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Bindung an Interessen­gruppen und politische Parteien | Sozialbericht 2024 | bpb.de

Sozialbericht 2024 Vom Datenreport zum Sozialbericht Statistische Daten und sozialwissenschaftliche Analysen Bevölkerung und Demografie Bevölkerungsstand und Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsstand und Bevölkerungsentwicklung: Einleitung Bevölkerungsstand und -entwicklung Altersaufbau, Geburtenentwicklung und Lebenserwartung Wanderungsbewegungen Zukünftige Bevölkerungsentwicklung Eingewanderte und ihre Nachkommen Eingewanderte und ihre Nachkommen: Einleitung Eingewanderte und ihre Nachkommen in Deutschland seit dem Jahr 2005 Demografische Struktur Sozioökonomische Integration Schutzsuchende Situation der Schutzsuchenden aus der Ukraine Binnenwanderung Wanderungsgeschehen allgemein Wanderungen zwischen Kreisen Stadt-Land-Wanderungen Lebenserwartung und Todesursachen Entwicklung der Lebenserwartung Regionale Unterschiede Internationaler Vergleich Todesursachen Künftige Entwicklung der Lebenserwartung Familie, Lebensformen und Kinder Lebensformen in der Bevölkerung und Kinder Formen des Zusammenlebens Eheschließungen und Scheidungen Familien und ihre Strukturen Lebenssituation von Kindern Vereinbarkeit von Familie und Beruf Kinderlosigkeit Kindertagesbetreuung Betreute Kinder Ganztagsbetreuung Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen Wer geht ab wann in die Kita? Wer hat Bedarf? Sozioökonomische Unterschiede und ihr zeitlicher Verlauf Kita-Ausbau in den vergangenen Jahren Nutzungs- und Bedarfsunterschiede für Kinder unter drei Jahren Nutzungs- und Bedarfsunterschiede für Kinder ab drei Jahren Kinder- und Jugendhilfe: Kinderschutz, erzieherische Hilfen und Adoptionen Kinderschutz und Kindeswohl Hilfe zur Erziehung oder bei (drohender) seelischer Behinderung Adoptionen Infertilität und Reproduktionsmedizin in Deutschland Infertilität und Reproduktionsmedizin in Deutschland: Einleitung Infertilitätserfahrungen im Lebensverlauf Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Soziale Unterschiede in der Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Demografische Bedeutung der Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Lebenswelten queerer junger Menschen Lebenswelten queerer junger Menschen: Einleitung Freundschaften Die Beziehung zur Familie Nutzung von professionellen Beratungs- und Unterstützungs- angeboten Freizeitgestaltung Politische Partizipation Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen Wie gut sind wir aufs Alter vorbereitet? Finanzielle Vorsorge Wohnen im Alter Vorsorgedokumente für den Notfall Bildung Bildungsbeteiligung und Bildungsförderung Bildungsbeteiligung und Bildungsförderung: Einleitung Allgemeinbildende und berufliche Schulen Der sozioökonomische Status der Schülerinnen und Schüler Betriebliche Berufsausbildung Pflegeausbildung Hochschulen Bildungsförderung Bildungsniveau der Bevölkerung Weiterbildung Weiterbildung: Einleitung Teilnahme an Weiterbildung Gründe für die Weiterbildungsteilnahme Anbieter von Weiterbildung Arbeitsmarkt und Verdienste Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt: Einleitung Die amtliche Arbeitsmarktstatistik Entwicklung der Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit Erwerbstätige nach Wirtschafts­bereichen und Berufsgruppen Beteiligung am Erwerbsleben Stille Reserve als Teil des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials Teilzeitbeschäftigung Atypische Beschäftigung, ­Normalarbeitsverhältnis und Selbstständigkeit Erwerbstätigkeit als Unterhaltsquelle Registrierte Arbeitslose und gemeldete Arbeitsstellen Arbeitszeiten Beschäftigungsstabilität Homeoffice Verdienste Tarifbindung Bruttoverdienste Verdienstunterschied ­zwischen Männern und Frauen Nominal- und Reallohn Niedriglöhne Mindestlohn Wer macht was? Die Verteilung der tatsächlichen und mentalen Sorgearbeit Wer macht was? Die Verteilung der tatsächlichen und mentalen Sorgearbeit: Einleitung Aufteilung der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeit in Paarbeziehungen in Deutschland Aufteilung der mentalen Arbeit in Paarbeziehungen in Deutschland Gefühlte Belastungen durch mentale Arbeit Zufriedenheit mit der Auf­teilung tatsächlicher und mentaler Haus- und Familienarbeit Arbeiten von zu Hause: