Auch hinsichtlich gesamtgesellschaftlich relevanter Belange machten sich Frauen mit wenigen Ausnahmen größere Sorgen als Männer. Beide Gruppen wiesen dabei im Zeitverlauf ähnliche Schwankungen auf.
Im Jahr 2005, dem Jahr mit der höchsten Arbeitslosenquote (13 %) seit Ende des Zweiten Weltkriegs, machte sich mehr als die Hälfte der Frauen (53 %) und Männer (55 %) große Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Seitdem ist – mit Ausnahme von 2009, dem zweiten Jahr der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise – der Anteil derer, die sich große Sorgen machten, jährlich deutlich gesunken. Im Jahr 2018 erreichte dieser Anteil mit 12 % unter Frauen und 10 % unter Männern das niedrigste Niveau seit der Vereinigung Deutschlands. Während der Coronapandemie verdoppelten sich diese Werte: Rund ein Viertel der Männer (23 %) und Frauen (26 %) machte sich große Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 2021 machten sich immer noch jede vierte Frau und jeder fünfte Mann große Sorgen um die allgemeine wirtschaftliche Situation. Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine ab Februar 2022 können durch die hier präsentierten Daten noch nicht dargestellt werden.
Frauen machten sich auch häufiger als Männer große Sorgen um die Entwicklung der Kriminalität in Deutschland. Im Jahr 1994 gab mehr als die Hälfte der Frauen (60 %) und Männer (53 %) an, sich diesbezüglich große Sorgen zu machen. In den 20 folgenden Jahren sanken diese Anteile kontinuierlich. Sie betrugen 2014 rund ein Drittel (34 %) bei den Frauen und mehr als ein Viertel (28 %) bei den Männern. In den Jahren 2016 und 2017 stiegen die Anteile sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern wieder um mehr als zehn Prozentpunkte an. Gründe hierfür könnten die Zunahme von Gefühlen der Unsicherheit im Zuge von Ereignissen in den Jahren 2015 und 2016 sein, etwa der Übergriffe in der Silvesternacht in Köln oder der terroristischen Anschläge in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin. Auch die hohe Zahl an Asyl- und Schutzsuchenden in diesen Jahren wurde von Teilen der Medien und der Politik als Gefahr für die Bevölkerung diskutiert, was dazu beigetragen haben dürfte, Ängste vor Kriminalität zu schüren. Seitdem ist der Anteil der Personen mit großen Sorgen hinsichtlich der Kriminalitätsentwicklung wieder gesunken und lag 2021 ungefähr auf dem Niveau von 2014.
Kaum Geschlechterunterschiede fanden sich hinsichtlich der Sorgen bezüglich der Zuwanderung nach Deutschland. Im Jahr 2021 machte sich fast ein Viertel (23 %) der Menschen in Deutschland diesbezüglich große Sorgen. Verglichen mit dem Jahr 2016, in dem knapp eine Million Asyl- und Schutzsuchende nach Deutschland kamen, ist der Anteil derer mit großen Sorgen bezüglich der Zuwanderung bei Frauen und Männern gleichermaßen um mehr als 20 Prozentpunkte gesunken. Interessant ist, dass im Jahr 2016 der Anteil derer, die sich große Sorgen hinsichtlich Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass machten, vor allem unter den Frauen (51 %), aber auch unter den Männern (42 %) ebenfalls hoch war. Dieser Befund sollte jedoch nicht als Hinweis auf eine Polarisierung der Bevölkerung interpretiert werden, bei der ein großer Teil der Menschen sich große Sorgen bezüglich der Zuwanderung macht, während ein anderer Teil aufgrund von Feindseligkeit gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und Fremdenhass sehr besorgt ist. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass nicht allein die Zuwanderung, sondern vor allem auch der Umgang mit der Zuwanderung Auslöser von Sorgen war und ist. So könnte zum Beispiel eine eher als misslungen wahrgenommene Integrationspolitik Sorgen um weitere Zuwanderung auslösen.
Seit 2015 werden im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) auch Sorgen um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft erfragt. Rund ein Viertel der befragten Frauen (27 %) und Männer (26 %) gab dabei an, sich große Sorgen zu machen. Im Jahr 2016 stieg dieser Anteil bei beiden Geschlechtern um rund zehn Prozentpunkte an und sank anschließend wieder auf ein knappes Drittel der Frauen (31 %) und Männer (30 %) im Jahr 2018 ab. Während der Coronapandemie nahmen die Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt erneut leicht zu und lagen 2021 bei etwas mehr als einem Drittel der Frauen (36 %) und Männer (34 %).
