Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Politisches Interesse und politische Partizipation | Sozialbericht 2024 | bpb.de

Sozialbericht 2024 Vom Datenreport zum Sozialbericht Statistische Daten und sozialwissenschaftliche Analysen Bevölkerung und Demografie Bevölkerungsstand und Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsstand und Bevölkerungsentwicklung: Einleitung Bevölkerungsstand und -entwicklung Altersaufbau, Geburtenentwicklung und Lebenserwartung Wanderungsbewegungen Zukünftige Bevölkerungsentwicklung Eingewanderte und ihre Nachkommen Eingewanderte und ihre Nachkommen: Einleitung Eingewanderte und ihre Nachkommen in Deutschland seit dem Jahr 2005 Demografische Struktur Sozioökonomische Integration Schutzsuchende Situation der Schutzsuchenden aus der Ukraine Binnenwanderung Wanderungsgeschehen allgemein Wanderungen zwischen Kreisen Stadt-Land-Wanderungen Lebenserwartung und Todesursachen Entwicklung der Lebenserwartung Regionale Unterschiede Internationaler Vergleich Todesursachen Künftige Entwicklung der Lebenserwartung Familie, Lebensformen und Kinder Lebensformen in der Bevölkerung und Kinder Formen des Zusammenlebens Eheschließungen und Scheidungen Familien und ihre Strukturen Lebenssituation von Kindern Vereinbarkeit von Familie und Beruf Kinderlosigkeit Kindertagesbetreuung Betreute Kinder Ganztagsbetreuung Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen Wer geht ab wann in die Kita? Wer hat Bedarf? Sozioökonomische Unterschiede und ihr zeitlicher Verlauf Kita-Ausbau in den vergangenen Jahren Nutzungs- und Bedarfsunterschiede für Kinder unter drei Jahren Nutzungs- und Bedarfsunterschiede für Kinder ab drei Jahren Kinder- und Jugendhilfe: Kinderschutz, erzieherische Hilfen und Adoptionen Kinderschutz und Kindeswohl Hilfe zur Erziehung oder bei (drohender) seelischer Behinderung Adoptionen Infertilität und Reproduktionsmedizin in Deutschland Infertilität und Reproduktionsmedizin in Deutschland: Einleitung Infertilitätserfahrungen im Lebensverlauf Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Soziale Unterschiede in der Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Demografische Bedeutung der Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion Lebenswelten queerer junger Menschen Lebenswelten queerer junger Menschen: Einleitung Freundschaften Die Beziehung zur Familie Nutzung von professionellen Beratungs- und Unterstützungs- angeboten Freizeitgestaltung Politische Partizipation Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen Wie gut sind wir aufs Alter vorbereitet? Finanzielle Vorsorge Wohnen im Alter Vorsorgedokumente für den Notfall Bildung Bildungsbeteiligung und Bildungsförderung Bildungsbeteiligung und Bildungsförderung: Einleitung Allgemeinbildende und berufliche Schulen Der sozioökonomische Status der Schülerinnen und Schüler Betriebliche Berufsausbildung Pflegeausbildung Hochschulen Bildungsförderung Bildungsniveau der Bevölkerung Weiterbildung Weiterbildung: Einleitung Teilnahme an Weiterbildung Gründe für die Weiterbildungsteilnahme Anbieter von Weiterbildung Arbeitsmarkt und Verdienste Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt: Einleitung Die amtliche Arbeitsmarktstatistik Entwicklung der Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit Erwerbstätige nach Wirtschafts­bereichen und Berufsgruppen Beteiligung am Erwerbsleben Stille Reserve als Teil des ungenutzten Arbeitskräftepotenzials Teilzeitbeschäftigung Atypische Beschäftigung, ­Normalarbeitsverhältnis und Selbstständigkeit Erwerbstätigkeit als Unterhaltsquelle Registrierte Arbeitslose und gemeldete Arbeitsstellen Arbeitszeiten Beschäftigungsstabilität Homeoffice Verdienste Tarifbindung Bruttoverdienste Verdienstunterschied ­zwischen Männern und Frauen Nominal- und Reallohn Niedriglöhne Mindestlohn Wer macht was? Die Verteilung der tatsächlichen und mentalen Sorgearbeit Wer macht was? Die Verteilung der tatsächlichen und mentalen Sorgearbeit: Einleitung Aufteilung der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeit in Paarbeziehungen in Deutschland Aufteilung der mentalen Arbeit in Paarbeziehungen in Deutschland Gefühlte Belastungen durch mentale Arbeit Zufriedenheit mit der Auf­teilung tatsächlicher und mentaler Haus- und Familienarbeit Arbeiten von zu Hause: Vereinbarungen, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Gesundheit