Vereinbarungen, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Gesundheit Arbeiten von zu Hause: Vereinbarungen, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Gesundheit: Einleitung Verbreitung der Arbeit von zu Hause Wunsch nach Arbeit von zu Hause Einfluss auf die Arbeit von zu Hause Arbeit von zu Hause: Arbeitsbedingungen und Wohlbefinden Homeoffice und das Wohlbefinden von Eltern während der Coronapandemie Homeoffice und das Wohlbefinden von Eltern während der Coronapandemie: Einleitung Wohlbefinden im Zusammenhang mit der Pandemie Nutzung von Homeoffice Zusammenhang zwischen Homeoffice und der Wahrnehmung positiver Aspekte der Pandemiezeit Der Einfluss des Pendelwegs für die Bewertung der Pandemiezeit Rushhour des Lebens: Familien- und Erwerbs­arbeit im Lebensverlauf Rushhour des Lebens: Familien- und Erwerbs­arbeit im Lebensverlauf: Einleitung Die Rushhour des Lebens Ideale Arbeitszeiten für Mütter nach Alter der Kinder Ideale Arbeitszeiten für Väter nach Alter der Kinder Kluft zwischen idealer und tatsächlicher Erwerbsarbeit Hochrechnung der Arbeitsmarktpotenziale Fazit: Entzerrung der Rushhour des Lebens und stärkere Nutzung der Arbeitsmarktpotenziale von Müttern Private Haushalte – Einkommen, Konsum und Zeitverwendung Konsumausgaben, Ausstattung und Internetnutzung privater Haushalte, Überschuldung Konsumausgaben, Ausstattung und Internetnutzung privater Haushalte, Überschuldung: Einleitung Konsumausgaben Ausstattung privater Haushalte mit Gebrauchsgütern Internetnutzung Überschuldung und Privatinsolvenz Einkommen, Armutsgefährdung, materielle und soziale Entbehrung Einkommen, Armutsgefährdung, materielle und soziale Entbehrung: Einleitung Einkommen und Einkommensverteilung Armutsgefährdung Materielle und soziale Entbehrung Armut oder soziale Ausgrenzung: der AROPE-Indikator Einkommens­entwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen – Verteilung, Angleichung und Dynamik Einkommens­entwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen – Verteilung, Angleichung und Dynamik: Einleitung Einkommensentwicklung und -verteilung Einkommensschichtung und relative Armut Angleichung der Einkommen zwischen Ost- und Westdeutschland Einkommensunterschiede bei Personen mit Migrationshintergrund Armut in verschiedenen Bevölkerungsgruppen Dynamik von Einkommen und Armut Private Vermögen – Höhe, Entwicklung und Verteilung Höhe des Nettovermögens Vermögensungleichheit Zusammensetzung des Vermögens Unterschiede nach Alter und Region Vermögen und Wohneigentum Vermögen nach sozialer Position Die Relevanz von Erbschaften und Schenkungen Vermögen im europäischen Vergleich Ausblick Zeitverwendung Zeitverwendung: Einleitung Zeitverwendung im Überblick Zeitverwendung für bezahlte und unbezahlte Arbeit, Gender Care Gap Einsamkeit Wohnen Wohnsituation und Wohnkosten Wohnverhältnisse privater Haushalte Mieten und Wohnkosten Wohnungslosigkeit Inhalte der neuen Statistik: Auskunftspflicht und Erhebungsmerkmale Ergebnisse der ersten beiden Erhebungen Zentrale Erkenntnisse der ersten beiden Durchführungen der Statistik Sozialstruktur und soziale Lagen Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe für eine gerechte Einkommensverteilung Ideale und tatsächliche Verteilungsprinzipien in der Wahrnehmung der Menschen Wahrnehmung des eigenen Einkommens als gerecht Gerechtigkeitsbewertung der Einkommensverteilung Soziale Polarisierung in den deutschen Städten Soziale Polarisierung in den deutschen Städten: Einleitung Armutssegregation in den deutschen Städten Bildungs- und Einkommenssegregation Ballung von Armut Armut und Migration Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten, deren Nachkommen und Geflüchteten in Deutschland Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten, deren Nachkommen und Geflüchteten in Deutschland: Einleitung Bildungsabschlüsse von Migrantinnen und Migranten Erwerbsstatus und berufliche Stellung von Migrantinnen und Migranten Erwerbs-, Haushaltseinkommen und Armutsrisikoquote Deutsche Sprachkenntnisse Erfahrung von Benachteiligung, Sorgen, Bleibeabsicht und Überweisungen Gesundheit von Migrantinnen und Migranten Zufriedenheit von Migrantinnen und Migranten Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland: Einleitung Soziodemografische Struktur der ukrainischen Geflüchteten Kinder und Jugendliche im Betreuungs- und