Die Hilfe zur Erziehung ist eine der grundlegenden Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Im Jahr 2019 wurden gut eine Million erzieherische Hilfen für junge Menschen unter 27 Jahren gewährt. Am häufigsten wurden Erziehungsberatungen in Anspruch genommen (46,9 Prozent). Darauf folgten Heimerziehung/betreute Wohnformen (13,4 Prozent), sozialpädagogische Familienhilfen (13,1 Prozent) sowie Vollzeitpflege in Pflegefamilien (9,0 Prozent). Insgesamt ist festzustellen, dass Haushalte von Alleinerziehenden und Haushalte, die ganz oder teilweise von Transferleistungen leben, einen überdurchschnittlich hohen Anteil bei der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen haben.
Fakten
Die Kinder- und Jugendhilfe fördert Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung und hilft jungen Erwachsenen in schwierigen Situationen. Die Hilfe zur Erziehung ist eine der grundlegenden Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Einen Rechtsanspruch auf erzieherische Hilfe haben Eltern, andere Sorgeberechtigte und je nach Situation auch junge Volljährige, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
Im Jahr 2019 haben die Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland gut eine Million erzieherische Hilfen für junge Menschen unter 27 Jahren gewährt – ein neuer Höchststand. In den letzten Jahren sind die Fallzahlen der in Anspruch genommenen erzieherischen Hilfen kontinuierlich gestiegen, gegenüber 2009 um rund 182.000 Fälle bzw. 21,8 Prozent.
Das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) unterscheidet bei den erzieherischen Hilfen zehn verschiedene Hilfearten. Bezogen auf den Bestand zum 31.12.2019 und die im Laufe des Jahres 2019 beendeten Hilfen wurden bei den 1,02 Millionen erzieherischen Hilfen am häufigsten Erziehungsberatungen in Anspruch genommen (46,9 Prozent). An zweiter und dritter Stelle standen Heimerziehung/betreute Wohnformen (13,4 Prozent) und sozialpädagogische Familienhilfen (13,1 Prozent). Dahinter folgten Vollzeitpflege in Pflegefamilien (9,0 Prozent) und Hilfen durch Erziehungsbeistände oder Betreuungshelfer (7,0 Prozent).
Wird die Anzahl der jungen Menschen in den Hilfearten am Stichtag 31.12.2019 betrachtet, verschieben sich die Anteile: An erster Stelle stand die eher langfristig angelegte sozialpädagogische Familienhilfe (27,2) und erst an zweiter Stelle die Erziehungsberatung (26,4 Prozent). 87.036 junge Menschen befanden sich Ende 2019 in Heimen oder anderen betreuten Wohnformen (14,4 Prozent) und 75.334 in Vollzeitpflege in einer anderen Familie (12,5 Prozent).
Gut ein Drittel aller erzieherischen Hilfen wurden im Jahr 2019 von den Jugendämtern durchgeführt (34,6 Prozent). An zweiter und dritter Stelle standen mit 14,7 bzw. 14,0 Prozent Träger, die der katholischen bzw. evangelischen Kirche angeschlossen sind (z.B. Caritasverband/Diakonisches Werk). Darauf folgten der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und die Arbeiterwohlfahrt mit ihren jeweiligen Mitgliedsorganisation mit 7,0 bzw. 3,8 Prozent. In 72 Prozent der Fälle richtete sich die Hilfe an Minderjährige, in 16 Prozent an gesamte Familien und in weiteren 12 Prozent an junge Erwachsene.
Im Jahr 2019 hatten die Haushalte von Alleinerziehenden einen Anteil von 22,6 Prozent an allen Familienhaushalten (ohne Altersbegrenzung bei den Kindern). Im selben Jahr nahmen Alleinerziehende 43 Prozent aller erzieherischen Hilfen in Anspruch (435.000). Damit nahmen Alleinerziehende deutlich häufiger erzieherische Hilfen in Anspruch als zusammenlebende Elternpaare (34 Prozent / 346.000), deren Anteil an allen Familien im Jahr 2019 bei 68,2 Prozent lag. Elternteile in einer neuen Partnerschaft nahmen 16 Prozent aller erzieherischen Hilfen in Anspruch (164.000).
