Im Jahr 2007 erreichte der Krankenstand einen historischen Tiefstand von 3,22 Prozent. Seitdem ist der Krankenstand jedoch deutlich gestiegen. Wobei die Corona-Pandemie den Krankenstand bisher nicht erhöht hat. 2020 lag der Wert mit 4,30 Prozent sogar leicht niedriger als 2019 mit 4,34 Prozent. Im Jahr 2020 ging mehr als ein Fünftel der Fehlzeiten auf Muskel- und Skelett-Erkrankungen zurück (22,1 Prozent). Darauf folgten psychische Erkrankungen (12,0 Prozent), Atemwegserkrankungen (11,8 Prozent) und Verletzungen (10,0 Prozent).
Fakten
Die Krankenkassen ermitteln jeweils zum 1. des Monats die Zahl der Pflichtmitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die arbeitsunfähig krank sind, dabei einen Anspruch auf Krankengeld haben und für die eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes vorliegt. Der Krankenstand entspricht also dem Anteil der arbeitsunfähig kranken GKV-Mitglieder an allen Mitgliedern mit einem Krankengeldanspruch.
Auch wenn der Krankenstand in Westdeutschland im Durchschnitt der 1970er-Jahre höher war als im Durchschnitt der 1980er-Jahre (5,5 gegenüber 4,9 Prozent), erhöhte sich der Krankenstand zwischen 1983 und 1991 von 4,44 auf 5,21 Prozent. Erst in den Folgejahren reduzierte sich der Krankenstand insgesamt wieder – auf 3,16 Prozent im Jahr 2007. In Ostdeutschland stieg der Krankenstand in der kurzen Zeit von 1991 bis 1995 von 4,01 auf 5,09 Prozent. Bis zum Jahr 2007 war der Krankenstand aber auch hier insgesamt rückläufig und lag dann bei 3,48 Prozent. Bundesweit erreichte der Krankenstand im Jahr 2007 einen historischen Tiefstand von 3,22 Prozent. Seitdem ist der Krankenstand jedoch deutlich gestiegen. 2021 waren durchschnittlich 4,34 Prozent der GKV-Mitglieder mit einem Krankengeldanspruch arbeitsunfähig krank.
Die Corona-Pandemie hat den Krankenstand insgesamt bisher nicht erhöht: 2020 lag der Wert mit 4,30 Prozent sogar leicht niedriger als 2019 mit 4,34 Prozent. Allerdings blieb die Corona-Pandemie nicht ohne Folgen für den Krankenstand: Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) sind die Arbeitsunfähigkeitsfälle im Zeitraum März 2020 bis Juli 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum vor der Krise gesunken, die Ausfallzeiten je Fall aber gestiegen. Soziale Berufe waren überdurchschnittlich oft von Covid-19-Infektionen betroffen. An der Spitze standen Berufe in der Betreuung und Erziehung, gefolgt von Berufen der Ergotherapie sowie Pflegeberufe. Zudem nahm der Krankstand im ersten Halbjahr 2022 sprunghaft auf 5,38 Prozent zu. Nach Daten des Dachverbands der Berufskrankenkassen (BKK DV) ist hierfür vor allem der Anstieg der Fehlzeiten durch Atemwegserkrankungen – ohne Covid-19 – verantwortlich. In diesem Zusammenhang wird auch von einem Nachholeffekt gesprochen, da die Schutzmaßnahmen während der Pandemie das Infektionsgeschehen insgesamt beeinflusst haben bzw. weiter beeinflussen.
Im Gegensatz zur Ermittlung des Krankenstandes zum 1. des Monats durch die GKV basieren die Auswertungen des WIdO auf sämtlichen Arbeitsunfähigkeitsfällen, die der AOK gemeldet werden. Nach diesen Daten lag der Krankenstand der 14,1 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitglieder in Deutschland im Jahr 2020 bei 5,4 Prozent und damit genauso hoch wie 2019. Bei den Bundesländern verzeichneten Brandenburg und Thüringen mit jeweils 6,3 Prozent sowie das Saarland mit 6,2 Prozent den höchsten Krankenstand. In Hamburg (4,5 Prozent) und Bayern (4,8 Prozent) lag der Krankenstand am niedrigsten.
