Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen könnten in einem Mietshaus nicht konfliktfrei zusammenleben, glaubt der Immobilienkonzern Nassauische Heimstätte Wohnstadt (64.000 Wohnungen) – und vermietet seine Wohnblocks künftig ethnisch getrennt.
Mit einer provozierenden These stellt sich Thomas Dilger, Geschäftsführer der Nassauische Heimstätte Wohnstadt, gegen den in der bundesdeutschen Wohnungswirtschaft vorherrschenden Trend zur Integration: "Wir glauben nicht mehr an die glückliche, gemischte große Heimstättenfamilie."
"Eine 75-jährige deutsche Großmutter hat ein anderes Verständnis von Sauberkeit und Erziehung als eine junge Migrantenfamilie", sagt Dilger. Die Nassauische Heimstätte achte bei der Vergabe leer stehender Wohnungen deshalb darauf, dass nur noch Mieter aus ähnlichen Kulturkreisen in einem Wohnhaus zusammenleben, erläutert der Geschäftsführer: "Wir setzen auf einheitliche ethnische Nachbarschaften in Milieuhäusern."
Damit bezieht erstmals eine große deutsche Wohnungsgesellschaft offen Gegenposition zu der von anderen Unternehmen propagierten Integration von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen auf engstem Raum. Mit einem Bestand von 64.000 Wohnungen in Hessen und Thüringen ist die Nassauische Heimstätte einer der großen Anbieter der öffentlichen Hand am deutschen Wohnungsmarkt. Zu den Gesellschaftern zählen das Land Hessen sowie zahlreiche hessische Kommunen und Kreise, darunter die Städte Frankfurt/Main oder auch Wiesbaden. Zu viele Konflikte in Mietshäusern Die Wohnungsgesellschaft reagiert mit ihrem Konzept auf die zunehmenden Konflikte, die in den vergangenen Jahren in solchen Mietshäusern aufgetreten sind, in denen Deutsche und Migranten aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenwohnen. Dilger: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Russisch sprechende, in Russland geborene Deutsche den Hessisch sprechenden, in Deutschland geborenen Türken erklären wollen, wem dieses Land eigentlich gehöre und wer hier zu bestimmen habe."
Und die Reaktionen auf das Modell? "Das Konzept der Nassauischen Heimstätten verspricht größere Erfolge für die Quartiersentwicklung als bisherige Integrationsversuche in gemischten Wohnhäusern", sagt ein Vorstand einer großen kommunalen Wohnungsgesellschaft, der in diesem Zusammenhang namentlich nicht genannt werden will – aus einem Grund: "Politisch ist eine solche Segregation derzeit nicht gewollt." Vielmehr würde die Politik Druck ausüben, um die Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand zur Sozialarbeit zu zwingen.
Wohnungswirtschaft sieht Integration als Aufgabe
Deutlich wurde dies vor wenigen Tagen bei der Integrationskonferenz der Wohnungswirtschaft in Berlin. Achim Großmann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium, zeichnete dabei das Bild der Wohnungsunternehmen als künftige Vorreiter in der Integrationspolitik: "Der Arbeitsplatz verliert als Ort der Integration an Bedeutung." Stattdessen sei für eine erfolgreiche Integration neben der Tätigkeit der Kommunen und sozialen Institutionen das Engagement der Wohnungswirtschaft "unverzichtbar", sagte Großmann.
Ähnlich äußerten sich Manager einiger großer kommunaler Gesellschaften. Es sei Aufgabe der Wohnungsunternehmen, "den gesellschaftlichen Wandel in den Beständen aktiv mitzugestalten sowie Netzwerke und Instrumente zu entwickeln, die ein nachhaltiges Miteinander aller Mieter unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft ermöglichen", meinte etwa Jörg Franzen, Vorstand der Berliner Gesobau. Um Nachbarschaftskonflikte zwischen Bewohnern unterschiedlicher Kulturkreise in der Großsiedlung Märkisches Viertel zu lösen, beschäftigt die Gesellschaft sogar eine Integrationsbeauftragte.
"Integrationsbereitschaft ist an der Grenze"
Die Nassauische Heimstätte sieht die Idee des Miteinanders von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen auf engem Raum innerhalb einzelner Häuser hingegen als gescheitert an. "Bei zunehmendem Übergewicht von Migranten steigt die Fluktuationsrate deutscher Mieter an", sagt Dilger: "Die Integrationsbereitschaft und die Integrationskraft in unseren Siedlungen ist an ihre Grenzen geraten."
Um Milieuhäuser homogener Kulturkreise zu schaffen, werde zwar keinem Mieter die Kündigung ausgesprochen oder der Umzug in andere Miethäuser nahe gelegt. Bei der Belegung freiwerdender Wohnung werde jedoch darauf geachtet, dass die neuen Mieter zur größten ethnischen Gruppe innerhalb des Wohnhauses passen. Dilger: "Es wird Jahre dauern, bis wir das Konzept homogener Nachbarschaften umgesetzt haben."
Aus: Richard Haimann: in: weltonline vom 19. November 2007, Externer Link: (03.12.2007)
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Aus: weltonline vom 19. November 2007, Externer Link: (03.12.2007)