Die Armutsrisiken unterscheiden sich erheblich zwischen sozialen Gruppen und variieren im zeitlichen Verlauf, sowohl hinsichtlich der Armutsbetroffenheit als auch hinsichtlich des Bevölkerungsanteils spezifischer Risikogruppen. Um die Differenzierungen und Trends auch für kleine Bevölkerungsgruppen, die von Armut betroffen sind, in robuster Weise abzubilden, werden die Armutsquoten zu den ausdifferenzierten Personengruppen über verschiedene Jahre gemittelt. Dazu wird neben der letzten Periode (2020 bis 2022) auch die unmittelbar zurückliegende Periode (2015–2019) betrachtet, um so auch potenzielle Auswirkungen der Coronapandemie in der Bevölkerung zu erfassen. Im Ergebnis zeigen sich im zeitlichen Verlauf zwischen dem Zeitraum 2015 bis 2019 und der daran anknüpfenden Phase der Coronapandemie (2020 bis 2022) kaum Veränderungen. Sowohl die gesamtdeutschen Armutsquoten als auch deren Differenzierungen nach Bevölkerungen bleiben in dieser Zeitspanne bemerkenswert stabil.
Im Folgenden wird gezeigt, welche Bevölkerungsgruppen, Familien- und Haushaltsformen über- oder unterdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Die Armutskennziffern beziehen sich auf die Verteilung des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens innerhalb der gesamten Bevölkerung. Neben der gesamtdeutschen Darstellung im zeitlichen Verlauf werden die Armutsrisiken der jeweiligen Bevölkerungsgruppen hier für die Periode 2020 bis 2022 auch in regionaler Differenzierung dargestellt. Dazu werden Bevölkerungsanteile und Armutsrisiken in Ostdeutschland jeweils separat ausgewiesen. Zudem werden die Armutsrisikoquoten in soziodemografischer Differenzierung für strukturschwache Gebiete dargestellt – also Gebiete, die nach europäischen und nationalen Kriterien als Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Förderungen zur Stärkung der regionalen Struktur und Wirtschaftskraft erhalten (Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" im Zeitraum 2022–2027). Die Zuweisung nach Förderregionen erfolgt jeweils einheitlich anhand der davon ganz oder teilweise betroffenen Landkreise (basierend auf dem Gebietsstand Dezember 2022) ungeachtet weiterer interner Differenzierungen (prädefinierte oder nicht prädefinierte C-Fördergebiete mit oder ohne Grenzzuschlag sowie D-Fördergebiete). Die Bevölkerung in strukturschwachen Gebieten umfasst etwa 45 % der Gesamtbevölkerung und verteilt sich im gesamten Bundesgebiet insbesondere auf die Regionen Nord-West, die Stadtstaaten sowie nahezu die gesamte Region Ost. Die nachfolgend beschriebenen Armutsquoten geben die Armutsrisiken innerhalb der jeweiligen Bevölkerungsgruppen wieder. Ergänzend werden in den Tabellen zudem die Bevölkerungsanteile der jeweiligen Gruppen in der Gesamtbevölkerung, in Ostdeutschland und den strukturschwachen Gebieten ausgewiesen.
Die Armutsrisiken haben sich in der Gesamtbevölkerung in den Jahren 2015 bis 2019 (16,1 %) und in den Jahren 2020 bis 2022 (15,9 %) kaum verändert. Die Armutsrisikoquote in Ostdeutschland lag in den Jahren 2020 bis 2022 bei 19,4 % und damit über dem gesamtdeutschen Wert. Die Armutsrisikoquote in strukturschwachen Gebieten betrug in diesem Zeitraum 18,6 % und lag damit ebenfalls noch über dem gesamtdeutschen Vergleichswert.
Frauen wiesen in Gesamtdeutschland in den Jahren 2020 bis 2022 geringfügig höhere Armutsrisiken auf als Männer. Das Armutsrisiko von Kindern, Jugendlichen und mittleren Altersgruppen veränderte sich im Zeitverlauf kaum. Die Armutsrisiken beim Übergang in den Ruhestand (60–69 Jahre) sind angestiegen. In Ostdeutschland waren insbesondere junge Erwachsene (20–29 Jahre) sowie Ältere beim Übergang in den Ruhestand (60–69 Jahre) erhöhten Armutsrisiken ausgesetzt. Die älteste ostdeutsche Rentnergeneration profitierte noch von systembedingten Unterschieden in der Arbeitsmarktbeteiligung mit durchgehenden Beschäftigungsverhältnissen bei Männern wie Frauen aus der Zeit vor der Vereinigung. In strukturschwachen Gebieten waren ebenfalls insbesondere jüngere Altersgruppen sowie Personen beim Übergang in den Ruhestand stärker von Einkommensarmut betroffen.