Laut Fehlzeiten-Report 2021 waren die rund 14 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitglieder im Jahr 2020 durchschnittlich 19,9 Kalendertage krankgeschrieben. Knapp die Hälfte der Mitglieder war das ganze Jahr überhaupt nicht krankgeschrieben (49,3 Prozent). Für 23,0 Prozent wurde im Jahr 2020 einmal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, für 12,6 Prozent zweimal und für 15,1 Prozent dreimal oder öfter. Die überwiegende Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage konzentriert sich auf einen relativ kleinen Teil der AOK-Mitglieder: Rund ein Viertel der Arbeitsunfähigkeitstage entfällt auf nur 1,4 Prozent der Mitglieder, die Hälfte der Tage wird von lediglich 5,0 Prozent der Mitglieder verursacht, knapp 80 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage gehen auf nur 16,6 Prozent der AOK-Mitglieder zurück.
Das Fehlzeitengeschehen wird von sechs Krankheitsarten dominiert: Im Jahr 2020 ging mehr als ein Fünftel der Fehlzeiten auf Muskel- und Skelett-Erkrankungen zurück (22,1 Prozent). Darauf folgten psychische Erkrankungen (12,0 Prozent), Atemwegserkrankungen (11,8 Prozent) und Verletzungen (10,0 Prozent) sowie Erkrankungen des Kreislaufsystems und der Verdauungsorgane (5,1 bzw. 4,2 Prozent).
Im Vergleich zu den anderen Krankheitsarten kommt den psychischen Erkrankungen eine besondere Bedeutung zu. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen etwa verdoppelt. Psychische Erkrankungen dauerten im Jahr 2020 mit 30,3 Tagen je Fall mehr als doppelt so lang wie der Durchschnitt mit 13,8 Tagen je Fall. Neben den psychischen Erkrankungen verursachen insbesondere Verletzungen (2020: 21,0 Tage je Fall), Herz- und Kreislauf-Erkrankungen (19,9 Tage je Fall) sowie Muskel- und Skelett-Erkrankungen (18,7 Tage je Fall) lange Ausfallzeiten. Langzeiterkrankungen mit einer Dauer von mehr als sechs Wochen verursachten im Jahr 2020 fast die Hälfte der Ausfalltage (45,5 Prozent der AU-Tage), obwohl ihr Anteil an den AU-Fällen bei lediglich 5,1 Prozent lag. Im Jahr 2020 entfielen allein auf Muskel/Skelett- Erkrankungen sowie auf psychische Erkrankungen 42 Prozent der durch Langzeitfälle verursachten Fehlzeiten. Bei Kurzzeiterkrankungen mit einer Dauer von ein bis drei Tagen verhält es sich genau umgekehrt: Ihr Anteil an den Arbeitsunfähigkeitsfällen lag im Jahr 2020 bei 30,7 Prozent, doch nur 4,4 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage gingen auf sie zurück.
Bezogen auf die Berufe schwankte die durchschnittliche Zahl an Arbeitsunfähigkeitstagen im Jahr 2020 zwischen 4,5 Tagen bei Berufen in der Hochschullehre und -forschung und 31,7 Tagen bei Berufen in der Ver- und Entsorgung. Berufe im Bereich der Softwareentwicklung (6,6 Tage), in der technischen Forschung und Entwicklung (7,1 Tage), aber auch Berufe im Controlling (7,8 Tage) oder im Marketing (8,3 Tage) sowie Ärzte/Ärztinnen (8,4 Tage) hatten ebenfalls wenige Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied. Bei Berufen in der industriellen Gießerei (31,3 Tage) sowie bei Tunnelwärtern/-wärterinnen (30,9 Tage), Bus- und Straßenbahnfahrern/-fahrerinnen (30,4 Tage) war die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage hingegen mit am höchsten.
Mit zunehmendem Alter erhöht sich der Krankenstand deutlich. Vor allem weil die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeitsfälle kontinuierlich ansteigt. Ältere sind also nicht unbedingt häufiger krank, sie fallen aber bei einer Erkrankung in der Regel länger aus. Hinzu kommt, dass ältere Arbeitnehmer häufiger von mehreren Erkrankungen gleichzeitig betroffen sind (Multimorbidität). Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen waren im Jahr 2020 die Krankenstände der 25- bis 29-Jährigen sowie der 30- bis 34-Jährigen am niedrigsten (Männer: 3,4 bzw. 3,6 Prozent / Frauen: 3,4 bzw. 3,5 Prozent). In der Gruppe der 45- bis 49-jährigen Frauen lag der Krankenstand bei 5,9 Prozent, bei den 60- bis 64-jährigen Frauen bei 10,4 Prozent. Bei den Männern lagen die entsprechenden Werte bei 5,1 und 11,2 Prozent.
Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verursachten die 712,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr 2019 volkswirtschaftliche Produktionsausfälle in Höhe von 88 Milliarden Euro beziehungsweise einen Ausfall an Bruttowertschöpfung in Höhe von 149 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Krankengeld sind im Jahr 2020 erneut gestiegen – auf 16,0 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr war das ein Anstieg um 11,0 Prozent. Im Jahr 2010 lagen die Ausgaben für Krankengeld noch bei 7,8 Milliarden Euro.
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
Bei den Auswertungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) werden sowohl Pflichtmitglieder als auch freiwillig Versicherte berücksichtigt. Unberücksichtigt bleiben Arbeitslosengeldempfänger sowie Schwangerschafts- und Kinderkrankenpflegefälle.
Kurzzeiterkrankungen, also Erkrankungen von bis zu drei Tagen, werden von den Krankenkassen nur erfasst, wenn eine ärztliche Krankschreibung vorliegt. Der Anteil der Kurzzeiterkrankungen liegt daher höher, als dies in den Krankenkassendaten zum Ausdruck kommt.
Krankenstand
Anteil der arbeitsunfähig kranken GKV-Pflichtmitglieder an allen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (mit Anspruch auf Krankengeld) in Prozent, 1970 bis 2022
Deutschland | West- deutschland | Ost- deutschland | |
---|---|---|---|
1. Halbjahr 2022 | 5,40 | – | – |
2021 | 4,34 | – | – |
2020 | 4,30 | – | – |
2019 | 4,34 | – | – |
2018 | 4,25 | – | – |
2017 | 4,20 | – | – |
2016 | 4,25 | – | – |
2015 | 3,86 | – | – |
2014 | 3,68 | – | – |
2013 | 3,78 | – | – |
2012 | 3,64 | – | – |
2011 | 3,86 | – | – |
2010 | 3,69 | – | – |
2009 | 3,40 | – | – |
2008 | 3,37 | – | – |
2007 | 3,22 | 3,16 | 3,48 |
2006 | 3,31 | 3,29 | 3,39 |
2005 | 3,66 | 3,26 | 3,85 |
2004 | 3,39 | 3,38 | 3,42 |
2003 | 3,61 | 3,60 | 3,66 |
2002 | 4,02 | 4,00 | 4,07 |
2001 | 4,19 | 4,18 | 4,26 |
2000 | 4,22 | 4,20 | 4,31 |
1999 | 4,27 | 4,21 | 4,49 |
1998 | 4,13 | 4,08 | 4,29 |
1997 | 4,19 | 4,13 | 4,39 |
1996 | 4,75 | 4,69 | 4,96 |
1995 | 5,08 | 5,08 | 5,09 |
1994 | 4,78 | 4,85 | 4,57 |
1993 | 4,73 | 4,85 | 4,39 |
1992 | 4,85 | 5,09 | 4,16 |
1991 | 4,89 | 5,21 | 4,01 |
1990 | – | 5,20 | – |
1989 | – | 5,07 | – |
1988 | – | 4,95 | – |
1987 | – | 4,83 | – |
1986 | – | 4,75 | – |
1985 | – | 4,66 | – |
1984 | – | 4,54 | – |
1983 | – | 4,44 | – |
1982 | – | 4,65 | – |
1981 | – | 5,27 | – |
1980 | – | 5,67 | – |
1979 | – | 5,65 | – |
1978 | – | 5,53 | – |
1977 | – | 5,39 | – |
1976 | – | 5,32 | – |
1975 | – | 5,30 | – |
1974 | – | 5,55 | – |
1973 | – | 5,86 | – |
1972 | – | 5,5 | – |
1971 | – | 5,3 | – |
1970 | – | 5,6 | – |
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Daten des Gesundheitswesens 2021, Gesetzliche Krankenversicherung: Krankenstand