Bildungssystem Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt Spracherwerb und Erwerbstätigkeit Einsamkeit Einsamkeit: Einleitung Entwicklung der Einsamkeit über die Zeit Einsamkeit in Abhängigkeit von demografischen Faktoren Einsamkeit in Abhängigkeit von sozialstrukturellen Merkmalen Gleichstellung Gleichstellung: Einleitung Gleichstellung und Partizipation Gleichstellung, Bildung und Berufswahl Gleichstellung, Erwerbsleben und Einkommen Gleichstellung und Sorgearbeit Gleichstellung und Gesundheit Gesundheit Gesundheits­zustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung Diagnose und Behandlung im Krankenhaus Schwerbehinderung Pflege Todesursachen Schwangerschaftsabbrüche Stationäre Versorgung Gesundheitliche Ungleichheit Allgemeiner Gesundheitszustand Morbidität Mortalität und Lebenserwartung Soziale Sicherung und Übergänge in den Ruhestand Soziale Sicherung Sozialbudget Mindestsicherungssysteme Fördersysteme Gestiegenes Rentenalter – stagnierende Rentenhöhen Gestiegenes Rentenalter – stagnierende Rentenhöhen: Einleitung Alter bei Verrentung: Rechtliche Voraussetzungen und Reformen Alter bei Rentenzugang und Rentenhöhe Rentenzugänge 2001 bis 2022 Erwerbsbiografien vor der Rente: Größere und kleinere Lücken überwiegen Weitgehend stagnierende Rentenhöhen Vulnerabilität und Wohlbefinden bei älteren Menschen Vulnerabilität und Wohlbefinden bei älteren Menschen: Einleitung Vulnerabilität bei älteren Menschen in Deutschland Politische und gesellschaftliche Partizipation Politische Integration und politisches Engagement Politische Integration und politisches Engagement: Einleitung Politisches Interesse und politische Partizipation Bindung an Interessen­gruppen und politische Parteien Einstellungen zur Demokratie Akzeptanz der Demokratie als Staatsform Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie bei verschiedenen Bevölkerungs- gruppen Zivilgesellschaftliche Organisa­tionen und zivilgesellschaftliches Engagement Zivilgesellschaftliche ­Organisationen als Infrastruktur des Zivilengagements Zivilgesellschaftliches ­Engagement von Einzelnen Zivilgesellschaftliches ­Engagement nach Bereichen mit Fokus auf Kultur und Umwelt Gering organisationsgebundenes und informelles Engagement Spenden Digitalisierung und politische Partizipation Digitalisierung und politische Partizipation: Einleitung Digitale Partizipationsformen Internetbezogene Bürgernormen Online Civic Intervention – Einsatz gegen Hass und Falschnachrichten im Internet Ungleichheiten in der digitalen Partizipation Werte und Einstellungen Subjektives Wohlbefinden und Sorgen Subjektives Wohlbefinden und Sorgen: Einleitung Allgemeine Lebens­zufriedenheit und Zufriedenheit mit Lebensbereichen Sorgen in persönlichen Bereichen Sorgen im öffentlichen Bereich Emotionales Glück und »Erfüllt-Sein« Werte, Normen, Einstellungen zu Geschlecht und Familie Werte, Normen, Einstellungen zu Geschlecht und Familie: Einleitung Der Wert von Kindern Einstellungen zu Ehe und ­außerehelichen Lebensformen Einstellungen zu Geschlechterrollen Einstellungen zu Elternrollen Umwelt, Energie und Mobilität Umweltwirkungen privater Haus­halte: Energieverbrauch und CO₂-Emissi­onen Energieverbrauch und CO₂-Emissionen durch Wohnen Energieverbrauch und CO₂-Emissionen durch Individualverkehr Makroökonomischer und internationaler Kontext Steuerzahlungen privater Haushalte im Zusammenhang mit Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen Energie- und CO₂-Fußabdruck der privaten Haushalte Umsetzung der Sustainable Development Goals in Deutschland Die Agenda 2030 und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Monitoring und Reporting Räumliche Mobilität: (noch) schneller und weiter – die Coronapandemie als Dämpfer Räumliche Mobilität: (noch) schneller und weiter – die Coronapandemie als Dämpfer: Einleitung Verkehrsaufwand und Siedlungstypen Pkw-Verfügbarkeit Der »Kuckuckseffekt« Mobilität in Zeiten des Klimawandels Alles anders nach der Coronapandemie? Klimawandel und Klimaschutz im Bewusstsein der Menschen Klimawandel und Klimaschutz im Bewusstsein der Menschen: Einleitung Ansichten zur Existenz und zu den Ursachen des Klimawandels Sorgen um den Klimawandel und seine Folgen Einstellungen zu Klimaschutzmaßnahmen und persönliche Handlungsbereitschaft Nachspann Kontakt Datengrundlagen Autorinnen und Autoren Impressum

