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M 03.03.02 Cornelia Dazer: Kindergarten und Schule
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Die Institutionen der Sozialisation begannen in der DDR wesentlich eher und drastischer in das Leben von Heranwachsenden einzugreifen. Bereits in ihrer Schulzeit eckte Cornelia Dazer mit ihrer Systemkritik an. Es gab jedoch auch Lehrerinnen und Lehrer, die ihre kritische Art durchaus zu schätzen wussten.
Ab wann hattest du die ersten Probleme mit Institutionen wie zum Beispiel der Schule?
Im Kindergarten hatte ich bereits kleine Probleme mit dem Gruppenzwang. Mit dem Mittagsschlaf auf diesen Pritschen. Ich konnte einfach nicht schlafen. Ich musste dort aber diese zwei Stunden liegen, ob ich wollte oder nicht. Kurz vor der Schule war ich der Meinung, dass ich nicht in die Jungpioniere muss, obwohl dort 99,9 Prozent erfasst wurden. Da war schon so ein kleines bisschen Rebellion in mir.
Es hat mich gestört: Dieser Drill im kleineren Sinne. Wir mussten dieses und jenes machen. Die Zeiten waren genau vorgegeben, wann du was wo zu machen hast. Es hat mich immer schon ein kleines bisschen gestört. Aber es war wie gesagt, dieser Freiheitsdrang. Die Freiheit in allen Dingen war eingeschränkt und eingeschnitten. Zum Beispiel während der Ferien im grenznahen Gebiet oder oben auf dem Fernsehturm, da sieht man ja auch den Westteil, das ging für mich gar nicht. Ich hatte dann immer Tränen in den Augen und konnte die Welt nicht verstehen. Du wirst ja geboren und du kannst nichts dafür, wo und wie du aufwächst. Das nicht frei entscheiden zu können, war schon in frühster Kindheit für mich ein Albtraum.
Auf was für einer Schule warst du?
Ich bin auf eine Realschule gegangen beziehungsweise eine Gesamtschule. Ich war eine gute Schülerin. Ich bin natürlich in dem Fach Staatsbürgerkunde immer in Diskussion mit dem Lehrer verfallen und hatte dann zum Beispiel auf dem Halbjahres Zeugnis einen Spruch, der lautete: „Cornelia kann sich den Normen der sozialistischen Schule nicht unterordnen.“ Und haben dich die Lehrer dann schlechter behandelt?
Eigentlich nicht. Ich hatte sogar eine ganz gute Note in Staatsbürgerkunde. Ich habe viel mit dem Lehrer diskutiert, und das fand mein Lehrer gar nicht so verkehrt. Wer nun diese Sätze aufs Zeugnis geschrieben hat, es war sicher der Klassenlehrer. Der Lehrer in Staatsbürgerkunde hat sich gefreut, dass überhaupt jemand aufpasst und sich politisch interessiert. Wenn es vielleicht nicht in seinem Sinne war, wobei man ja nicht weiß, ob es vielleicht nicht doch in seinem Sinne war. Schlechter als die Note Zwei war ich nie in Staatsbürgerkunde. Wenn er eine „rote Socke“ gewesen wäre, dann hätte er es ja verpönt, und ich hätte es in der Note oder allgemein zu spüren bekommen.
Wie würde das Gesamtresümee über die Schule ausfallen?
Wir haben schon was gelernt, aber ich hatte im Prinzip keine Schwierigkeiten, es fiel mir leicht. Wir waren ein guter Klassenverband. Ich habe mich allerdings nie wählen lassen, ich wusste, es gibt dann vielleicht Ärger, wenn ich meine Meinung sage. Dieses Auswahlverfahren für die Oberschule konnte ich auch nicht verstehen. Damals durften ja nur wenige das Abitur machen. Die Auswahlverfahren waren da sehr willkürlich. Man wurde bevorzugt, wenn man ein Arbeiterkind war, aber es hat natürlich auch eine Rolle gespielt, ob die Familie oder man selber politisch konform war. Ich durfte auf jeden Fall nicht auf die Oberschule und auch keine Fremdsprachen wie Englisch und Französisch lernen. Das war damals ein sehr harter Einschnitt für mich.
Quelle: Interview mit Cornelia Dazer vom 16.03.2016, durchgeführt von Cornelius Knab
Aufgaben:
Stelle anhand dieses Falles von Cornelia Dazer dar, was typisch war für die Sozialisation von Jugendlichen in der DDR und was daran die junge Cornelia Dazer besonders gestört hat ("ein Alptraum" war“). Berücksichtige bei deiner Analyse besonders die Bemerkung auf ihrem Zeugnis, die sie noch heute als erwachsene Person erinnert
Analysiere, welche unterschiedlichen Erfahrungen Cornelia Dazer mit ihren Lehrer/innenn gemacht hat und wie sie diese Gegensätze verarbeitet hat.
Arbeite heraus, wie die Schülerin Cornelia Dazer das Auswahlverfahren in ihrer Schule beurteilt und welche Nachteile dies für sie mitsichbrachte.
Diskutiere anhand dieses Falls die These: Je größer der Einfluss des Staates auf die schulische Sozialisation ist, desto geringer ist der Gestaltungsspielraum (die Freiheit) von Lehrern und Lehrerinnen sowie Schülern und Schülerinnen.
Das Arbeitsmaterial Interner Link: M 03.03.02 C. Dazer: Kindergarten und Schule ist als PDF-Dokument abrufbar.
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