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M 03.03.04 Cornelia Dazer: Freundinnen und Kollegen
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Die Beziehungen zu Freundinnen und Freunden, aber auch zu Arbeitskolleginnen und Kollegen, wurden in der DDR stark durch die Konformität zum politischen System geprägt. Frau Dazer beschreibt, wie sich das Verhältnis zu anderen Menschen nach ihrem Ausreiseantrag verändert hat, aber auch wie sie und ihre Familie unterstützt wurden.
Du hast erzählt, du hättest die meiste Zeit mit deiner Schwester verbracht, hattest Du auch andere Freundinnen und Freunde?
Natürlich hatte jeder von uns seine Freundinnen. Wir waren ja auch anpassungsfähig. Das Verhältnis zu meinen Mitschülern war gut. Politik war dort aber eher kein Thema. Viele waren zwar ruhig und hielten den Mund, hatten aber vielleicht auch ihre Meinung. Es gab ja etliche, die die gleiche Meinung hatten, dies aber nicht kundgetan haben. Man hat sich ja auch seinen Kreis gesucht mit Leuten, die derselben Meinung waren.
Wie war das Verhältnis zu deinen Arbeitskollegen?
Auf meiner ersten Arbeitsstelle war das Verhältnis zu meinen Kollegen nicht gut. Der Arzt war der Gott in Weiß, dann kam die Oberschwester, und wenn man eine Bitte hatte, wurde man abgewürgt. Es waren klare Hierarchien. Ich habe mich dort nicht wohlgefühlt. Es war fürchterlich, und das habe ich kundgetan. Daraufhin wurden ich und drei weitere Ärzte, die sie ebenfalls loswerden wollten, versetzt. Wir kamen alle in eine kleine Klinik in einem Nordhäuser Vorort. Das war auch gut so, denn bei diesem Arbeitsplatz herrschte ein familiäres Klima. In der großen Klinik habe ich mich nie wohlgefühlt. Es war fürchterlich.
Nachdem ihr die Ausreise beantragt hattet, wie hat sich das Verhältnis zu Kollegen und Freunden verändert?
Nachdem wir die Ausreise beantragt hatten, hat sich das Verhältnis zu Kollegen und Freunden schon stark verändert. Ich habe es im Gesundheitswesen nicht so doll zu spüren bekommen, habe aber trotzdem gekündigt. Denn dort im Team war eine Kollegin, die hatte mich auf dem Kieker und hat immer komische Fragen gestellt. Wir wissen ja heute, dass in jedem kleinen Team ein Zuträger (Spitzel des Stasi) war. Ich habe gewusst, wer es war, und habe dann gekündigt, um die Zeit bis zur Ausreise zu verkürzen bzw. die ganze Sache zu beschleunigen. Aber mein Mann bekam auf seiner Arbeit große Probleme. Viele seiner Arbeitskollegen haben nicht mehr mit ihm gesprochen und haben die Straßenseite gewechselt, wahrscheinlich auch weil sie Angst hatten. In dieser Zeit hat sich sozusagen die Spreu vom Weizen getrennt: Die wahren Freunde standen zu ihm, und die anderen wandten sich ab.
Außerdem gab es noch einen Kreis von Freunden, mit denen man sich heimlich getroffen hat. Es wurde viel diskutiert. Es hatte sich dann in Nordhausen auch rumgesprochen, wer Ausreiseantrag gestellt hatte und wer nicht. Wir hatten einen Pfarrer, der uns beistand, und mit dem wir uns heimlich getroffen haben. Das war schon sehr spannend. Dort wurde darüber gesprochen, wer was gehört hat, wer rübergekommen ist, wie lange es noch dauert. Die Ausreisezeit war schon voller Anspannung.
Quelle: Interview mit Cornelia Dazer vom 16.03.2016, durchgeführt von Cornelius Knab
Aufgaben:
Beschreibe, a) wie wichtig Freundeskreise („die wahren Freunde“) für Cornelia Dazer und ihren Mann in der DDR waren, b) wie sie durch Ausklammern von politischen Themen Konflikte innerhalb der Gruppe und zum Staat hin verringert hat und c) wie belastend das Spitzelunwesen für sie und ihre sozialen Beziehungen war.
Analysiere, a) wie sie Benachteiligungen am Arbeitsplatz wahrgenommen und „verarbeitet“ hat und dabei ihren eigenen Stil und ihre Selbstachtung gewahrt hat und b) wie sie die Entwicklungsaufgabe „Pflege sozialer Beziehungen“ auch unter schwierigen Bedingungen gelöst hat.
Formuliere Thesen zum Thema: Wie wichtig ist ein Freundeskreis für mich, meine weitere Entwicklung und was kann ich für die Pflege dieser sozialen Beziehungen tun?
Das Arbeitsmaterial Interner Link: M 03.03.04 C. Dazer: Freundinnen und Kollegen ist als PDF-Dokument abrufbar.
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