Die Eröffnung neuer Handlungsoptionen, die den Menschen bisher verschlossen waren – etwa die direkte Beteiligung an medialen Debatten, die früher vor allem Journalistinnen und Journalisten vorbehalten war –, kann Einfluss auf das bürgerschaftliche Selbstverständnis der Menschen haben. Das Weizenbaum Panel geht daher über die Erhebung von reinen Partizipationshandlungen hinaus und erfasst den digitalen Wandel von Bürgerschaft auch auf der Ebene der Politikvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Dazu wurden in den vergangenen Jahren sogenannte Bürgernormen erhoben – also Ansichten darüber, wie sich "gute" Bürgerinnen und Bürger in einer Demokratie verhalten sollten –, wobei hier zwischen traditionellen und internetbezogenen Bürgernormen unterschieden wurde.
Traditionelle Bürgernormen wurden mit wenigen Ausnahmen (wie dem Parteibeitritt oder der Teilnahme an einer Demonstration) von einem großen Teil der Menschen als sehr wichtig oder eher wichtig angesehen. Die meisten internetbezogenen Normen erfuhren sogar eine noch größere Zustimmung. Interessant ist hier das Muster, dass einerseits nicht von vielen die Erwartung geäußert wurde, sich als Bürgerin oder Bürger an politischen Diskussionen zu beteiligen (nur 25 % finden dies sehr wichtig). Wenn andererseits aber eine Beteiligung stattfindet, hielt die große Mehrheit es für sehr wichtig, einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen (77 %), sich gegen Hass und Hetze einzusetzen (72 %) oder auf Falschmeldungen hinzuweisen (66 %). Ähnliches gilt für die Wichtigkeit, gut informiert zu sein: Auch hier erwartete die Mehrheit von "guten" Bürgerinnen und Bürgern nicht unbedingt, dass sie sich politisch informieren (nur 45 % finden dies sehr wichtig). Wenn sie es aber tun, dann sollte dies mit kritischer Prüfung (63 %) und auf Basis vielfältiger (66 %) und seriöser (71 %) Quellen geschehen.