Bindung an Interessen­gruppen und politische Parteien

Bernhard Weßels

/ 5 Minuten zu lesen

Sozialbericht: Kapitel 10.1.2 und 10.1.3

Die Mitgliedschaft in Interessengruppen und politischen Parteien ist ein weiterer Indikator für die Integration der Bürgerinnen und Bürger in den politischen Prozess. Diese Organisationen sind häufig durch gesellschaftliche Selbstorganisation entstanden und dienen dem Zweck der Vertretung gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Interessen. Interessengruppen setzen sich auf verschiedene Weise für die Anliegen ihrer Mitglieder ein, zum Beispiel durch das Einwirken auf Parteien, Parlamente, Regierungen und Behörden oder die Öffentlichkeit im Allgemeinen. Politische Parteien sind unmittelbare Akteure des Regierungssystems. Da die Mitgliedschaft freiwillig ist, ist der Grad, zu dem die Bürgerinnen und Bürger sich in Interessengruppen und politischen Parteien organisieren, ein zentrales Merkmal der politischen Integration. Anders als die Wahlbeteiligung oder Formen nicht institutionalisierter Beteiligung, die für die Einzelne beziehungsweise den Einzelnen singuläre Ereignisse bleiben können, zeichnen sich Mitgliedschaften in Interessengruppen und politischen Parteien dadurch aus, dass sie in der Regel langfristig sind. Verliert die Mitgliedschaft in Interessengruppen und politischen Parteien für die Einzelne beziehungsweise den Einzelnen an Attraktivität, so ist dies zunächst ein Warnsignal für die jeweilige Organisation. Nehmen die Mitgliedschaften jedoch in großem Umfang über viele Organisationen hinweg ab, weist dies darüber hinaus auch auf generelle Probleme der Interessenvermittlung in einem politischen Gemeinwesen hin.

