Werden wir immer dümmer, weil wir nichts mehr wissen müssen?
Im digitalen Zeitalter ist (fast) jede Information stets nur ein paar Klicks entfernt. Das klingt zwar wunderbar unkompliziert – ist es aber leider nicht. Die Vorstellung, dass man aufgrund der ständigen Verfügbarkeit von Information nichts mehr wissen müsse, führt, je nachdem, entweder zu Jubel (aufgrund der Entlastung, uns alles mögliche merken zu müssen) oder zu Sorge (weil diese Entlastung etwa dazu führen könnte, dass unser Gedächtnis Schaden nimmt und wir verdummen). Beide Perspektiven übersehen jedoch, dass Informationen keineswegs so leicht verfügbar sind, wie es den Anschein hat. Denn obwohl wir fast ständig Zugang zu unserem digital "ausgelagerten Gedächtnis" haben, müssen wir immer genauer wissen, auf welche Weise wir uns Wissen beschaffen, das heißt, wie wir es aus einer riesigen Informationsfülle selektieren und wie wir es auf seinen Wahrheitsgehalt hin prüfen.
Damit uns die Informationsflut nicht überrollt
Der breite Zugang zu Wissen und die Möglichkeit, ständig selbst etwas zu dieser Fülle beizutragen, bedeutet umgekehrt auch, dass es immer weniger Instanzen gibt, die diese Selektion verlässlich für uns übernehmen könnten. Wir sind also gewissermaßen auf uns allein gestellt – und das erfordert einiges an Wissen und Fähigkeiten. Man könnte also sagen: Es ist möglich, dass wir uns nicht mehr so viel merken müssen wie früher, aber dafür müssen wir viel mehr über Wissensgewinnung wissen. Das Verhältnis von Wissen und Kompetenzen verschiebt sich also weiter hin zu den Kompetenzen. Zusätzlich zu der notwendigen Selektionsleistung müssen wir eine ganze Reihe von Fähigkeiten ausbilden, um uns nicht desinformieren zu lassen.
Corona-Fake oder Corona-Fakt?
Früher, als die meisten Menschen ihre Nachrichten noch über gedruckte Zeitungen bezogen, war die Wahrscheinlichkeit noch recht hoch, dass diejenigen, die eine „Ente“, also eine Falschmeldung lasen, auch die darauffolgende Richtigstellung zu Gesicht bekamen. Obwohl es heute viel leichter ist, Informationen zu erhalten, können wir uns längst nicht mehr darauf verlassen, dass uns jemand im Nachhinein darauf hinweist, wenn diese Informationen fehlerhaft sind. In der Corona-Krise zeigt sich, wie problematisch Falschmeldungen tatsächlich sein können – zunächst ganz unabhängig davon, ob uns jemand absichtlich oder unabsichtlich täuscht. Denn wer beispielsweise verbreitet, dass die Corona-Pandemie eine Erfindung machthungriger Politikerinnen und Politiker ist, gefährdet sehr konkret die Gesundheit zahlreicher Menschen. Und in Phasen des Kontrollverlustes neigen wir zudem eher dazu, Verschwörungstheorien Glauben zu schenken, die durch ihre Erklärungen unter anderem den Zufall als Faktor ausschließen, indem sie unerwartete Phänomene wie eine Pandemie in einen größeren Sinnzusammenhang einbetten. Obwohl dieser Sinnzusammenhang beängstigend wirkt, bietet er seinen Anhängerinnen und Anhängern doch neue Strukturen, an denen sie sich orientieren können. Zu guter Letzt sorgt die Digitalisierung dafür, dass sich während einer globalen Krise nicht nur Nachrichten, sondern auch global ausgerichtete Verschwörungstheorien und Falschmeldungen viel rascher verbreiten als früher. Aus diesem Grund müssen wir uns während einer Krise also besonders sorgfältig darum bemühen, uns nicht zu desinformieren und auch keine Desinformationen weiterzuverbreiten.
Von Verdummung keine Spur!
Ob wir an negativen Folgeerscheinungen der digitalen Welt leiden, hängt unter anderem von der Menge und Intensität unseres Konsums einerseits und von der Ausbildung entsprechender Kompetenzen andererseits ab. Dabei ist die Wandlung der als notwendig erachteten Kompetenzen völlig normal. Ja, sicherlich gehen durch die Digitalisierung auch manche Fähigkeiten teilweise verloren, die noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten als überaus wichtig angesehen wurden, wie etwa das Kartenlesen oder das Briefeschreiben. Das heißt aber nicht, dass unsere Kompetenzen im Großen und Ganzen verkümmern – sondern eben nur, dass sie einem ständigen Wandel unterliegen. Und das war schon immer so. Wer sich diesem Wandel verschließt, könnte nicht nur in Krisenzeiten Probleme damit bekommen, sich richtig zu informieren.
Arbeitsaufträge:
1. Einzelarbeit: Lies dir den Text genau durch und unterstreiche alle genannten Effekte der Digitalisierung auf die Informiertheit der Bürgerinnen und Bürger.
Erstelle eine Tabelle (1. Spalte: negative Effekte; 2. Spalte: positive Effekte) und halte dort die einzelnen Beispiele fest.
Überlege, ob dir noch weitere Auswirkungen der Digitalisierung auf die Information / Informiertheit einfallen, und ergänze diese in der Tabelle.
2. Gruppenarbeit: Vergleicht innerhalb der Gruppe eure Ergebnisse und ergänzt diese.
Bestimmt eine Person, die eure Ergebnisse der Klasse vorstellt.