Das freiwillige und unentgeltlich geleistete individuelle Engagement ist ein unverzichtbares Kernelement der zivilgesellschaftlichen Organisationen. So waren 2022 rund 70 % der Organisationen ausschließlich auf der Grundlage freiwillig engagierter Personen tätig. An das Zivilengagement wird ein ganzes Bündel von Erwartungen geknüpft. Besonders wichtig ist dabei die Sicherung der Partizipationschancen der Bürgerinnen und Bürger, indem für sie Möglichkeiten geschaffen werden, sich unmittelbar an gesellschaftlichen Belangen zu beteiligen. Das Engagement beschränkt sich dabei nicht nur auf das Wirken in speziellen Organisationen der politischen oder allgemeinen Interessenvertretung, sondern reicht von Sport und Freizeit über Kultur und Soziales bis zu Umwelt und Tierschutz. Als Basis demokratischer Gesellschaften tragen die Aktivitäten in diesen Organisationen zur Interessenbündelung und -artikulation bei. Durch die Herausbildung von demokratischen Normen, sozialen Netzen und Vertrauensverhältnissen fördern sie Kooperation, die Fähigkeiten zum Kompromiss, einen zivilen Umgang und führen letztendlich dazu, dass die Gesellschaft insgesamt besser funktioniert. Auch im Kontext von internationalen Konfliktherden, Naturkatastrophen und insbesondere Fluchtmigration kommt dem zivilgesellschaftlichen Engagement bei der Unterstützung betroffener Menschen ein hoher Stellenwert zu.
Die Rolle des zivilgesellschaftlichen Engagements ist sehr unterschiedlich. Beispielsweise unterscheidet sich das Engagement im Rahmen eines Sportvereins von jenem in Bürgerinitiativen und solchen Organisationen, die als sogenannte Themenanwälte in Bereichen wie Umwelt oder in internationalen Aktivitäten, zum Beispiel im Katastrophenschutz oder in der Entwicklungszusammenarbeit, tätig sind. Doch auch die Rolle zahlreicher Sportvereine ist mit der Zeit über ihren engen Tätigkeitskontext hinausgewachsen. Ihre integrative Funktion, die sie vor allem auf lokaler Ebene innehaben, darf nicht unterschätzt werden. So öffnen sich die Vereine häufig im Rahmen von Sportveranstaltungen und -festen für Familienangehörige und Interessierte oder organisieren Veranstaltungen im kommunalen Raum für einen breiten Teilnehmerkreis.
Nach einer Langzeitbetrachtung auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) stieg der Anteil der Engagierten in der Bevölkerung ab 17 Jahren von fast einem Viertel (24 %) im Jahr 1992 auf mehr als ein Drittel (35 %) im Jahr 2021. Der Vergleich zwischen einem regelmäßigen (mindestens einmal im Monat) und einem selteneren ehrenamtlichen Engagement zeigt, dass das regelmäßige Engagement im Zeitverlauf beständig zugenommen hat. 2021 gab mehr als ein Fünftel (22 %) an, sich mindestens einmal im Monat engagiert zu haben. Auch der Anteil jener, die sich seltener engagieren, stieg tendenziell an, unterlag jedoch größeren Schwankungen. Nachdem zwischenzeitlich ein leichter Rückgang von 13 % im Jahr 2015 auf 10 % im Jahr 2019 zu beobachten war, stieg das Engagement, das seltener als mindestens einmal im Monat ausgeübt wird, in den vergangenen Jahren wieder an und lag 2021 erneut bei 13 %.
Auch aus anderen Erhebungen, wie dem Freiwilligensurvey, der den Engagementbegriff weiter fasst und schon Personen ab einem Alter von 14 Jahren einbezieht, wissen wir, dass sich ein konstant hoher Anteil der Bevölkerung freiwillig engagiert. Der Anteil betrug demnach seit dem Jahr 2004 mehr als ein Drittel und erreichte im Jahr 2019 einen Anteil von 40 %. Die Daten des SOEP und des Freiwilligensurvey zeigen, dass sich hinter der insgesamt hohen Stabilität beim Engagement und dem Anstieg der Beteiligung eine Reihe von gruppenbezogenen Unterschieden und gegenläufigen Tendenzen verbergen. Sie werden bereits sichtbar, wenn die Entwicklung des Engagements nach Altersgruppen näher betrachtet wird.
Gerade in der Gruppe der Jüngeren im Alter von 17 bis 29 Jahren ist das freiwillige Engagement in den vergangenen 20 Jahren deutlich angewachsen. Den Daten des SOEP zufolge verzeichnete das Engagement dieser Altersgruppe einen besonders hohen Anstieg von 26 % im Jahr 1990 auf 43 % im Jahr 2021. Dabei fällt der Zuwachs um 10 Prozentpunkte zwischen 2019 und 2021 deutlich aus. Eine mögliche Ursache für diese Entwicklung ist in der Coronapandemie zu sehen.
Jüngere Menschen, die nicht primär zur Risikogruppe gehörten, waren offenbar auch häufiger bereit, sich zu engagieren, wie eine internationale Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, 2020) zeigt. Diese untersuchte das freiwillige Engagement der 18- bis 29-Jährigen in 112 Ländern, darunter auch Deutschland, in den ersten Monaten der Pandemie. Bei der ersten Befragung im April 2020 gaben rund 20 % der befragten Jugendlichen an, sich häufig in Initiativen zu engagieren, die Unterstützung in der Pandemie anbieten. Einen Monat später waren es bereits 38 %. Es ist anzunehmen, dass das Engagement junger Menschen mit der Lockerung der Kontaktbeschränkungen weiter zugenommen hat.
Zudem ist bei dieser Altersgruppe das Bewusstsein für gesellschaftliches und politisches Engagement gestiegen. Dies spiegelt sich besonders im Bereich Umwelt- und Klimaschutz wider, wie eine Studie des Umweltbundesamts und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zeigt (BMUV/UBA, 2021, 2022). Der Anteil derjenigen 14- bis 22-Jährigen, die sich bereits einmal in Umwelt- oder Klimaschutzorganisationen engagiert haben, stieg von 22 % im Jahr 2019 auf 36 % im Jahr 2021. Auch bei älteren Menschen ab 65 Jahren gab es laut den Daten des SOEP eine kontinuierliche Steigerung des Engagements. Die relativ hohe Beteiligung beim Engagement kann als Ausdruck eines aktiven Alterns und einer Zunahme des lebenslangen Lernens interpretiert werden.
Neben dem Alter variiert das zivilgesellschaftliche Engagement mit dem Bildungsgrad, Erwerbsstatus, Geschlecht und dem Wohnort sowie der Religionszugehörigkeit und der Haushaltssituation der Menschen: Personen mit einem hohen Bildungsabschluss, Erwerbstätige, Männer, Menschen mit Religionszugehörigkeit und Personen, die in Paarhaushalten leben, sind häufiger zivilgesellschaftlich engagiert. Bemerkenswert ist die Entwicklung des Engagements in Ost- und Westdeutschland. Nach 1990 bis zum Jahr 2019 waren Personen in den westdeutschen Bundesländern in allen Jahren deutlich häufiger engagiert als Personen in Ostdeutschland – bei einer kontinuierlichen Annäherung der Engagementquoten. Im Jahr 2021 gab es erstmals keinen Unterschied mehr in der Engagementbeteiligung zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern.