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M 03.01.01 Erols Familie (Teil 1: Meine Kindheit)
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Die Familie besitzt für Erols Sozialisation einen besonderen Stellenwert. Bereits in seiner Kindheit trennten sich seine Eltern, zudem hatte die Familie häufig mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Erols Mutter spielt eine ganz besondere Rolle für seinen Werdegang.
Wie hast Du deine Kindheit wahrgenommen?
Es gab dieses große Problem, dass sich meine Eltern nicht geliebt haben. Die sind sowas wie ne Nutzehe, Zwangsehe oder wie man es auch nennen mag, eingegangen. Diese Art Zweckgemeinschaft ist halt sehr unüberlegt und sehr unreif gewesen. Das hat man natürlich immer wieder gespürt. Und das hat abgefärbt auf mich und meinen Bruder. Und dadurch hatte man halt auch sehr oft sehr viel Streit - gerade wenn es kein harmonisches Elternhaus oder keinen respektvollen Umgang untereinander gibt. Also mein Vater hat meine Mutter nicht geschlagen – zumindest weiß ich nichts davon, aber die haben sich einfach nicht gemocht, die konnten sich nicht leiden und das haben wir halt auch mitbekommen. Ich bin irgendwann wirklich so unglücklich gewesen, dass ich Abschiedsbriefe an die Polizei geschrieben habe, weil ich mir gesagt habe: Ey ich möchte nicht mehr ständig kämpfen müssen. Ich war auch sehr neidisch auf andere Kids. Die hatten alles. Die hatten ein schönes Haus, die haben einen friedvollen Umgang zuhause und bei uns war immer laut und immer sehr kraftaufwendig. Nach der Trennung meiner Eltern bin ich dann in die Kur nach Bad Orb gekommen. Auch wegen leichtem Übergewicht, aber auch wegen psychischer Angelegenheiten. Ich hab auch meiner Mutter gesagt: "Ey ich hab manchmal keine Lust mehr." Einfach keinen Bock mehr und hab nur noch versucht, die Luft anzuhalten unter Wasser und so einen Scheiß.
Also ich weiß, dass ich unglücklich, teilweise sehr unglücklich war. Ich weiß, dass wir nie viel Geld hatten. Man sagt ja, Geld ist nicht alles, aber das ist leichter gesagt, als wenn man das mal so durchlebt. Es ist halt sehr nervig, wenn man kein Geld hat, wenn die Kids alle ohne Probleme auf Klassenfahrt gehen können und nie irgendwelche Fördergelder annehmen müssen. Oder wenn ich die zu großen Klamotten von meinem Bruder getragen habe. Wenn meine Mutter Haare schneidet für irgendwelche Leute und die mir dann Spielzeug schenken als Vergütung. Also du merkst auch da steh ich hinten an und das hat mich immer gestört hinten anzustehen. Ich hatte keinen Stift in der Schule gehabt. So, da fängt es doch schon an so ganz komische Sachen. Ich habe immer die alten Federmäppchen von meinem Bruder bekommen. Ich habe auch geklaut irgendwann, ich habe geklaut wie der letzte Esel. Ich bin einfach in das Einkaufszentrum und habe mir Stifte genommen. Ich habe mir Kugelschreiber geholt, ich habe mir Füller geholt, ich hab mir Playstationspiele aufgemacht, ich hab die PSP-Spiele mitgenommen, ich habe alles geklaut.
Durch die Scheidung meiner Eltern habe ich halt nur meine Mutter gehabt, und mein Bruder ist halt dann auch irgendwann zu meinem Vater gezogen. Es war auch die Liebe zu meiner Mutter, die mich von schlimmen Dingern fern gehalten hat. Wenn ich Zigaretten geraucht habe oder wenn ich was geklaut habe, bin ich immer nach Hause und habe es ihr erzählt, immer. Es gab keinen Tag, wo ich es nicht gemacht habe und ich habe immer Ärger bekommen. Aber irgendwann hab ich mir gedacht, ich und sie! Wenn sie für mich so viel aufnimmt, wie die Doppelschichten machen oder zu Hause nochmal schwarz Haare schneiden. Sie hat dafür gekämpft, dass es mir gut geht und alles dafür getan, dass ich mir was leisten kann. Und sie hat mir vor allem Liebe gegeben! Und ich habe gemerkt, dass ich das erwidern muss, weil ich auch nur sie habe. Es war auch irgendwann die Liebe zu meiner Mutter, die mich von so Sachen wie Einbrüchen oder größeren Diebstählen oder Schlägereien, Drogen und dem ganzen Scheiß ferngehalten hat.
Hat dich deine Familie dabei unterstützt Musik zu machen?
Ja, meine Mutter immer! Mein Bruder hat es eher verneint. Niemand fängt halt an zu rappen und ist gut... Meine Mutter war halt die einzige, die gesagt hat: „Gib Gas, gib Gas!“ Und dann hab ich es durchgezogen. Mein Bruder hat am Anfang mal gesagt, hey, ich weiß nicht so recht… Mittlerweile ist er ganz stolz auf mich.
Also, deine Mutter hat dich immer bei Allem unterstützt?
Es gibt eine Anekdote. In der fünften Klasse oder so: Ich musste zur Schule gebracht werden, weil ich verschlafen hab. Morgens beim Bäcker, ich ess noch mein Käsebrötchen und sag „Mama, ich will Rapper werden.“ Sie sagt: „Was ist das Problem?“ und ich sag: „Jaaa, das schafft nur eine von 100.000 Personen.“ Und da hab ich damals halt Bushido als Beispiel genannt. Und sie hat gesagt „Ja, dann musst du alles dafür geben, um diese eine Person zu werden. Sonst kann das gar nicht passieren, dass du diese eine Person wirst." Und dann hab ich gesagt: „Okay, dann mach ich's.“ Seitdem tu ich so, als ob ich diese eine Person bin. Bisher läuft´s gut.
Quelle: Interview mit Erol Peker (Credibil) vom 08.03.2016, durchgeführt von Cornelius Knab
Aufgaben:
Beschreibe die Besonderheiten der Kindheit von Erol, insbesondere welche Konflikte und Krisen er in dieser Zeit zu bewältigen hatte.
Welche besondere Bedeutung kommt der Mutter im Leben von Erol zu? Belege deine These mit zentralen Sätzen aus dem Interview.
Erkläre mit Hilfe des soziologischen Konzeptes der Bezugsperson und des Zusammenspiels von inneren und äußeren Faktoren, wie Erol die Konflikte und Krisen in seiner Kindheit bewältigen konnte.
Wie erklärt Erol selbst den Vorgang, Rapper geworden zu sein? Diskutiere die These: Dies kann als gelungenes Beispiel für die Lösung einer wichtigen Entwicklungsaufgabe im Jugendalter angesehen werden.
Das Arbeitsmaterial Interner Link: M 03.01.01 Erols Familie (Teil 1: Meine Kindheit) ist als PDF-Dokument abrufbar.