Die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger mit Hassrede oder Falschnachrichten, die den politischen Diskurs im Internet massiv beeinträchtigen können, umgehen, wurde durch die Erhebung von Indikatoren für das bürgerschaftliche Eintreten gegen solche Phänomene (Fachbegriff "Online Civic Intervention") erfasst.
Hier fällt auf, dass die Wahrnehmung von Hasskommentaren seit 2019, auch in den Jahren der Coronapandemie, deutlich zurückging: von 49 % im Jahr 2019 auf 39 % im Jahr 2021. Angesichts der parallelen Zunahme der digitalen Partizipation ist dies erklärungsbedürftig. Eine mögliche Ursache könnte die zunehmende politische Regulierung etwa durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG) sein, in deren Folge eine verstärkte Moderation von Kommentaren durch Plattformen und direkte Interventionen von Bürgerinnen und Bürgern stattfanden. Dass der Rückgang der Wahrnehmung von Hasskommentaren als Form der Abstumpfung oder selektiven Wahrnehmung zu interpretieren ist, erscheint hingegen unwahrscheinlich, da zwischen 2019 und 2020 gleichzeitig eine Zunahme von aktivem Einschreiten der Menschen zu verzeichnen ist. Dies kann in Zusammenhang mit der deutlichen Zunahme digitaler Beteiligung zu Beginn der Pandemie stehen. Die direkte Konfrontation der Verfasserinnen und Verfasser von Hasskommentaren im Internet war trotz der damit verbundenen Risiken sogar verbreiteter als das Melden dieser Kommentare bei den Plattformanbietern. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die von vielen wahrgenommene geringe Effizienz solcher Meldungen. Die verbreitete Befürchtung, viele Menschen würden sich aus Angst vor negativen Reaktionen aus Debatten im Internet zurückziehen, wird durch diese Befunde nicht bestätigt.