Arbeiten von zu Hause: Vereinbarungen, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden und Gesundheit: Einleitung Verbreitung der Arbeit von zu Hause Wunsch nach Arbeit von zu Hause Einfluss auf die Arbeit von zu Hause Arbeit von zu Hause: Arbeitsbedingungen und Wohlbefinden Homeoffice und das Wohlbefinden von Eltern während der Coronapandemie Homeoffice und das Wohlbefinden von Eltern während der Coronapandemie: Einleitung Wohlbefinden im Zusammenhang mit der Pandemie Nutzung von Homeoffice Zusammenhang zwischen Homeoffice und der Wahrnehmung positiver Aspekte der Pandemiezeit Der Einfluss des Pendelwegs für die Bewertung der Pandemiezeit Rushhour des Lebens: Familien- und Erwerbs­arbeit im Lebensverlauf Rushhour des Lebens: Familien- und Erwerbs­arbeit im Lebensverlauf: Einleitung Die Rushhour des Lebens Ideale Arbeitszeiten für Mütter nach Alter der Kinder Ideale Arbeitszeiten für Väter nach Alter der Kinder Kluft zwischen idealer und tatsächlicher Erwerbsarbeit Hochrechnung der Arbeitsmarktpotenziale Fazit: Entzerrung der Rushhour des Lebens und stärkere Nutzung der Arbeitsmarktpotenziale von Müttern Private Haushalte – Einkommen, Konsum und Zeitverwendung Konsumausgaben, Ausstattung und Internetnutzung privater Haushalte, Überschuldung Konsumausgaben, Ausstattung und Internetnutzung privater Haushalte, Überschuldung: Einleitung Konsumausgaben Ausstattung privater Haushalte mit Gebrauchsgütern Internetnutzung Überschuldung und Privatinsolvenz Einkommen, Armutsgefährdung, materielle und soziale Entbehrung Einkommen, Armutsgefährdung, materielle und soziale Entbehrung: Einleitung Einkommen und Einkommensverteilung Armutsgefährdung Materielle und soziale Entbehrung Armut oder soziale Ausgrenzung: der AROPE-Indikator Einkommens­entwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen – Verteilung, Angleichung und Dynamik Einkommens­entwicklung und Armut nach Bevölkerungsgruppen – Verteilung, Angleichung und Dynamik: Einleitung Einkommensentwicklung und -verteilung Einkommensschichtung und relative Armut Angleichung der Einkommen zwischen Ost- und Westdeutschland Einkommensunterschiede bei Personen mit Migrationshintergrund Armut in verschiedenen Bevölkerungsgruppen Dynamik von Einkommen und Armut Private Vermögen – Höhe, Entwicklung und Verteilung Höhe des Nettovermögens Vermögensungleichheit Zusammensetzung des Vermögens Unterschiede nach Alter und Region Vermögen und Wohneigentum Vermögen nach sozialer Position Die Relevanz von Erbschaften und Schenkungen Vermögen im europäischen Vergleich Ausblick Zeitverwendung Zeitverwendung: Einleitung Zeitverwendung im Überblick Zeitverwendung für bezahlte und unbezahlte Arbeit, Gender Care Gap Einsamkeit Wohnen Wohnsituation und Wohnkosten Wohnverhältnisse privater Haushalte Mieten und Wohnkosten Wohnungslosigkeit Inhalte der neuen Statistik: Auskunftspflicht und Erhebungsmerkmale Ergebnisse der ersten beiden Erhebungen Zentrale Erkenntnisse der ersten beiden Durchführungen der Statistik Sozialstruktur und soziale Lagen Einkommensgerechtigkeit in Deutschland und Europa Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe für eine gerechte Einkommensverteilung Ideale und tatsächliche Verteilungsprinzipien in der Wahrnehmung der Menschen Wahrnehmung des eigenen Einkommens als gerecht Gerechtigkeitsbewertung der Einkommensverteilung Soziale Polarisierung in den deutschen Städten Soziale Polarisierung in den deutschen Städten: Einleitung Armutssegregation in den deutschen Städten Bildungs- und Einkommenssegregation Ballung von Armut Armut und Migration Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten, deren Nachkommen und Geflüchteten in Deutschland Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten, deren Nachkommen und Geflüchteten in Deutschland: Einleitung Bildungsabschlüsse von Migrantinnen und Migranten Erwerbsstatus und berufliche Stellung von Migrantinnen und Migranten Erwerbs-, Haushaltseinkommen und Armutsrisikoquote Deutsche Sprachkenntnisse Erfahrung von Benachteiligung, Sorgen, Bleibeabsicht und Überweisungen Gesundheit von Migrantinnen und Migranten Zufriedenheit von Migrantinnen und Migranten Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland: Einleitung Soziodemografische Struktur der ukrainischen Geflüchteten Kinder und Jugendliche im Betreuungs- und