Eine Herausforderung für jede Demokratie ist die ungleiche politische Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen. Deren Bedürfnisse und Erwartungen können dadurch unterschiedlich stark in politische Diskurse und Entscheidungen eingehen. Da das Internet im öffentlichen Diskurs häufig als eine demokratisierende Infrastruktur beschrieben wird, die niedrigschwellige Beteiligung ermöglicht, ist die Frage von besonderem Interesse, ob sich im Bereich der digitalen Partizipation tatsächlich eine geringere soziale Spaltung zeigt.
Grundsätzlich fällt auf, dass sich bei den untersuchten digitalen Partizipationsformen stärkere Gruppenunterschiede zeigen als bei traditionellen. So waren Frauen insbesondere bei öffentlich sichtbareren Aktivitäten (politische Inhalte teilen sowie Verfasserinnen und Verfasser von Hasskommentaren zu Respekt auffordern) seltener aktiv als Männer. Die Unterschiede werden dabei über die Jahre sogar noch größer. Relativ erwartbar sind hingegen die Altersunterschiede: Je jünger die Bürgerinnen und Bürger waren, umso aktiver waren sie im Internet. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen waren zum Teil erheblich, insbesondere wenn die unter 35-Jährigen und die über 59-Jährigen verglichen werden: Hier betrugen die Unterschiede bis zu 30 Prozentpunkte. Zwischen 2019 und 2023 wurden diese Unterschiede allerdings etwas geringer. Ein ähnliches Muster zeigt sich auch für Bildungs- und Einkommensunterschiede: So beteiligen sich Menschen mit niedriger formaler Bildung und niedrigem Einkommen digital weitaus weniger als andere Menschen. Dass diese Unterschiede bei den beiden dargestellten Social-Media-Aktivitäten – dem Teilen politischer Inhalte und der Reaktion auf Hasskommentare – etwas kleiner waren als bei den Online-Petitionen, kann darauf hinweisen, dass diese niedrigschwelligen Partizipationsformen das Potenzial haben, Ungleichheiten bei der politischen Beteiligung etwas auszugleichen, auch wenn diese beiden Aktivitäten im Partizipationsrepertoire der Menschen insgesamt noch eine vergleichsweise geringe Rolle spielen.
Eine Auswertung nach der politischen Links-rechts-Orientierung offenbart, dass die digitale Partizipation an den politischen Rändern höher ist als in der Mitte des politischen Spektrums. Personen, die sich politisch links einschätzen, waren dabei eher aktiv. Auch dies kann zum Phänomen einer polarisierten Öffentlichkeit beitragen: Relativ wenige Menschen sind sehr aktiv, und dies sind überwiegend solche mit stark ausgeprägten und einander entgegengesetzten politischen Identitäten. Diese Verteilung trägt sicher dazu bei, dass Polarisierungstendenzen in der Öffentlichkeit dramatischer erscheinen als sie in der Gesamtbevölkerung tatsächlich sind.
Ausblick
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich digitale Partizipation weiterhin entwickelt und stetig verändert. Vor allem jüngere Bürgerinnen und Bürger nutzen aktuell soziale Medien, um sich politisch einzubringen, aber auch für andere Bevölkerungsgruppen eröffnen sich mit der Digitalisierung neue Handlungsmöglichkeiten zur Kommentierung, Vernetzung und politischen Information. Das gilt besonders hinsichtlich der Beteiligung der Menschen am alltäglichen politischen Diskurs. Für Politik, Gesellschaft und Forschung stellt sich damit die Aufgabe, digitale Formen der politischen Partizipation als relevant anzuerkennen und zu fördern.
Die digitale politische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zeigt sich nicht nur im Handeln, sondern auch in den Normerwartungen und dem bürgerschaftlichen Selbstverständnis. So gibt es klare Erwartungen an das eigene Verhalten und das Verhalten anderer im digitalen politischen Diskurs, beispielsweise das Einschreiten gegen Hassrede und Falschnachrichten. Zugleich darf dabei nicht aus dem Blick geraten, dass die digitale Partizipation noch immer durch eine ungleiche Repräsentation verschiedener Bevölkerungsgruppen geprägt ist, was auch Folgen für die zum Teil verzerrte Wahrnehmung von politischen Positionen in öffentlichen Debatten im Internet haben kann. Frauen, ältere Menschen und Gruppen mit niedrigen Einkommen oder niedrigen Bildungsabschlüssen sind bei der digitalen politischen Partizipation nach wie vor unterrepräsentiert.