Für einen Vergleich der Höhe des Nettovermögens innerhalb europäischer Länder stellt die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Beginn des vergangenen Jahrzehnts harmonisierte Mikrodaten zur Verfügung. Mittels eines standardisierten Fragebogens werden alle relevanten Vermögenskomponenten erfasst, um das Nettovermögen der Privathaushalte zu beschreiben und vergleichbar zu machen. Auch hier wird das Nettohaushaltsvermögen ausgewiesen. Dabei ist zu beachten, dass die Haushaltsgröße je nach Land unterschiedlich groß ausfällt. Insbesondere in südeuropäischen Ländern leben mehr Personen in einem Haushalt als in Ländern Mitteleuropas. Bei einer Pro-Kopf-Betrachtung würden damit die Unterschiede zwischen den Ländern etwas geringer ausfallen im Vergleich zu der im Folgenden verwendeten Analyse des Nettohaushaltsvermögens.
Zieht man zunächst den Median des Nettohaushaltsvermögens heran, also den Wert, der die reichsten 50 % der Haushalte von der ärmeren Hälfte trennt, so lag dieser für die betrachteten europäischen Länder im Jahr 2021 bei 123.500 Euro. Das höchste Median des Nettohaushaltsvermögens fand sich in Luxemburg mit mehr als 710.000 Euro, gefolgt von Malta mit rund 274.000 Euro und Belgien mit 242.000 Euro. Aber auch die von der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 schwer getroffenen Staaten Spanien und Italien wiesen mit gut 128.000 Euro beziehungsweise 159.000 Euro ein relativ hohes mittleres Nettohaushaltsvermögen auf. Am anderen Ende hatte Lettland mit 31.000 Euro das geringste Nettohaushaltsvermögen. Nur wenig mehr wiesen Litauen und Ungarn mit jeweils rund 55.000 Euro auf. Für Griechenland, das durch die Finanzmarkt- und die sich daran anschließende Eurokrise ab 2008 besonders stark getroffen wurde, lag ein Wert von etwa 85.000 Euro vor. Für Deutschland betrug der Median des Nettohaushaltsvermögens rund 106.600 Euro. Dieser Wert liegt etwas unterhalb des mittleren Bereichs der betrachteten Länder und fällt damit in etwa so hoch aus wie in den Niederlanden mit 106.000 Euro oder Slowenien mit knapp 119.000 Euro.
Wird alternativ der Mittelwert anstelle des Medians herangezogen – der Mittelwert kann stark von einzelnen Ausreißern wie Milliardären beeinflusst sein, was beim Median nicht der Fall ist – und sortiert man die Länder nach der Höhe dieses Wertes, so ändert sich die Reihung der Länder am unteren und oberen Rand kaum. Ein Land verbessert seine Position in dieser Reihung um fünf Ränge. Dies ist Deutschland, das ein eher geringes Median-, aber ein deutlich höheres Durchschnittsvermögen aufweist. So lag der Wert des Durchschnitts des Nettohaushaltsvermögens in Deutschland bei 316.500 Euro und damit über dem Schnitt aller betrachteten europäischen Länder mit 292.100 Euro. Ein anderes Land, das sich um drei Positionen verändert, ist Estland. Die unterschiedliche Positionierung bei der Reihung der Euroländer, je nachdem ob der Median oder der Mittelwert herangezogen wird, ergibt sich aus dem Ausmaß an Ungleichheit des Vermögens. Deutschland und Estland sind zwei Länder mit einem überdurchschnittlichen Ausmaß an Vermögensungleichheit, bei dem wenige Haushalte sehr hohe Vermögen besitzen.
Um das Ausmaß an Vermögensungleichheit zu beschreiben, wird im Folgenden der Anteil der reichsten 10 % aller Haushalte am Gesamtvermögen dargestellt. Je höher der Wert ausfällt, desto größer ist die Ungleichheit. Innerhalb der von der EZB betrachteten europäischen Länder lag dieser Anteil im Jahr 2021 bei etwa 53 %. Mit anderen Worten: Die reichsten 10 % der Haushalte besaßen etwas mehr als die Hälfte des Nettovermögens innerhalb aller betrachteten Länder. Ein ähnlicher Wert lag für Länder wie Italien oder Spanien vor. Eine geringe Vermögensungleichheit wiesen einige osteuropäische Länder wie die Slowakei, Tschechien oder Slowenien auf. Aber auch Griechenland mit einem Wert von etwa 41 % wies eine eher geringe Vermögenskonzentration auf. Im Gegensatz dazu war die Vermögensungleichheit besonders hoch in Ländern wie Deutschland und Estland. In Deutschland hatten die reichsten 10 % aller Haushalte einen Anteil am Nettogesamtvermögen von rund 56 %; in Estland lag der Anteil bei 59 %.
Eine der Ursachen für das unterschiedliche Ausmaß an Vermögensungleichheit zwischen den Ländern besteht in Unterschieden im Besitz selbst genutzter Immobilien. Diese Vermögensart ist von besonderer Bedeutung in allen Ländern. Dabei findet sich ein gewisses Muster: Länder mit einem geringeren Anteil von Eigentümerinnen und Eigentümern selbst genutzter Immobilien weisen typischerweise auch ein höheres Maß an Vermögensungleichheit auf. Dies gilt insbesondere für Deutschland und Österreich, in denen nur 45 beziehungsweise 48 % aller Haushalte auch eine selbst genutzte Immobilie besitzen. In Ländern mit einem hohen Anteil an Haushalten mit selbst genutzten Immobilien ist die Vermögensungleichheit dagegen eher gering. Dies trifft beispielsweise auf Länder wie die Slowakei oder auch Malta zu, wobei die Slowakei einen Anteil von etwa 90 % und Malta immerhin von rund 79 % selbst nutzender Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien aufwies.
Dass der Immobilienbesitz in Deutschland so gering ausfällt, hat auch historische Gründe. So wurden durch den Zweiten Weltkrieg große Teile des Immobilienbestands stark beschädigt oder zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg zudem aufgrund der Vertreibung von deutschstämmigen Personen vornehmlich aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wie Ostpreußen, Pommern und Schlesien die Bevölkerungszahl stark an, sodass Wohnraum fehlte. Im Ergebnis herrschte lange Jahre nach dem Krieg Wohnungsmangel in Deutschland. Diesem Mangel wurde unter anderem durch den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau begegnet. In der DDR lag die Quote selbst nutzender Immobilienbesitzerinnen und -besitzer nochmals deutlich niedriger als in Westdeutschland. Hier machte sich die Wohnungspolitik der DDR bemerkbar, die eine Nivellierung der Lebensformen zugunsten eines sozialistischen Familienbilds anstrebte, bei dem privater Immobilienbesitz verpönt war. Zudem zeichnet sich Deutschland im internationalen Vergleich durch einen hohen Mieterschutz aus, der einen Verbleib in einer Mietwohnung attraktiv macht.