Bildungssystem Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt Spracherwerb und Erwerbstätigkeit Einsamkeit Einsamkeit: Einleitung Entwicklung der Einsamkeit über die Zeit Einsamkeit in Abhängigkeit von demografischen Faktoren Einsamkeit in Abhängigkeit von sozialstrukturellen Merkmalen Gleichstellung Gleichstellung: Einleitung Gleichstellung und Partizipation Gleichstellung, Bildung und Berufswahl Gleichstellung, Erwerbsleben und Einkommen Gleichstellung und Sorgearbeit Gleichstellung und Gesundheit Gesundheit Gesundheits­zustand der Bevölkerung und Ressourcen der Gesundheitsversorgung Diagnose und Behandlung im Krankenhaus Schwerbehinderung Pflege Todesursachen Schwangerschaftsabbrüche Stationäre Versorgung Gesundheitliche Ungleichheit Allgemeiner Gesundheitszustand Morbidität Mortalität und Lebenserwartung Soziale Sicherung und Übergänge in den Ruhestand Soziale Sicherung Sozialbudget Mindestsicherungssysteme Fördersysteme Gestiegenes Rentenalter – stagnierende Rentenhöhen Gestiegenes Rentenalter – stagnierende Rentenhöhen: Einleitung Alter bei Verrentung: Rechtliche Voraussetzungen und Reformen Alter bei Rentenzugang und Rentenhöhe Rentenzugänge 2001 bis 2022 Erwerbsbiografien vor der Rente: Größere und kleinere Lücken überwiegen Weitgehend stagnierende Rentenhöhen Vulnerabilität und Wohlbefinden bei älteren Menschen Vulnerabilität und Wohlbefinden bei älteren Menschen: Einleitung Vulnerabilität bei älteren Menschen in Deutschland Politische und gesellschaftliche Partizipation Politische Integration und politisches Engagement Politische Integration und politisches Engagement: Einleitung Politisches Interesse und politische Partizipation Bindung an Interessen­gruppen und politische Parteien Einstellungen zur Demokratie Akzeptanz der Demokratie als Staatsform Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie bei verschiedenen Bevölkerungs- gruppen Zivilgesellschaftliche Organisa­tionen und zivilgesellschaftliches Engagement Zivilgesellschaftliche ­Organisationen als Infrastruktur des Zivilengagements Zivilgesellschaftliches ­Engagement von Einzelnen Zivilgesellschaftliches ­Engagement nach Bereichen mit Fokus auf Kultur und Umwelt Gering organisationsgebundenes und informelles Engagement Spenden Digitalisierung und politische Partizipation Digitalisierung und politische Partizipation: Einleitung Digitale Partizipationsformen Internetbezogene Bürgernormen Online Civic Intervention – Einsatz gegen Hass und Falschnachrichten im Internet Ungleichheiten in der digitalen Partizipation Werte und Einstellungen Subjektives Wohlbefinden und Sorgen Subjektives Wohlbefinden und Sorgen: Einleitung Allgemeine Lebens­zufriedenheit und Zufriedenheit mit Lebensbereichen Sorgen in persönlichen Bereichen Sorgen im öffentlichen Bereich Emotionales Glück und »Erfüllt-Sein« Werte, Normen, Einstellungen zu Geschlecht und Familie Werte, Normen, Einstellungen zu Geschlecht und Familie: Einleitung Der Wert von Kindern Einstellungen zu Ehe und ­außerehelichen Lebensformen Einstellungen zu Geschlechterrollen Einstellungen zu Elternrollen Umwelt, Energie und Mobilität Umweltwirkungen privater Haus­halte: Energieverbrauch und CO₂-Emissi­onen Energieverbrauch und CO₂-Emissionen durch Wohnen Energieverbrauch und CO₂-Emissionen durch Individualverkehr Makroökonomischer und internationaler Kontext Steuerzahlungen privater Haushalte im Zusammenhang mit Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen Energie- und CO₂-Fußabdruck der privaten Haushalte Umsetzung der Sustainable Development Goals in Deutschland Die Agenda 2030 und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Monitoring und Reporting Räumliche Mobilität: (noch) schneller und weiter – die Coronapandemie als Dämpfer Räumliche Mobilität: (noch) schneller und weiter – die Coronapandemie als Dämpfer: Einleitung Verkehrsaufwand und Siedlungstypen Pkw-Verfügbarkeit Der »Kuckuckseffekt« Mobilität in Zeiten des Klimawandels Alles anders nach der Coronapandemie? Klimawandel und Klimaschutz im Bewusstsein der Menschen Klimawandel und Klimaschutz im Bewusstsein der Menschen: Einleitung Ansichten zur Existenz und zu den Ursachen des Klimawandels Sorgen um den Klimawandel und seine Folgen Einstellungen zu Klimaschutzmaßnahmen und persönliche Handlungsbereitschaft Nachspann Kontakt Datengrundlagen Autorinnen und Autoren Impressum

