Was ist eigentlich Medienkompetenz?
Auch wenn viele verschiedene Definitionen und Modelle von Interner Link: Medienkompetenz existieren, drehen sich die meisten um ein Wissen über Medien und ihre Funktionsweisen sowie um ein kompetentes, selbstbestimmtes Handeln mit Medien. Auch dem kritischen Umgang mit Medien wird Beachtung geschenkt, unter anderem im weit verbreiteten Medienkompetenzmodell von Dieter Baacke.
Durch die zunehmende Digitalisierung vieler Lebensbereiche unterliegt der Medienbegriff einem Wandel. Ein "Ausschalten" des medialen Einflusses ist nur noch schwer möglich. Medien sind allumfassend und präsent, auch wenn dies nicht immer sichtbar ist. Es geht schon lange nicht mehr nur um "Medien" im kommunikationswissenschaftlichen Sinn (z. B. Zeitung oder Fernsehen) oder um Geräte, da auch das Internet Einfluss nimmt und aus "Medien" digitale Medien werden, worunter z. B. auch soziale Medien (Plattformen im Internet) gefasst werden. Medien sind dabei nicht nur Kommunikationsmittel: Die Welt und Gesellschaft werden durch und mit Medien gestaltet.
Medienkompetenz und politische Bildung
Der Zusammenhang zwischen politischer Bildung und Medienkompetenz wird im Rückblick auf das 20. Jahrhundert deutlich. In ihrem Buch "It’s Complicated"
Auch in den 1960er Jahren bekam das Feld der Media Literacy einen weiteren Schub, damals im Kontext von zusehends größer und sichtbarer werdenden Werbekampagnen in den USA. Diese Überlegungen und Anstrengungen hatten zum Ziel, dass Menschen sich vor einer Einflussnahme und Indoktrination schützen könnten, sich kritisch mit den Inhalten und den Medien auseinandersetzen mögen und eigene Schlüsse ziehen würden. Eine Motivation also, die sich nicht sonderlich von heute wünschenswerten Kompetenzen im Kontext von Medienkompetenz und politischer Bildung unterscheidet.
Dass eine Verbindung von Medienkompetenz und politischer Bildung gezogen werden kann, begründet nicht nur ein Blick zurück, sondern auch die Auseinandersetzung mit einer der Zieldimensionen von Medienkompetenz: Die gesellschaftliche Teilhabe (eben auch) durch die souveräne Nutzung und Gestaltung von Medien.
Medienpädagogische Angebote können per se interdisziplinär und in Richtung politischer Bildung gedacht werden – können deswegen, weil dafür ein ganz bestimmtes Verständnis von Medienpädagogik vorausgesetzt wird. Inhalte und Formate der Angebote sind in diesem Verständnis verschränkt: Ist in einem Workshop das Produkt vorgegeben (z. B. Film, Hörspiel, Comic), bieten die verschiedenen Formate trotzdem unterschiedliche Möglichkeiten für die Beschäftigung mit vielfältigen, gesellschaftlich relevanten Themen, wie z. B. ein Trickfilm über Umweltschutz oder ein Podcast über anstehende Wahlen. Gleichzeitig setzt die Beschäftigung mit bestimmten gesellschaftsrelevanten Inhalten (vor allem "digitalen Themen" wie
Medienpädagogische Angebote können in diesem Sinne einen Raum für politische Bildung öffnen. Es geht nicht nur um die Beschäftigung mit Medien, sondern darum, was Menschen mit Medien machen und wie sie Medien aktiv und für sich und ihre Bedürfnisse in den Gebrauch nehmen (können). Vier Kriterien für die Praxis können helfen, das beschriebene Verständnis zu stützen und mit Leben zu füllen: Offenheit, Partizipation, Gesellschaftsrelevanz und Lebensweltorientierung.
