Erfolgreiche Migranten in Deutschland
Noch vor wenigen Jahren war es ein Stigma, Deutscher "mit Zuwanderungsgeschichte" zu sein, wie es vorsichtig heißt. Migranten galten als minder qualifiziert und schlecht integriert - und litten unter der Diskriminierung. Mehr und mehr befreien sie sich aus eigener Kraft von dem Image, das ihnen anhaftete. Die ZDF.reportage zeigt Migranten, die in Deutschland angekommen und anerkannt sind.
Hatice Nizam, genannt Hati, und Ayse Auth sind Friseurinnen - nicht irgendwelche. Ihnen gehört einer der trendigsten Friseursalons im Rhein-Main-Gebiet. Gerade haben sie in München mitten in der Innenstadt eine zweite Filiale eröffnet. Sie beschäftigen Angestellte aus einem halben Dutzend Ländern. Sie selbst sind Türkinnen mit deutschem Pass. Geboren als Gastarbeiterkinder, geworden zu erfolgreichen Geschäftsfrauen.
Nese und Selgün Calisir stammen ebenfalls aus der Türkei. Sie leben in Duisburg, sind mit ihren Kindern nach Röttgersbach gezogen, einem der feinsten Vororte. Seit Jahrzehnten lebt das Paar in Deutschland. Sie betreibt einen Schönheitssalon, er ist Immobilienmakler. Auch die Calisirs - keine Outcasts, sondern eine Familie, die von ihren Nachbarn geschätzt wird.
Mit Hartnäckigkeit zum "HaarWerk"
Bis zur Pubertät lebten Hati und Ayse in der Türkei, wo sie geboren wurden. Die Großmutter führte ein strenges Regiment. Mit 16 kamen die Mädchen nach Deutschland, die Eltern wollten sie unter Kontrolle haben. Ayse hatte als Erste genug: Mit 18 zog sie von zu Hause aus. Sie wollte nicht mehr auf ihren Vater hören, sondern machen, was sie für richtig hielt. Im selben Alter wurde Hati an einen Mann verheiratet, den sie kaum kannte.
Als Ayse zurück zu ihren Eltern ging, wurde auch sie zur Ehe gezwungen. Drei Jahre hielten sie durch, dann verließen sie ihre Männer. Die eigenen Eltern ächteten sie. Der Konflikt gab ihnen Kraft: Hati und Ayse sind heute anerkannte Haarstylistinnen. Auch mit ihrer Familie haben sie sich versöhnt.
Kopftuch und katholischer Kindergarten
Noch können Sena und ihre Kindergarten-Freundinnen wenig miteinander sprechen. Sena ist die Tochter von Nese und Selgün Calisir. Zu Hause wird Türkisch geredet. Im Kindergarten soll das Mädchen jetzt Deutsch lernen. Auch deshalb sind die Calisirs aus dem sozial schwachen Vorort Marxloh weggezogen: Der katholische Kindergarten sorgt für gute Betreuung und Erziehung.
Die Calisirs fühlen sich wohl in Duisburg.
Für Senas Mutter Nese ist es trotz allem selbstverständlich, Kopftuch zu tragen. Sie hat es auch ohne ausprobiert und sich bewusst dafür entschieden, "bedeckt" zu sein. Auch das Einhalten des Ramadan gehört für die Calisirs dazu - inklusive festlichem Fastenbrechen am Abend. Sie leben vor, wie man in Deutschland akzeptiert sein und zugleich den Traditionen seiner Heimat verpflichtet sein kann.
Spagat zwischen zwei Welten
Für die meisten Migranten bedeutet der Weg nach Deutschland, dass sie sich an völlig neue Lebensbedingungen gewöhnen müssen. Doch Fälle wie die der Nizam-Schwestern und der Calisirs beweisen: Immer mehr Ausländer kommen gut vorbereitet und hoch motiviert zu uns. Sie zeigen, dass sie klug, ehrgeizig und - nicht zuletzt - angenehme "Zimmernachbarn" sind, in der Wohngemeinschaft Deutschland. Die ZDF.reportage zeigt, dass der Spagat zwischen zwei kulturellen Identitäten gelingen kann.
Aus: Das Beste aus zwei Welten, ZDF.reportage von Annette Hoth, vom 4.11.2007, Text abrufbar unter: Externer Link: http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/dokumentationen/153961?id=153961 (01.06.2011)