Im internationalen Vergleich zeichnet sich Westdeutschland durch einen recht hohen Organisationsgrad aus. In Westeuropa sind nur die Bürgerinnen und Bürger der Niederlande und der skandinavischen Länder stärker organisiert. Jüngere Daten für 2010, 2014 und 2018 sind aufgrund unterschiedlicher Erhebungsverfahren nicht mit früheren Daten vergleichbar und erlauben daher keine Schlussfolgerungen über die langfristige Mitgliederentwicklung. Es gibt aber Hinweise, die vermuten lassen, dass der gesellschaftliche Organisationsgrad, also der Anteil der Bürgerinnen und Bürger mit mindestens einer Mitgliedschaft in Ostdeutschland zurückgegangen und in Westdeutschland angestiegen ist. Für die politische Integration ist die Mitgliedschaft in Interessengruppen zentral. Hier gibt es ein Auf und Ab zwischen den drei Zeitpunkten, was eher für Stabilität – bei einem deutlich niedrigeren Niveau in Ostdeutschland – spricht. Gleiches trifft für den Bereich der Freizeitorganisationen zu.

Tab 1: Mitgliedschaft in Organisationen in Prozent (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Im Altersvergleich weichen die Jüngeren hinsichtlich ihrer Mitgliedschaftsanteile in Interessenorganisationen deutlich nach unten vom Durchschnitt der Bürgerinnen und Bürger ab. Auch nach Bildungsabschluss sind deutliche Differenzen beobachten. Hier ergeben sich deutlich höhere Anteile für Akademikerinnen und Akademiker als für den Bevölkerungsdurchschnitt. Auch bezogen auf Organisationsmitgliedschaften verteilt sich die Teilhabe also ungleich zugunsten der Bessergebildeten.

Die langfristige Entwicklung der Mitgliedschaften der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland lässt sich aufgrund veränderter Frageformate in den ALLBUS-Studien zwar nicht über alle Organisationsbereiche hinweg beurteilen. Allerdings ist eine solche Beurteilung hinsichtlich der Gewerkschaftsmitgliedschaften möglich. Der massive Rückgang von Gewerkschaftsmitgliedern in den neuen Bundesländern in den Jahren 1992 bis 1998 schwächte sich zwar in den Folgejahren deutlich ab, setzte sich aber dennoch bis etwa 2008 fort. Seitdem scheint sich der gewerkschaftliche Organisationsgrad der erwachsenen Bevölkerung mit leichten Schwankungen auf gleichem Niveau zu halten. Die Anfang der 1990er-Jahre noch stark ausgeprägten Unterschiede zwischen Ost und West im durchschnittlichen Organisationsgrad sind fast verschwunden. Auch die große Kluft zwischen der jüngeren Bevölkerung der 18- bis 29-Jährigen und dem Durchschnitt der Bevölkerung, der in Westdeutschland besonders deutlich in den Jahren 2000, 2004 und 2016 und in Ostdeutschland besonders in den Jahren 2002 und 2008 zu beobachten war, hat sich verringert. Bei den Gewerkschaftsmitgliedschaften zeigen sich zwar keine deutlichen regionalen, sozialen oder demografischen Ungleichheiten mehr. Die Integrationskraft hat aber dennoch nachgelassen, insbesondere, wenn die ostdeutsche Entwicklung betrachtet wird.

Die Mitgliedschaft in politischen Parteien verzeichnet sogar eine noch dramatischere Entwicklung. Die starken Mitgliederrückgänge bei den Gewerkschaften seit der Vereinigung fallen im Vergleich zu denen der politischen Parteien noch moderat aus. Anhand der von den Parteien berichteten Mitgliederzahlen lässt sich nachvollziehen, dass diese innerhalb von zweieinhalb Jahrzehnten rund eine Million und damit etwa 40 % ihrer Mitglieder verloren haben. Während 1990 noch knapp 4 % der Wahlberechtigten in politischen Parteien organisiert waren, waren es 2021 nicht einmal mehr 2 %.

