Das Geschlecht hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen. Dabei haben neben biologischen Faktoren auch an Rollenmustern orientierte Verhaltensweisen und Lebensstile einen erheblichen Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung. So zeigen Frauen oft ein geringeres Risikoverhalten, gesündere Ernährungsformen, sind seltener körperlichen Belastungen und Unfallgefahren bei der Arbeit ausgesetzt und nehmen regelmäßiger an Gesundheitsvorsorgeangeboten teil (siehe auch Interner Link: Kapitel 8.1, sowie Interner Link: 8.2).
Übergewicht und Fettleibigkeit sind beispielsweise eine Ursache für viele Folgeerkrankungen und bei Männern und Frauen unterschiedlich häufig anzutreffen. Der sogenannte Body-Mass-Index (BMI) bemisst das Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Geschlecht und Alter oder das Verhältnis von Körpermuskel- zu Körperfettmasse bleiben bei der Berechnung jedoch unberücksichtigt. Dennoch ist der BMI ein entscheidendes Maßinstrument für die Bestimmung der Gesundheit von Menschen. Nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gelten Menschen mit einem BMI ab 25 bis unter 30 als übergewichtig. Menschen mit einem BMI ab 30 gelten als adipös (fettleibig). Im Mikrozensus werden alle vier Jahre Körpergröße und Körpergewicht freiwillig erhoben. 2021 waren 42,5 % der Frauen und 62,4 % der Männer von Übergewicht oder Adipositas betroffen. 2005 waren es bei Frauen noch 41,5 % und bei Männern 57,9 %. Dabei ist vor allem der Anteil der Menschen mit Fettleibigkeit gestiegen, die 2021 für 18,7 % der Männer und für 14,8 % der Frauen berechnet wurde.
Eine weitere Gesundheitsgefährdung mit geschlechtsspezifischen Unterschieden ist der Tabakkonsum. Nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums sterben in Deutschland jährlich 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Daher wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Warnhinweise zur Gesundheitsgefährdung auf Tabakprodukten angebracht und die Werbung für Tabakprodukte eingeschränkt. Im Mikrozensus werden die Teilnehmenden zu ihrem Rauchverhalten freiwillig befragt. Die Ergebnisse 2021 aus dieser Befragung zeigen, dass der Tabakkonsum im Zeitverlauf insgesamt abnimmt. Männer rauchten mit 22,3 % jedoch immer noch deutlich öfter gelegentlich oder regelmäßig als Frauen (15,7 %), wobei die Differenz zwischen Frauen und Männern in den vergangenen Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Das Risiko, eine Erkrankung aufgrund des Rauchens zu erleiden, ist für Männer damit deutlich höher als für Frauen.
Ungesundes Verhalten wirkt sich direkt auf die Lebensdauer aus. Die sogenannten Periodensterbetafeln werden jährlich für einen Dreijahreszeitraum erstellt. Die dort registrierte Zahl der Gestorbenen wird in einem bestimmten Zeitraum ins Verhältnis zur Bevölkerung in den einzelnen Altersjahren gesetzt und daraus in mehreren Schritten die Lebenserwartung abgeleitet. Insgesamt stieg die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland bis zum Zeitraum 2017/19 an und stagnierte danach beziehungsweise nahm coronabedingt leicht ab. Frauen leben dabei im Mittel deutlich länger als Männer. Die errechnete Lebenserwartung bei Geburt im Berichtszeitraum 2020/22 ergab eine Differenz von 4,9 Jahren: Neugeborene Frauen werden im Durchschnitt 83,2 Jahre leben, während Männer nur 78,3 Jahre alt werden. Dabei nähert sich die zu erwartende männliche Lebensdauer der weiblichen langsam an. Der Unterschied lag im Berichtszeitraum 2000/02 noch bei 5,8 Jahren und 2010/12 bei 5,1 Jahren (siehe auch Interner Link: Kapitel 1.1.2, sowie Interner Link: Kapitel 1.4).
Durch die höhere Lebenserwartung wohnen Frauen im Alter häufiger allein als Männer. Der Mikrozensus ermittelte im Jahr 2022 einen Anteil von Frauen ab 65 Jahren, die in einem Einpersonenhaushalt leben, von 44,1 %. Unter den Männern dieses Alters lebten 21,5 % allein. Im Alter haben Frauen daher mehr als doppelt so oft das Risiko, von Einsamkeit und externem Unterstützungsbedarf im Alltag betroffen zu sein, als Männer.