Offenheit
Das Prinzip "Offenheit" ist aus zwei Perspektiven zu verstehen: Zum einen tauschen sich (medien-)pädagogisch Aktive viel aus und zeigen, was sie machen, wie sie Dinge angehen und lösen. Dies trägt zur Interdisziplinarität der Medienpädagogik mit verschiedenen Einflüssen aus verwandten Disziplinen und Themen bei, u. a. der politischen Bildung. Wissen und Ressourcen werden verstetigt und weitergegeben, da Medienpädagog*innen in einem sehr dynamischen Feld arbeiten, in dem sich vieles (Zielgruppen, Themen, Inhalte, Formate, Methoden) schnell wandelt. Hinzu kommt, dass es mittlerweile gängig geworden ist, in Veröffentlichungen auch auf Offenheit zu setzen und durch den Einsatz offener Lizenzen deutlich zu machen, dass die Nutzung, Veränderung oder Anpassung der Materialien explizit möglich und gewünscht sind.
Zum anderen beschäftigen sich viele Kolleg*innen auch auf einer praktischen Umsetzungsebene mit Offenheit, etwa indem sie Zugänge für verschiedene Zielgruppen schaffen: z. B. zu Programmen (beispielsweise durch die Nutzung freier, kostenloser Software) oder auch in der praktischen Projektarbeit zu alternativen Tools (beispielsweise durch die Nutzung von Open Source).
Partizipation
Der Großteil der medienpädagogischen Angebote beinhaltet einen starken partizipativen Anteil und stellt Anliegen, Bedürfnisse und Themen ihrer Teilnehmer*innen in den Vordergrund bzw. macht sie mit medienpädagogischen Methoden sichtbar. Dies sind u. a. themen- oder/und ergebnisoffene Angebote oder solche, bei denen die Erstellung eines eigenen Produktes oder die Umsetzung einer eigenen Idee im Vordergrund steht. Mit diesen Angeboten sollen Menschen befähigt werden, selbst gestalterisch aktiv zu sein und Dinge einfach auszuprobieren. In der heutigen Informationsgesellschaft ist Wissen – mit der Betonung nicht auf Faktenwissen, sondern auf Wissen über Prozesse und Kompetenzen – eine kritische Ressource. Damit werden Grundsätze wie Demokratie und Selbstbestimmung zu Bildungsfragen, für die es Kompetenzen und Lernfähigkeit braucht.
Junge Menschen müssen deshalb dazu befähigt werden, digitale Geräte nicht nur zu nutzen, sondern die ihnen zugrundeliegende Kultur zu gestalten. Dafür braucht es vor allem Räume und Gelegenheiten zum Kennenlernen und Ausgestalten. Wenn Partizipation gelingen soll, ist auch der Zugang zur Zielgruppe entscheidend: Der Alltag und die Kommunikation junger Menschen sind heute digital und medial geprägt, weswegen eine lebensweltbezogene Partizipation junger Bürger*innen, sprich Jugendbeteiligung, auch digital sein sollte.
Gesellschaftsrelevanz
Die Medienpädagogik strebt einen kritischen Umgang mit Medien und Informationen zur souveränen Meinungsbildung und Teilhabe an der Gesellschaft an. Gleichzeitig bietet medienpädagogische Arbeit für alle Ziel- und Altersgruppen Anknüpfungspunkte und -möglichkeiten – wir alle nutzen Geräte und Anwendungen und sind tagtäglich mit gesellschaftlichen Themen rund um die Digitalisierung konfrontiert (z. B. Big Data-Analysen, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz). Bei der Konzeption von (medienpädagogischen) Angeboten stellt sich deshalb immer die Frage, wie man vor allem mit schwierigen gesellschaftlichen Themen umgeht und daraus passende und relevante Angebote für eine Zielgruppe schafft.
Dabei kann es beispielsweise um die Vermittlung von Wissen und Informationen gehen: Denn Menschen beziehen ihre Informationen aus den verschiedensten Medien, müssen also die Funktions- und Arbeitsweisen hinter diesen Medien verstehen, damit Aspekte wie Manipulation oder Quellenkritik verinnerlicht und zur Meinungsbildung herangezogen werden können.