Politisches Interesse und politische Partizipation

Bernhard Weßels

/ 5 Minuten zu lesen

Sozialbericht: Kapitel 10.1.1

Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Politik ist ein wichtiger Gradmesser dafür, inwieweit sie das politische Geschehen registrieren und an ihm teilnehmen, das heißt, ob Politik für die Bürgerinnen und Bürger wichtig genug ist, um sich darüber zu informieren und sich gegebenenfalls dafür zu engagieren. Das politische Interesse wird durch die Frage "Wie stark interessieren Sie sich für Politik: sehr stark, stark, mittel, wenig oder überhaupt nicht?" bereits seit 1969 in repräsentativen Bevölkerungsumfragen erfasst.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Anteil derjenigen, die sich stark oder sogar sehr stark für Politik interessieren, beständig und sehr dynamisch verändert. Zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung 1990 war er im früheren Bundesgebiet am höchsten und sank dann wieder ab. Allerdings lag das Niveau weiterhin höher als Anfang der 1980er-Jahre. Das politische Interesse stieg in den vergangenen Jahren insgesamt wieder deutlich, sodass es 2014 den Stand von 1990 erstmals wieder übertraf und sich bis 2021 weiterhin ein leichter Anstieg verzeichnen lässt. Das politische Interesse war im früheren Bundesgebiet 2021 etwa 5 Prozentpunkte höher als zu seinem letzten Höhepunkt 1990. Der langfristige Vergleich zeigt, dass heute mehr Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen interessiert sind als noch Ende der 1960er-Jahre. So waren 1969 lediglich 18 % stark oder sogar sehr stark an Politik interessiert, 2021 waren es in Westdeutschland 42 %. In Ostdeutschland waren die Bürgerinnen und Bürger bis etwa 2010 etwas weniger politisch interessiert als in Westdeutschland. Seit dem Jahr 2010 wurde dieser Unterschied sehr klein.

