Die vergangenen Jahre haben die Menschen vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt. In einer Situation gewachsener Unsicherheit – unter anderem verursacht durch die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Fragen der Energieversorgung und Preissteigerungen oder die Verschärfung des Nahostkonflikts nach dem Angriff der Hamas auf Israel – werden politische Integration und politischer Zusammenhalt noch wichtiger. Doch auch in normalen Zeiten ist die Frage der politischen Integration und der sozialen Teilhabe in einer sich immer stärker sozial und kulturell differenzierenden Gesellschaft wie der der Bundesrepublik Deutschland für den Zusammenhalt und Erhalt der Demokratie zentral. Demokratie bedeutet die Möglichkeit der gleichen Teilhabe an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Durch gleiche Wahlen bestimmen die Bürgerinnen und Bürger ihre politischen Repräsentantinnen und Repräsentanten, durch politische Beteiligung können sie Einfluss auf die Politik nehmen. Unter politischer Integration versteht man den Prozess, in dessen Verlauf sich die Bürgerinnen und Bürger durch ihre eigene politische Beteiligung in die politische Willensbildung einbringen und dadurch sowohl die demokratischen "Spielregeln" anerkennen als auch Loyalitätsbeziehungen gegenüber den politischen Institutionen und Akteuren entwickeln. Demokratie braucht Beteiligung, und Beteiligung ohne zivilgesellschaftliche Akteure ist kaum denkbar. Wie viel Beteiligung nötig ist, bleibt eine offene Frage. Die Unterschiede bei politischer Beteiligung und der Stärke der Zivilgesellschaft zwischen den demokratischen Gesellschaften zeigen, dass es keine eindeutige empirische Messlatte dafür gibt. Wenn eine Gesellschaft hinter ein bereits erreichtes Ausmaß an politischer Integration und Partizipation zurückfällt, kann dies jedoch als ein Warnsignal für die Demokratie gedeutet werden. Ebenso können große soziale und regionale Unterschiede in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Politik darauf verweisen, dass eine gleichmäßige Integration in die Politik nicht gelingt. Treten soziale Disparitäten in der Beteiligung auf, ist ein Grundprinzip der Demokratie, das der politischen Gleichheit, verletzt.
Die Debatten über die "Mitgliederkrise" von Großorganisationen wie Parteien und Gewerkschaften, über Politik- und Parteienverdrossenheit sowie über sozial bedingte politische Ungleichheit legen es nahe, danach zu fragen, ob sich die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik heute weniger politisch beteiligen als früher und ob sich Unterschiede zwischen sozialen, demografischen oder regionalen Gruppen ergeben. Sozial induzierte Ungleichheit in der politischen Teilhabe ist in den vergangenen Jahren zunehmend in der Diskussion. In demografischer Hinsicht ist insbesondere der Blick auf jüngere Altersgruppen und ihr "Hineinwachsen" in die Demokratie von Interesse. Zudem stellt sich selbst fast drei Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung die Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern in vergleichbarer Weise politisch integriert sind und einen ähnlich starken Zugang zum politischen Willensbildungsprozess finden wie jene im früheren Bundesgebiet.