Oft wird angenommen, dass insbesondere ältere Menschen stärker von Einsamkeit betroffen sind als jüngere Menschen. Die vorliegenden Daten stützen diese Annahme jedoch nicht. Auch andere Studien zeigen, dass Einsamkeit alle Altersgruppen betreffen kann. Zwar können die Folgen von Einsamkeit für ältere Menschen gravierender sein, etwa aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen. Häufiger von Einsamkeit betroffen als junge Menschen sind sie aber nicht. An dieser Stelle sei allerdings darauf verwiesen, dass sich die hier vorliegenden Zahlen auf die Einsamkeit von Menschen beziehen, die in Deutschland in Privathaushalten leben. Sie sind nicht generalisierbar für Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben. Es ist anzunehmen, dass insbesondere ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen deutlich häufiger von Einsamkeit betroffen sind.
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, fühlten sich unter den über 75-Jährigen in allen drei Erhebungsjahren die wenigsten Menschen einsam. In den Jahren vor der Coronapandemie waren es rund 7 %, in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021, als das Ende der Pandemie absehbar war, waren es 9 %. Unter den Menschen im mittleren Erwachsenenalter (31 bis 45 Jahre) lag dieser Wert mit rund 12 % im Jahr 2013, 9 % im Jahr 2017 und 10 % in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 durchschnittlich etwas höher. Diese Altersgruppe muss in der Regel besonders viele Anforderungen im beruflichen und privaten Bereich ausbalancieren. Die Dreißiger und frühen Vierziger sind ausschlaggebend für das Etablieren der beruflichen Karriere. Gleichzeitig fällt durch pflegebedürftige Verwandte und eigene Kinder, die bei den 31- bis 45-Jährigen oftmals noch sehr jung sind, viel Care-Arbeit neben dem Beruf an. Dabei können enge soziale Beziehungen auf der Strecke bleiben. Interessanterweise ist in dieser Altersgruppe gegen Ende der Coronapandemie (zweite Hälfte des Jahres 2021) kein starker Anstieg der Einsamkeit zu beobachten. So lag der Anteil der Einsamen im Jahr 2013 sogar höher als gegen Ende der Coronapandemie (zweite Hälfte des Jahres 2021). Ein Grund hierfür könnte sein, dass sich für das Sozialleben dieser Gruppe durch die Pandemie am wenigsten änderte: Ihre sozialen Kontakte waren bereits vor Beginn der Pandemie stärker auf den Familienkreis beschränkt, der von den Kontaktrestriktionen nicht betroffen war.
Besonders starke Anstiege der Einsamkeit während der Pandemie waren hingegen bei den unter 30-Jährigen und den 46- bis 60-Jährigen zu beobachten. In beiden Gruppen stieg der Anteil derer, die sich einsam fühlten, um über 5 Prozentpunkte. Für viele der unter 30-Jährigen sind soziale Kontakte außerhalb des Arbeits- und Familienkontextes besonders wichtig, um sich von dem eigenen Elternhaus abzugrenzen, eine eigene Identität zu entwickeln und Erfahrungen in Partnerschaften zu sammeln. Die 46- bis 60-Jährigen sind in der Regel noch körperlich fit, beruflich bereits etabliert und haben Kinder, die bereits älter und selbstständiger sind. Damit verfügen sie über die nötigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um das gesellschaftliche Kultur- und Freizeitangebot ausgiebig zu nutzen. Durch die Kontaktbeschränkungen im Zuge der Coronapandemie dürften sie hier massive Einschränkungen erfahren haben.
Der Anteil der einsamen Frauen lag durchgängig 3 bis 4 Prozentpunkte höher als der Anteil der einsamen Männer. Dabei blieb die Differenz über die drei Erhebungszeitpunkte hinweg stabil. Die höhere berichtete Einsamkeit bei Frauen wird in einigen Studien damit erklärt, dass Einsamkeit, wie auch andere psychische Probleme, in der Gesellschaft und dabei besonders unter Männern stigmatisiert ist. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Männer seltener zugeben, dass sie sich einsam fühlen. In der Folge wird der Anteil von Einsamen bei der Befragung von Männern unterschätzt. Dies ist insofern problematisch, als Einsamkeit ein Frühwarnzeichen für schwerere psychische Probleme wie Depressionen oder gar Suizid sein kann. Je früher ein solcher Verlauf erkannt wird, desto eher kann geholfen werden. Dass die Suizidrate unter Männern dreimal so hoch ist wie unter Frauen, obwohl Männer durchschnittlich weniger Einsamkeit und auch weniger Depressivität berichten, deutet darauf hin, dass noch sehr viel zum Abbau gesellschaftlicher Stigmata hinsichtlich Einsamkeit und psychischer Erkrankungen sowie der Inanspruchnahme psychologischer Hilfe getan werden muss.
Unter Menschen mit Migrationshintergrund waren in allen drei Erhebungsjahren deutlich mehr Menschen einsam als unter Menschen ohne Migrationshintergrund. Dies deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien und gilt auch für andere Länder. In der Literatur werden als mögliche Ursachen der durchschnittlich niedrigere sozioökonomische Status von Menschen mit Migrationshintergrund und deren durchschnittlich schlechtere Gesundheit diskutiert (siehe auch Interner Link: Kapitel 7.3). Beides erschwert die Etablierung und Aufrechterhaltung enger sozialer Beziehungen und geht mit einer schlechteren sozialen Integration einher. Zudem können bei Menschen mit Migrationshintergrund Sprachbarrieren, Diskriminierungserfahrungen und Heimweh als erschwerende Faktoren hinzukommen und das Risiko von subjektiv erfahrener Einsamkeit erhöhen.
Der Unterschied in den berichteten Einsamkeitsgefühlen zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund hat von 2013 bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2021 deutlich zugenommen: Im Jahr 2013 lag der Anteil einsamer Menschen mit Migrationshintergrund bei 11 % und damit gut 3 Prozentpunkte höher als bei Menschen ohne Migrationshintergrund (8 %). In der zweiten Hälfte des Jahres 2021 betrug die Differenz hingegen bereits über 8 Prozentpunkte (mit Migrationshintergrund 18 %, ohne Migrationshintergrund 10 %). Die zunehmende Differenz deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, die zeigen, dass die Coronapandemie bestehende gesundheitliche und wirtschaftliche Ungleichheiten weiter verschärfte (siehe Interner Link: Kapitel 5.3.6 sowie Interner Link: Kapitel 8.2.3).