Die deutlichen Unterschiede beim Interesse an der Politik zwischen jüngeren und älteren Bürgerinnen und Bürgern, die sich nach der Vereinigung 1990 etablierten, sind in Ostdeutschland aber noch sichtbar. Unter den 18- bis 29-jährigen Ostdeutschen lag das politische Interesse 6 Prozentpunkte unter dem des Durchschnitts der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger. Vor 1990 interessierten sich Jüngere im damaligen Bundesgebiet nur geringfügig weniger für Politik. Im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2021 lag der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die sich für Politik interessierten, im früheren Bundesgebiet 10 Prozentpunkte und in den neuen Bundesländern 8 Prozentpunkte unter dem jeweiligen Bevölkerungsdurchschnitt. In Westdeutschland ist dieser Unterschied 2021 verschwunden.

Noch größer als die Differenz zwischen jüngerer Bevölkerung und Bevölkerungsdurchschnitt ist jene zwischen Personen mit Abitur und dem Bevölkerungsdurchschnitt. Unter den Bürgerinnen und Bürgern mit Abitur betrug der Anteil derjenigen, die sich stark oder sehr stark für Politik interessierten, 2021 im früheren Bundesgebiet 56 % und in den neuen Bundesländern 54 %. Damit lagen Personen mit Abitur im Westen etwa 14 und im Osten etwa 16 Prozentpunkte über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das politische Interesse ist also deutlich durch Alters- und Bildungsunterschiede geprägt, wohingegen regionale Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland kaum festzustellen sind. Zugleich schwankten die Unterschiede im politischen Interesse zwischen der Gesamtbevölkerung und Bürgerinnen und Bürgern mit Abitur im Zeitverlauf. Die Differenz lag im Schnitt bei etwa 20 Prozentpunkten. Ein Trend lässt sich dabei aber nicht feststellen. Eine Zu- oder Abnahme bildungsbedingter Unterschiede im politischen Interesse ist seit der ersten Allgemeinen Bevölkerungsumfrage in den Sozialwissenschaften (ALLBUS) 1980 also nicht festzustellen. Auch die Coronapandemie hat am Ausmaß politischen Interesses nichts geändert.

Politisches Interesse ist sicherlich förderlich für politische Beteiligung. Das Repertoire der Beteiligungsformen hat sich über klassische institutionalisierte Formen wie Wahlen hinaus in den vergangenen Jahrzehnten stark ausgeweitet. Neben institutionalisierten Formen der Beteiligung wie der Mitarbeit in Parteien, Bürgerinitiativen, Vereinen und Organisationen nutzen Bürgerinnen und Bürger vermehrt Formen nicht institutionalisierter politischer Beteiligung wie die Kontaktaufnahme zu Politikerinnen und Politikern, Unterschriftensammlungen und Demonstrationen, um ihren Interessen Ausdruck zu verleihen (siehe dazu auch Interner Link: Kapitel 10.4). Diese Arten politischer Aktivität haben in Deutschland seit Ende der 1950er-Jahre kontinuierlich zugenommen. In diesem Zusammenhang wurde von einer "partizipatorischen Revolution" gesprochen, mit der sich nicht nur in Deutschland, sondern in allen modernen Demokratien nicht institutionalisierte Formen der politischen Beteiligung etablierten.

Die Anteile derjenigen, die angaben, in den zurückliegenden zwölf Monaten an den beiden häufigsten Formen nicht institutionalisierter Beteiligung, Unterschriftensammlungen und Demonstrationen, mitgewirkt zu haben, waren in den 1990er-Jahren recht stabil. Seit der Jahrtausendwende zeigt sich in Ost- wie in Westdeutschland eine mehr oder minder als Trend verlaufende Zunahme von Kontakten zu Politikerinnen und Politikern, sowie, noch deutlicher, der Mitarbeit in einer Organisation oder einem Verein. In Westdeutschland verzeichnet auch die Beteiligung an Unterschriftensammlungen einen klaren Trend nach oben. Die Pandemiejahre ab 2020 haben diesen Trend allerdings gebrochen. Die Eingrenzung der Bewegungsfreiheit und Einschränkung von Kontakten ließen weniger Möglichkeiten für kollektive Aktionen. In allen Beteiligungsformen mit Ausnahme von Demonstrationsteilnahmen und der Parteiarbeit hat es deutliche Einbrüche in den Beteiligungsanteilen gegeben.