Abseits dieser Gesundheitsgefahren haben Frauen, die in einer Paarbeziehung leben, ein höheres Risiko, Gewalt zu erfahren, als Männer. Partnerschaftsgewalt ist definiert als physische, sexuelle und psychische Gewalt in aktuellen oder ehemaligen Paarbeziehungen (Ehen, eingetragene Lebenspartnerschaften, nichteheliche Lebensgemeinschaften), unabhängig vom Tatort. Ein gemeinsamer Wohnsitz ist keine Voraussetzung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts (BKA) erfasste im Jahr 2022 insgesamt 157.818 Opfer von Partnerschaftsgewalt in Deutschland; darunter waren 31.469 Männer und mit 126.349 mehr als viermal so viele Frauen. Der Anteil der Delikte von Partnerschaftsgewalt an allen Delikten lag bei 18,8 %. Darunter wurden 90 Männer je 100.000 Einwohner und 345 Frauen je 100.000 Einwohnerinnen als Opfer von Partnerschaftsgewalt registriert. Die Daten zeigen ausschließlich Opfer polizeilich erfasster Taten und sind somit stark vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung beeinflusst. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gewalttaten innerhalb von Partnerschaften bei beiden Geschlechtern untererfasst sind. Die Ergebnisse zeigen aber deutlich, dass Frauen wesentlich öfter gewaltsame Situationen in ihrer Partnerschaft erleiden als Männer.
Insgesamt geben die Ergebnisse zum Thema Gleichstellung in der Gesundheit Hinweise darauf, dass Männer häufiger gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt sind als Frauen, was sich auch in einer deutlich niedrigeren Lebenserwartung zeigt. Faktoren, die zur niedrigeren Lebenserwartung von Männern beitragen, sind ein höheres Risikoverhalten, eine stärkere Bereitschaft zu beruflichen Belastungen sowie ein nicht adäquates Ernährungsverhalten. So leiden Frauen seltener als Männer unter Übergewicht und Adipositas und sind damit weniger von Folgeerkrankungen betroffen. Ein weiterer Hinweis auf ein risikobereiteres Verhalten von Männern ist deren stärkeres Rauchverhalten. Durch ihre längere Lebenserwartung sind Frauen öfter alleinlebend als Männer und dadurch in größerem Ausmaß von sozialer Ausgrenzung und Hilfsbedürftigkeit betroffen. In Partnerschaften sind Frauen wesentlich häufiger Gewalt ausgesetzt als Männer, was die Lebensqualität von Frauen deutlich mindert.
Fazit
Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Das erst im vergangenen Jahrhundert aufkommende Thema ist präsenter in den Debatten der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft geworden. Jedoch konnte in vielen Lebensbereichen die angestrebte Parität noch nicht erreicht werden. Bis heute bestehen viele Gerechtigkeitslücken für Frauen, die wahrscheinlich erst in den nächsten Generationen überwunden sein werden. Die Daten der amtlichen Statistik leisten einen wertvollen Beitrag, den Umsetzungsstand nachzuverfolgen und auf Handlungsfelder hinzuweisen. Hier hat sich gezeigt, dass trotz ähnlichem oder teilweise sogar höherem Bildungsniveau Frauen in Führungspositionen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Dies betrifft die Privatwirtschaft stärker als den öffentlichen Dienst, wo mit dem Bundesgleichstellungsgesetz ein robuster rechtlicher Rahmen zur Förderung von Frauen geschaffen wurde.
Frauen in Deutschland sind in den Bildungs- und Ausbildungschancen den männlichen Absolventen in vielen Bereichen nahezu gleichgestellt oder haben sie sogar überholt. Frauen entscheiden sich jedoch viel öfter für Berufsausbildungen oder Studiengänge, die später geringer entlohnt werden. Zudem haben Frauen eine geringere Erwerbsbeteiligung als Männer. Vor allem mit Beginn der Familiengründung entsteht eine erhöhte Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in vielen Lebensbereichen, die Frauen im weiteren Verlauf oftmals nicht mehr aufholen können. Sie haben ab dann häufigere und längere Erwerbsunterbrechungen und Mütter arbeiten öfter stundenreduziert in Teilzeit als Väter.
Frauen leisten überdies einen erheblich höheren Anteil an unbezahlter Arbeit. Dies trägt dazu bei, dass sie bei Verdiensten und individuellen Rentenansprüchen Männern gegenüber benachteiligt sind. Eine höhere Anerkennung durch bessere Bezahlung für vorwiegend von Frauen ausgeübte Berufe ist daher eine notwendige Maßnahme der Gleichberechtigung. Der weitere Ausbau von institutionellen Betreuungseinrichtungen für Kinder sowie größere Anreize für Männer, sich in die Sorgearbeit einzubringen, sind maßgebliche Instrumente, um Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit und einem selbstbestimmten Leben zu fördern. Flexiblere Regelungen, beispielsweise eine individuellere Gestaltung von Arbeitszeit und -ort, können zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen.
Da Frauen sich im Durchschnitt gesundheitsbewusster verhalten, haben sie ein längeres Leben zu erwarten. Die Einführung von gesundheitsfördernden Programmen speziell gerichtet an Männer könnte ein Beitrag zur Steigerung von deren Lebenserwartung sein. Zugleich ist eine gezielte Förderung für Frauen im Alter und Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt an Frauen notwendig.
Gleichstellung ist nichts Selbstverständliches, sondern muss bewusst eingefordert, gefördert und gelebt werden. Nicht nur um das volle Potenzial einer Gesellschaft ausschöpfen zu können, sondern vor allem um grundlegende Menschenrechte für Frauen und Männer gleichermaßen und zu jeder Zeit zu gewährleisten.