Digitale Partizipationsformen | Sozialbericht 2024 | bpb.de

Digitale Partizipationsformen

Martin Emmer Christian Strippel

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Sozialbericht: Kapitel 10.4.1

Wie traditionelle Formen der politischen Partizipation müssen auch digitale Formen im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen betrachtet und interpretiert werden. Seit dem Beginn der Datenerhebung des Weizenbaum Panels im Jahr 2019 spielt insbesondere die Coronapandemie eine zentrale Rolle: Ihre globale Ausbreitung und die soziale Ausnahmesituation während der Lockdowns hatten einen erheblichen Einfluss auf das alltägliche Leben der Menschen in Deutschland und prägten das Themenspektrum im öffentlichen Diskurs maßgeblich. In die auslaufende Pandemie fiel dann Anfang 2022 der russische Angriff auf die Ukraine, der vielfältiges Engagement ausgelöst hat. Solche Ereignisse spiegeln sich im Verlauf der Zeit auch in der digitalen Partizipation wider.

Vier digitale Formen der politischen Partizipation sollen im Folgenden vorgestellt werden: Dies ist zunächst das Unterzeichnen von Petitionen als eine eta­blierte Partizipationsform, die auch digital populär ist und zu den frühesten internetbasierten Partizipationsformen zählt. Daneben sind durch den Aufstieg sozialer Medien weitere Formen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Diskurs möglich geworden: Neben dem Teilen von Petitionen mit anderen Nutzerinnen und Nutzern sind dies vor allem das Teilen und das Kommentieren von politischen Inhalten.

Im ersten Jahr der Coronapandemie ist die digitale politische Partizipation insgesamt stark angestiegen: Die Beteiligung an allen drei zu jener Zeit abgefragten Partizipationsformen nahm von 2019 auf 2020 zu. Danach setzte sich dieser Trend allerdings nicht fort: Die Zahl der Unterstützerinnen und Unterstützer von Online-Petitionen ging in den Folgejahren deutlich zurück, und auch die Beteiligung an öffentlichen Debatten, gemessen anhand des Teilens oder Kommentierens von politischen Inhalten, hat sich mit einer leichten zeitlichen Verzögerung verringert.

Eine naheliegende Erklärung für einige dieser Muster sind die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie, die sich auch in einer deutlich zurückgegangenen Beteiligung in traditionellen Partizipationsformen niedergeschlagen haben. Zugleich ist das politische Themenspek­trum insbesondere im ersten Pandemiejahr durch die alles überlagernden Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie deutlich kleiner geworden. Dies könnte erklären, warum einerseits die Beteiligung an politischen Diskursen – etwa durch das Teilen politischer Inhalte in sozialen Medien – zugenommen hat, während Aktivitäten, die eher selten und themenbezogen stattfinden – wie das Unterzeichnen von Petitionen –, zurückgingen.

Das Kommentieren politischer Inhalte auf sozialen Medien blieb im Zeitverlauf vergleichsweise stabil, es war dabei aber auch nur für eine kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern wirklich wichtig. Von den durchschnittlich etwas über 20 % der Menschen, die in den zwölf Monaten vor dem Befragungszeitpunkt politische Inhalte kommentiert hatten, tat es im Schnitt mehr als die Hälfte sehr selten (einmal im Monat oder seltener). Bezogen auf die Gesamtbevölkerung haben damit im Jahr 2023 nur knapp 4 % regelmäßig (mehrmals wöchentlich oder täglich) politische Inhalte auf sozialen Medien kommentiert. Dies zeigt, dass die in der öffentlichen Debatte oft kritisch diskutierten Inhalte in sozialen Medien – etwa Hasskommentare oder rechtsextreme Beiträge – keineswegs der Diskursbeteiligung breiter Bevölkerungsschichten entspringen, sondern dass dort in konzen­trierter Form die Weltbilder kleiner, aber sehr aktiver Gruppen sichtbar werden. Daraus ergibt sich ein besonders großes Potenzial für die Manipulation des öffentlichen Meinungsbildes durch strategisch kommunizierende Akteure wie ausländische Regierungen oder extremistische Gruppen.

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