Abb 2: Nicht institutionalisierte und organisatorische Formen der Beteiligung in Prozent (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Bei Politikerkontakten gab es deutliche Einbrüche, die in beiden Landesteilen gleich stark waren. 2018 gaben 19 % in Ost- und 20 % in Westdeutschland an, Kontakt zu Politikerinnen und Politikern gehabt zu haben, 2020 dann 12 beziehungsweise 13 %. Relative Konstanz gab es bei den Demonstrationsteilnahmen (2020: 7 % im Osten, 8 % im Westen) und der Parteiarbeit (2020: 6 % im Osten, 7 % im Westen). Etwas größer sind die Unterschiede bei Unterschriftensammlungen (Westdeutschland: 23 %, Ostdeutschland: 20 %) – jeweils ein Rückgang von etwa 16 Prozentpunkten gegenüber 2018 – und bei der Arbeit in Vereinen und Organisationen (Westdeutschland: 24 %, Ostdeutschland: 16 %), ebenfalls in beiden Teilen Deutschlands mit deutlichen Rückgängen.

Werden die Werte zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne Hochschulabschluss sowie zwischen Jüngeren und Älteren für das Jahr 2020 verglichen, sind die regionalen Unterschiede am geringsten und nahezu vernachlässigbar. Die politische Integration und Teilhabe sind in den neuen Bundesländern und im früheren Bundesgebiet fast gleich hoch ausgeprägt. Dasselbe lässt sich allerdings nicht für die Unterschiede zwischen Bildungsgruppen sagen. Hier zeigt sich bei allen Formen der Beteiligung eine sehr viel stärkere Beteiligung von Menschen mit Hochschulabschluss. 2020 lag die Beteiligungsquote der Bürgerinnen und Bürger mit einem Hochschulabschluss bei Unterschriftensammlungen 17 Prozentpunkte, bei der Arbeit in Vereinen und Organisationen 10 Prozentpunkte, bei Kontakten zu Politikerinnen und Politikern 9 Prozentpunkte und bei Parteiarbeit sowie Demonstrationen etwa 8 Prozentpunkte höher als bei denjenigen ohne Hochschulabschluss.

Abb 3: Nicht institutionalisierte und organisatorische Formen der Beteiligung nach Bildung, Region und Alter 2020 in Prozent (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Der Vergleich zwischen jüngeren Bürgerinnen und Bürgern im Alter von 18 bis 29 Jahren und Älteren ab 30 Jahren zeigt, dass es über die verschiedenen Formen der Beteiligung hinweg keinen allgemeinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen gibt. Es sind nicht immer die Jüngeren, die sich stärker beteiligen, vielmehr kommt es auf die Art der Beteiligung an. Demonstrationen als Mittel der Beteiligung wurden 2020 von 16 % der Jüngeren genutzt, aber nur von 6 % der Älteren, und auch bei der Unterschriftensammlung war die Beteiligung der Jüngeren deutlich höher. Bei anderen Beteiligungsformen gab es nur geringe Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren. Personen im Alter von 30 Jahren und älter haben etwas häufiger Politikerinnen und Politiker kontaktiert.

Was die Ausgeglichenheit der politischen Integration und politischen Teilhabe angeht, ergibt sich damit insgesamt ein gemischtes Bild. Die großen Unterschiede zwischen Ost und West sind verschwunden, auch die Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren verweisen nicht auf Defizite politischer Integration. Anders zu beurteilen ist das Gefälle in der Beteiligung von Menschen mit und ohne Hochschulbildung. Hier zeigen sich über alle Beteiligungsformen hinweg systematische Unterschiede, die als sozial induzierte politische Ungleichheit zu bewerten sind.

Weitere Inhalte