Wenn die Wahlbeteiligung wieder einmal gesunken ist, wird oft behauptet, es läge an den jungen Menschen, da diese nicht zur Wahl gegangen wären. Es wird argumentiert, dass die junge Generation
Betrachtet man die Wahlbeteiligung seit den achtziger Jahren wird deutlich, dass die 18 -29-jährigen Wahlberechtigten die Gruppe repräsentieren, die am häufigsten der Wahl fernbleibt. Auch das Interesse an Politik liegt auf einem niedrigeren Niveau als bei älteren Menschen. Man könnte also meinen, die rückläufige Wahlbeteiligung liege an den Jungwählern. Betrachtet man jedoch die Wahlbeteiligung der anderen Gruppen, wird deutlich, dass diese in allen Altersstufen ungefähr gleich stark sinkt. Alle Generationen geben also ihre Stimme seltener ab, als dies noch vor 30 Jahren der Fall war. Junge Menschen haben gerade im Alter zwischen 18 und 29 Jahren häufig für sie wichtige Aufgaben zu bewältigen. Sie kümmern sich um ihre Ausbildung, beschäftigen sich mit der Partnerwahl und müssen lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn diese schwierige Lebensphase vorüber ist, steigt das Interesse an Politik und dementsprechend auch die Wahlbeteiligung.
Es existieren jedoch Faktoren, die das politische Engagement und die Wahlbeteiligung junger Menschen erheblich beeinflussen. Ein wichtiger Einflussfaktor auf politisches Engagement und speziell auf das Wahlverhalten der jungen Generation ist Bildung. Während in den 80er Jahren der Schulabschluss bei älteren Menschen keinen Einfluss und bei jungen Menschen nur einen geringen Einfluss auf die Teilnahme an Wahlen besaß, nahm dieser im Zeitverlauf stetig zu. Bereits in den Neunzigern gaben junge Menschen mit Abitur ihre Stimme häufiger ab, als Schülerinnen und Schüler unterer und mittlerer Bildungsabschlüsse. Dieser Trend hat sich bis heute nochmals verstärkt. Der Unterschied in der Wahlbeteiligung beträgt heute zwanzig Prozent zwischen jungen Erwachsenen mit hoher und denjenigen mit niedriger Bildung. Im Gegensatz dazu beträgt die Differenz bei der Wahlbeteiligung zwischen älteren Erwachsenen mit hohen und niedrigen Bildungsabschlüssen nur zehn Prozent. Gut ausgebildete Menschen der jungen Generation gehen sogar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Wahl, als ältere Erwachsene mit hohen Abschlüssen. Bildung ist demnach vor allem bei jungen Menschen ein wichtiger Faktor für die Stimmabgabe. Dieser Faktor hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen.
Neben der Wahl existieren in demokratisch verfassten Gesellschaften eine große Anzahl weiterer Beteiligungsformen, die allen Menschen offenstehen, wie beispielsweise die Teilnahme an Demonstrationen oder die Mitgliedschaft in einer politischen Initiative. Doch auch in Bezug auf diese ergibt sich eine Schieflage. Prinzipiell nutzen vor allem die Menschen alternative Möglichkeiten der Einflussnahme, die auch zur Wahl gehen. Bei jungen Nichtwählern zwischen 18 und 29 Jahren liegt die Quote der Teilnahme an alternativen Beteiligungsformen, die sich außerhalb des Internets abspielen, bei ca. 25 Prozent, wohingegen sich von den gleichaltrigen Wählern 60 Prozent zusätzlich zur Wahl politisch engagieren.
Vergleicht man alternative Beteiligungsformen unter dem Aspekt, ob sie im Internet stattfinden oder nicht, zeigt sich, dass die Gruppe der 16-29-Jährigen diejenige ist, die sich am häufigsten online politisch engagiert. Über den Zusammenhang zwischen der politischen Partizipation der jungen Generation im Netz und Bildung existieren noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Jedoch gilt für alle alternativen Beteiligungsformen zusammen: Wer ein Abitur oder einen Hochschulabschluss erworben hat, beteiligt sich wesentlich häufiger an Wahlen als Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.
Arbeitsaufträge:
Fasse stichpunktartig zusammen welcher Vorwurf der jungen Generation häufig gemacht wird und ob dieser tatsächlich zutrifft.
In welchem Verhältnis stehen die Wahlbeteiligung junger Menschen und Bildung zueinander und wie hat sich dieses in den letzten Jahren entwickelt? Notiere dir deine Überlegungen.
Stelle mit deinem Sitznachbarn Überlegungen an, in welchem Zusammenhang das Ausführen alternativer politischer Beteiligungsformen und die Wahl stehen? Haltet eure Ergebnisse fest und präsentiert diese Ergebnisse anschließend in der Klasse.
Diskutiert in der Klasse, welche Bedeutung die wachsende Bildungskluft der jungen Wahlberechtigten in der Zukunft auf die repräsentative Demokratie haben könnte.
Das Arbeitsmaterial ist hier als Interner Link: PDF-Datei abrufbar.
Eigener Text nach:
Simone Abendschön und Sigrid Roßteutscher: Wahlbeteiligung junger Erwachsener - Steigt die soziale und politische Ungleichheit?, in: Roßteutscher et al. (Hrsg.): Bürgerinnen und Bürger im Wandel der Zeit, Veröffentlichungen des Arbeitskreises "Wahlen und politische Einstellungen" der deutschen Vereinigung für politische Wissenschaft (DVPW) 2016
Thomas Petersen, Dominik Hierlemann, Robert B. Vehrkamp, Christopher Wratil: Gespaltene Demokratie. Politische Partizipation und Demokratiezufriedenheit vor der Bundestagswahl 2013, 2013
Armin Schäfer, Robert Vehrkamp, Jeremie Felix Gagne: Prekäre Wahlen, Milieus und soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013, 2013