In den Jahren 1989 und 1990 machten sich über 60 % der Männer und Frauen in Deutschland große Sorgen um den Schutz der Umwelt. Der Anteil erreichte damit seinen Höchstwert im gesamten Erhebungszeitraum. In den 1990er-Jahren nahm der Anteil der Personen, die sich große Sorgen um den Schutz der Umwelt machten, stark ab. Von Anfang der 2000er-Jahre bis Mitte der 2010er-Jahre lag dieser bei Männern nur noch zwischen 20 und 25 %, bei Frauen jeweils etwa 5 Prozentpunkte höher. Eine Ausnahme war das Jahr 2007, in dem der Anteil von Männern mit großen Sorgen um den Schutz der Umwelt kurzzeitig auf 34 % anstieg, der Anteil der Frauen sogar auf 40 %. Mögliche Erklärungen hierfür sind das Rekordhitzejahr 2006, die international wahrnehmbare Veränderung des Klimas, der Report des UN-Klimarats mit dramatischen Prognosen für den Anstieg der globalen Temperaturen sowie der 2007 mit zwei Oscars ausgezeichnete Film "Eine unbequeme Wahrheit", für den Al Gore im selben Jahr den Friedensnobelpreis erhielt und der das Thema der globalen Erwärmung in die breite Öffentlichkeit brachte. Ab 2015 machten sich wieder deutlich mehr Menschen große Sorgen um den Schutz der Umwelt. Im Jahr 2021 waren es fast die Hälfte der Frauen (46 %) und weit mehr als ein Drittel der Männer (39 %). Verglichen mit den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren liegen die Sorgen um den Schutz der Umwelt damit aber immer noch auf einem niedrigeren Niveau.
Dass sich Frauen in Bezug auf die Umwelt häufiger große Sorgen machen als Männer, zeigen auch die Daten zu den Sorgen um die Folgen des Klimawandels. Dieser Indikator wird seit 2009 jährlich im SOEP erfragt und weist seither einen ähnlichen Verlauf wie die Sorgen um den Schutz der Umwelt auf. Im Jahr 2021 machten sich 49 % der Frauen und 43 % der Männer große Sorgen wegen des Klimawandels. Dies entspricht einer Steigerung innerhalb der zurückliegenden zwölf Jahre um 18 Prozentpunkte bei den Frauen und 17 Prozentpunkte bei den Männern. Sie stellt damit die markanteste Anteilssteigerung aller 2021 im SOEP erfragten Sorgen innerhalb eines Jahrzehnts dar. Die vor allem 2019 gewachsenen Sorgen um den Schutz der Umwelt und wegen der Folgen des Klimawandels dürften unter anderem den zunehmenden Klimaereignissen geschuldet gewesen sein: Das Jahr 2019 war das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, gleichzeitig nahmen Hochwasser, Waldbrände und andere Extremwetterereignisse zu. Neben der ernüchternden UN-Klimakonferenz in Madrid 2019 dürften vor allem die im Frühjahr 2019 begonnenen, von der Fridays-for-Future-Bewegung organisierten Schulstreiks und Proteste für eine stärkere Wahrnehmung der Klimakrise gesorgt haben (siehe auch Interner Link: Kapitel 12.4).
Neben Klima- und Umweltschutz gibt es zwei weitere öffentliche Bereiche, um die sich Frauen und Männer in Deutschland auch im Jahr 2021 besonders große Sorgen machten. Hier sind der Erhalt des Friedens sowie Feindseligkeit gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und Fremdenhass in Deutschland zu nennen. Um den Erhalt des Friedens machten sich 2021 bei den Frauen 49 % und 38 % der Männer große Sorgen. Mit Blick auf den andauernden Krieg in der Ukraine und den infolge des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eskalierten Nahostkonflikt lässt sich jedoch in den folgenden Jahren ein weiterer Anstieg der Sorgen in diesem Bereich erwarten.
Mehr als ein Drittel der Frauen (39 %) und ein knappes Drittel der Männer (31 %) machten sich 2021 große Sorgen bezüglich Feindseligkeit gegenüber Ausländerinnen und Ausländern und Fremdenhass. Zwar liegen die Werte – wie bei der Sorge um den Erhalt des Friedens – mehr als 10 Prozentpunkte deutlich unterhalb denen von 2016. Auch hier ist aber im Zusammenhang mit dem zunehmenden Erfolg rechtspopulistischer Parteien und Gruppen mit einem weiteren Anstieg der Sorgen zu rechnen.