Abb 5: Parteimitgliedschaft (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Nimmt man alle Interessenorganisationen einschließlich Gewerkschaften und politischer Parteien zusammen, sind das drastische Entwicklungen, die die Frage aufwerfen, ob und inwieweit primär auf die politische Interessenvertretung und -vermittlung ausgerichtete Organisationen zukünftig noch in der Lage sein werden, ihren Beitrag zur politischen Willensbildung und politischen Integration zu leisten.

Dazu gegenläufig entwickelt sich hingegen der Anteil freiwillig engagierter Personen (siehe Interner Link: Kapitel 10.3). Nach dem Freiwilligensurvey – einer repräsentativen Umfrage, die seit 1999 alle fünf Jahre durchgeführt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird – ist das freiwillige Engagement in den vergangenen zwei Jahrzehnten signifikant gestiegen und die Ost-West-Unterschiede sind kleiner geworden. Die größten Anteile freiwillig engagierter Personen finden sich in den Bereichen Sport und Bewegung, Kultur und Musik sowie Soziales. Die Anteile in den Bereichen der Politik und Interessenvertretung sind demgegenüber sehr gering.

Fazit

Zusammengefasst verweisen die Ergebnisse einerseits darauf, dass der Grad politischer Integration bezogen auf die traditionellen, organisatorischen Formen der Beteiligung, allen voran Mitgliedschaften in Gewerkschaften und politischen Parteien, in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen ist. Allerdings entwickelt sich der Anteil freiwillig engagierter Personen vor allem im Freizeitbereich positiv. Dennoch verlieren Interessengruppen und Parteien an Mitgliederattraktivität. Andererseits haben nicht institutionalisierte Formen politischer Beteiligung nicht an Bedeutung verloren. Politik spielt für die Bürgerinnen und Bürger nach wie vor eine große Rolle, ein vollständiger Rückzug findet nicht statt. Das politische Interesse erreichte 2021 in Ost- und Westdeutschland sogar einen Höchststand. Dass die Unterschiede zwischen neuen Bundesländern und früherem Bundesgebiet ebenso wie die zwischen Jüngeren und der Gesamtbevölkerung sich vermindern oder sogar ganz zu verschwinden scheinen, ist positiv zu vermerken. Ein negativer Befund ist allerdings, dass Teilhabe und Integration in Organisationen und Aktionsformen stark sozial geschichtet sind. Darauf verweisen die beträchtlichen Unterschiede zwischen Personen ohne und mit Hochschulabschluss. Zusammengenommen mit dem Befund, dass traditionelle institutionalisierte Formen der Politik und politischen Beteiligung an Attraktivität für die Bürgerinnen und Bürger verlieren und sich das Ausmaß politischer Integration in die institutionalisierte Politik abgeschwächt hat, bleibt es ein Warnsignal für Politik und Gesellschaft. Durch die Coronapandemie sind viele gemeinnützige Einrichtungen, Vereine und Interessenorganisationen in eine Notlage geraten. Dass die Zivilgesellschaft geschwächt aus dieser Krise hervorgegangen ist, lässt sich am Rückgang des Engagements in den Jahren 2020/21 ablesen. Allerdings ist das aller Voraussicht nach vorübergehend. Im Freizeitbereich haben sich die Rückgänge in den Mitgliederzahlen bereits wieder erholt, wie jüngste Zahlen zeigen.

Da Vereine und Organisationen die Lernzellen für die politische Beteiligung sind, weil dort in unmittelbaren Gruppenzusammenhängen Interessen formuliert und für die Artikulation aufbereitet werden, ist der Rückgang von Mitgliedschaften in den traditionellen Verbänden und Organisationen nicht unproblematisch. Ob nicht institutionalisierte Formen der Beteiligung, vor allem wenn sie einen individualistischen Zug haben, das Defizit kollektiver Interessenvermittlung durch geschwächte Organisationen der Zivilgesellschaft werden kompensieren können, ist fraglich.

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