Bei 39 Prozent aller gewährten erzieherischen Hilfen lebte die Herkunftsfamilie oder der junge Mensch ganz oder teilweise von Transferleistungen. Während der Anteil mit Transferleistungsbezug bei Elternpaaren mit 25 Prozent weit unter dem Durchschnitt (39 Prozent) lag, war er bei Alleinerziehenden mit 51 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei den Elternpaaren.
Die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für die Hilfe zur Erziehung stiegen zwischen 2009 und 2019 von 7,1 auf 13,0 Milliarden Euro. Von den 13,0 Milliarden Euro flossen 6,5 Milliarden Euro in die Unterbringung junger Menschen in Vollzeitpflege, Heimerziehung oder anderen betreuten Wohnformen. Die Ausgaben für sozialpädagogische Familienhilfe lagen bei 1,0 Milliarden Euro.
Nicht zur erzieherischen Hilfe aber ebenfalls zur Kinder- und Jugendhilfe gehört der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII). Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko einzuschätzen. Im Jahr 2019 haben die Jugendämter insgesamt rund 173.000 Gefährdungseinschätzungen vorgenommen. In rund 28.000 Fällen (16,2 Prozent) stellten sie eine akute Kindeswohlgefährdung fest – darunter bei 6.167 unter 3-Jährigen. Bei gut 27.500 Ver¬fahren (15,9 Prozent) konnte eine Kindeswohlgefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden (latente Kindeswohlgefährdung). Bei wei¬teren rund 59.100 Verfahren (34,2 Prozent) lag keine Kindeswohlgefährdung vor, aber ein weiterer Hilfe- oder Unterstützungsbedarf. Zu den vier Gefährdungsarten zählen psychische und körperliche Misshandlungen, Vernachlässigung und sexuelle Gewalt.
Besteht eine dringende Gefahr für das Kindeswohl ist das Jugendamt verpflich¬tet, die betroffenen Kinder oder Jugendlichen zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut zu nehmen. Inobhutnahmen erfolgen auch, wenn Kinder oder Jugendliche das Jugendamt aus eigener Initiative darum bitten sowie bei unbegleiteten Einreisen Minderjähriger aus dem Aus¬land. Im Jahr 2019 wurden rund 49.500 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Etwa jedes dritte betroffene Kind war jünger als 12 Jahre, rund jedes zehnte sogar jünger als 3 Jahre. In etwa jedem fünften Fall (19 Prozent) hatten die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst Hilfe beim Jugendamt gesucht. Gut die Hälfte der Schutzmaßnahmen konnte nach spätestens zwei Wochen beendet werden. Knapp ein Drittel der Betroffenen bekam dagegen ein neues Zuhause in Pflegefamilien, Heimen oder betreuten Wohnformen (30 Prozent). Das letzte Mittel zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung ist der Entzug des Sorgerechts. Im Jahr 2019 ordneten die Familiengerichte in 16.457 Fällen den vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge an.
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
Erzieherische Hilfen sind professionelle Beratungs-, Betreuungs- oder Hilfeangebote, auf die Eltern minderjähriger Kinder einen Anspruch nach dem Kinder- und Jugendhilferecht haben. Voraussetzung ist, dass eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht gewährleistet werden kann, die Hilfe für die kindliche Entwicklung aber geeignet und notwendig ist. Die Inanspruchnahme ist grundsätzlich freiwillig, sie kann aber bei drohenden Kindeswohlgefährdungen auch vom Familiengericht angeordnet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch junge Volljährige bis zum 27. Lebensjahr Anspruch auf vergleichbare Hilfen.
Das Gesetz zur Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) finden Sie hier:
Externer Link: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/BJNR111630990.html#BJNR111630990BJNG002305140