Lebensweltorientierung
Medienpädagogische Angebote zeichnen sich oft durch Lebensweltnähe und einen zeitgemäßen Zugang aus, besonders unter Berücksichtigung der (Haupt-)Zielgruppe Kinder und Jugendliche. Die Angebote wollen an ihre Lebenswelt anknüpfen und sie sind darauf ausgelegt, einen Bezug zu ihnen deutlich zu machen und ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Dynamische Methoden ermöglichen beispielsweise den Zugang zu komplexen und schwierigen Themen. Dieser didaktische Ansatz ist mit dem fachdidaktischen Prinzip der Adressatenorientierung ebenfalls in der politischen Bildung zu finden: Angebote werden ausgehend von der Lebenssituation und den Voraussetzungen der Zielgruppe konzipiert und umgesetzt, sodass Reflexionen (auf einer übergeordneten gesellschaftspolitischen Ebene) angestoßen werden.
Diese Kriterien helfen nicht nur dabei, Fähigkeiten zur Gestaltung und Veränderung von Medien und Gesellschaft in den Fokus medienpädagogischer Angebote zu setzen; sie verdeutlichen außerdem, dass die Kompetenzen, die solche Angebote zum Gegenstand haben und die für eine Teilhabe an der Gesellschaft notwendig sind, derart komplex sind, dass sich die Frage stellt: Ist Medienkompetenz als Begriff hier noch passend? Oder greifen die medialen Entwicklungen und die anknüpfenden Kompetenzen weiter und braucht es einen neuen Begriff, um souveränes Handeln in und Teilhabe an der digital geprägten Gesellschaft zu beschreiben?
Einen solchen Ansatz präsentiert das Konzept der "Digital Literacy", das allerdings noch selten im deutschsprachigen Diskurs auftaucht. Dabei ist das Konzept – ganz besonders in Verbindung mit politischer Bildung – vielversprechend.
Was ist Digital Literacy?
Christian Friedrich (© Gesine Born)
Christian Friedrich (© Gesine Born)
Den verschiedenen Modellen und Konzepten zur Einordnung von Digital Literacy ist mit Medienkompetenzmodellen gemein, dass sie sich der Interaktion von Individuen in einer medialisierten Erlebenswelt widmen. Einen besonderen Blick legen sowohl Medienkompetenz als auch Digital Literacy darauf, wie Individuen sich die Bedingungen dieser Welt aneignen können. Dies geschieht in der Regel, indem Methoden, Kompetenzen, Skills oder auch Aktivitäten sortiert und geclustert werden. Diesen Methoden und Kompetenzen werden dann verschiedene Wirksamkeiten und Prägungen zugeschrieben. Die eine Definition von Digital Literacy ist kaum zu beschreiben. Zwei verschiedene Konzepte, die sich aus ihren jeweiligen Positionen heraus einer Begriffsklärung verschreiben, sollen hier umrissen werden.
4K-Modell
Im "Framework for 21st Century Learning” werden Kreativität, Kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation als die Kompetenzen beschrieben, die für die ungewissen beruflichen Anforderungen im 21. Jahrhundert bedeutsam seien. Das 4K-Modell baut darauf auf und hat es in den letzten Jahren durch seine handliche und gut zu beschreibende Kategorisierung von Kompetenzen und Fähigkeiten geschafft, internationale und nationale Bildungsdiskurse zu prägen. Als ein Modell, das sich Fragen zum Lernen in einer mediatisierten Welt verschreibt, kann es dem Feld der Digital-Literacy-Konzepte zugeordnet werden, auch wenn der Begriff "Digital Literacy" dabei selbst nicht im Vordergrund steht. Im Vergleich zu manch anderen Digital-Literacy-Konzepten wird hier mit einer überschaubaren Anzahl von Begriffen gearbeitet. Diese Stärke ist gleichzeitig auch seine Schwäche: Denn das Konzept ist durch Handlungsorientierung geprägt, bietet aber wenig Bezüge zu einem Verständnis politischer Bildung.