Die zentralen Kenngrößen räumlicher Mobilität entwickelten sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland wie auch in allen früh industrialisierten Regionen der Welt eindeutig und gleichgerichtet: schneller und weiter. Wächst der Umfang und die Qualität der Straßen und Verkehrsverbindungen, sinkt der Raumwiderstand und es werden mehr Wege zurückgelegt. Das gilt für Freizeitwege ebenso wie für arbeitsbezogene Pendelstrecken. So lag die Zahl der werktäglichen Pendlerinnen und Pendler im Jahr 2022 bei 20 Millionen und der durchschnittliche Arbeitsweg ist mittlerweile länger als 17 Kilometer. Weitere relevante Kennziffern für den Verkehrsaufwand zeigt der sogenannte Modal Split, das heißt die Verteilung der zurückgelegten Wege und Kilometer auf verschiedene Verkehrsmittel und Zwecke. Auch hier haben die schnellen Verkehrsmittel gegenüber den langsamen ihre Anteile seit langer Zeit vergrößert. Dieses Entwicklungsmuster zeigt sich in Deutschland seit vielen Jahren in den zentralen Verkehrserhebungen. Die Abweichungen zwischen den verschiedenen Erhebungen sind gering. Eine bemerkenswerte Dämpfung dieser Wachstumsdynamik ist infolge der Coronapandemie seit dem Frühjahr 2021, also ein Jahr nach Beginn der Pandemie und als Resultat der damit verbundenen zeitweiligen Lockdowns, festzustellen. Das war vor allem auf die Zunahme mobiler Formen des Arbeitens zurückzuführen (siehe
Info 1Daten zur räumlichen Mobilität
Die wichtigste Erhebung für den Personenverkehr in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland ist die vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) – zunächst in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) und später mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – durchgeführte Haushaltsbefragung "Mobilität in Deutschland" (MiD 2002, 2008 und 2017, Externer Link: http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/publikationen2017.html). Hinzu kommen mehrere auf den Stadtverkehr fokussierte Verkehrserhebungen im Rahmen des "Systems repräsentativer Verkehrsverhaltensbefragungen" (SrV), die das Friedrich-List-Institut der Technischen Universität Dresden seit den 1970er-Jahren erarbeitet. Die letzte SrV im Jahr 2018 (Externer Link: https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/srv/srv-2018#intro) bestätigt im Wesentlichen Ergebnisse der anderen bundesdeutschen Erhebungen. In den Jahren 1976, 1982 und 1989 wurden im früheren Bundesgebiet Verkehrsbefragungen unter dem Namen "Kontinuierliche Erhebungen zum Verkehrsverhalten" (KONTIV) durchgeführt. Danach gab es jedoch einen Wechsel im Erhebungsdesign (Externer Link: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/12560). Zudem war der zeitliche Abstand zu den hier berücksichtigten MiD-Erhebungen sowie dem bundesweiten "Deutschen Mobilitätspanel" (MOP) mit mehr als zehn Jahren beträchtlich.
Leider endeten zum 31. Januar 2024 nach drei Jahrzehnten die jährlichen Befragungswellen des MOP, die vom Institut für Verkehrswesen der Universität Karlsruhe verantwortet wurden (Externer Link: https://mobilitaetspanel.ifv.kit.edu). Die letzte Befragungswelle im Herbst 2022 bezog sich auf die Alltagsmobilität und war geprägt durch die dämpfenden Effekte auf die Verkehrsleistung infolge der Coronapandemie (Externer Link: https://mobilitaetspanel.ifv.kit.edu/downloads/Bericht_MOP_22_23.pdf). Mit Blick auf die Pandemie und die mit ihr verbundenen restriktiven Maßnahmen bis hin zu temporären Lockdowns, die seit dem Frühjahr 2021 spürbare Auswirkungen hatten, hat das infas-Institut in Kooperation mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) die Panel-Befragung "Mobilität in Zeiten der Corona-Pandemie" (MOBICOR) mit insgesamt fünf Wellen im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vorgenommen, in der unter anderem die Auswirkungen des Homeoffice auf die Verkehrsleistung, insbesondere bei den Arbeitswegen, im Fokus standen (Externer Link: https://www.wzb.eu/de/forschung/digitalisierung-und- gesellschaftlicher-wandel/digitale-mobilitaet/projekte/mobicor). Zu Beginn der Pandemie hat das DLR eine Erhebung gemacht, in der neben den Arbeitswegen auch nach dem Einkaufs- und Freizeitverhalten unter dem Eindruck der Unsicherheiten einer unkalkulierbaren Virusverbreitung gefragt wurde (Externer Link: https://verkehrsforschung.dlr.de/de/news/dlr-befragung-wie-veraendert-corona-unsere-mobilitaet). Hier wurden die am Anfang der Pandemie so signifikanten Verschiebungen in der Verkehrsmittelwahl zugunsten des Autos und des Fahrrads ermittelt.
Es kann aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive auf die räumliche Mobilität kaum überraschen, dass die Wegelängen je Tag und Strecke gestiegen sind. Denn die gelebte und die geforderte persönliche Mobilität hat in modernen Gesellschaften eine hohe Bedeutung. Es wird von fast allen erwartet, mobil zu sein. Das gilt für den Arbeitsmarkt ebenso wie für das Bildungswesen, aber auch für die Freizeit. Die Wegezwecke sind eine weitere zentrale Kategorie jeder Verkehrsstatistik, die auch beim Deutschen Mobilitätspanel (MOP) erhoben wird. Der Blick auf die Wegezwecke zeigt zunächst ein überraschendes Bild: Der Berufs- und Ausbildungsverkehr nimmt nicht den großen Stellenwert ein, der ihm oft beigemessen wird. Er macht nicht einmal ein Viertel des Verkehrsaufwands aus, während Freizeit- und Versorgungswege einen erheblich größeren Anteil haben.