. Eine Auseinandersetzung mit den vertretenen Thesen findet in der Regel nicht statt. Rechtsextremes Propagandamaterial sollte allerdings nicht ignoriert oder verschwiegen, sondern thematisiert und bearbeitet werden Eine offensive Beschäftigung mit den oft menschenverachtenden Inhalten beinhaltet dabei auch das deutliche Einstehen für Demokratie und Grundrechte. In Umlauf gebrachtes Material sollte immer auf strafrechtliche Relevanz überprüft werden (hier sind die örtlichen Polizeibehörden hilfsbereit), jegliche Interventionen sollten gegenüber den Schülerinnen und Schülern inhaltlich begründet werden. Sachliche Erklärungen erweisen sich in diesem Kontext produktiver als eine (durchaus nachvollziehbare) emotionalisierende Argumentation. Die Schülerinnen und Schüler sollten frühzeitig in die Maßnahmen der Schule mit einbezogen werden, um möglichen Opferinszenierungen der Neonazis vorzubeugen. Deren Absicht besteht oftmals darin, Konfrontationen zwischen Lehrkräften und Schüler/-innen zu provozieren.
Die Behandlung von strafrechtlich relevanten Materialien, die etwa unter die einschlägigen Paragrafen des Strafgesetzbuches fallen, ist im Rahmen des Unterrichts zu Zwecken der Aufklärung und politischen Bildung jederzeit möglich.