Personen mit Migrationshintergrund waren in allen Zeitabschnitten einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Personen mit direktem Migrationshintergrund, sprich mit eigener Migrationserfahrung, wiesen etwas höhere Armutsrisiken auf als Personen mit indirektem Migrationshintergrund. In Ostdeutschland war die Armutsbetroffenheit bei Migrantinnen und Migranten – insbesondere mit direktem Migrationshintergrund − höher als in Deutschland insgesamt. Allerdings ist ihr Bevölkerungsanteil hier weiterhin geringer als in Westdeutschland. In strukturschwachen Gebieten lagen die Armutsrisiken bei Migrantinnen und Migranten mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund in den Jahren 2020 bis 2022 ebenfalls über den (hohen) Werten in Deutschland insgesamt.
Nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in den Stadtstaaten waren die Armutsrisiken in den Jahren 2020 bis 2022 weiterhin höher als in den anderen Landesteilen. Auch in den nordwestlichen Flächenländern lagen die Armutsrisikoquoten noch über dem gesamtdeutschen Niveau. Die Bundesländer im Südwesten Deutschlands wiesen dagegen weiterhin die geringsten Armutsrisiken auf. Innerhalb der Region Ost lagen die Armutsrisiken in Stadtstaaten (hier Berlin-Ost) etwas über dem regionalen Mittel. Die Armutsrisiken in strukturschwachen Gebieten fielen in den Stadtstaaten und der Region Ost am höchsten aus. Die Varianz zwischen allen Regionen ist hier allerdings gering.
Die Armutsquoten in städtischen und ländlichen Gebieten waren nahezu gleichauf. Großstädte ab 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wiesen höhere Armutsquoten auf; dies galt in Ostdeutschland sowie in den strukturschwachen Gebieten auch für Mittelstädte ab 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Mieterhaushalte waren erwartungsgemäß weitaus stärker von Armutsrisiken betroffen als Eigentümerhaushalte. Dies galt in gleicher Weise in Ostdeutschland wie auch in strukturschwachen Regionen.
Verheiratet Zusammenlebende waren auch in den Jahren 2020 bis 2022 deutlich seltener von Armut betroffen. Getrenntlebende, Ledige und Geschiedene trugen hingegen ein erhöhtes Armutsrisiko insbesondere in Ostdeutschland und den strukturschwachen Gebieten. Verheiratet Zusammenlebende wiesen in Ostdeutschland sowie den strukturschwachen Gebieten nur geringfügig höhere Armutsquoten auf – bei Verwitweten lagen die Armutsziffern hier jeweils sogar unter dem gesamtdeutschen Mittel.
Für Personen ohne beruflichen Abschluss mit Hauptschulabschluss oder mit sonstigem Bildungshintergrund erhöhten sich die Armutsrisiken im Zeitverlauf. Diese Personen wiesen in den Jahren 2020 bis 2022 in Deutschland insgesamt wie auch in Ostdeutschland oder den strukturschwachen Regionen jeweils eine weit überdurchschnittliche Betroffenheit von Armut auf. Die Armutsrisiken bei Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen lagen demgegenüber erwartungsgemäß deutlich unter dem gesamtdeutschen Mittel, ebenso in Ostdeutschland sowie den strukturschwachen Regionen.
Arbeitslose tragen nach wie vor ein sehr hohes Armutsrisiko. Sie waren in den Jahren 2020 bis 2022 mit 67 % in Gesamtdeutschland, 77 % in Ostdeutschland und 73 % in den strukturschwachen Gebieten die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Armutsbetroffenheit. Auch in anderen Erwerbsgruppen, wie den Teilzeiterwerbstätigen, den in Ausbildung Befindlichen sowie den Nichterwerbstätigen, partizipierten nicht alle in gleichem Umfang an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung. Die Differenzierung der Armutsrisiken nach der Erwerbsbeteiligung gilt in gleicher Weise für Ostdeutschland wie auch für die strukturschwachen Gebiete.
Innerhalb der beruflichen Statusgruppen fanden sich – abgesehen von den Auszubildenden sowie Volontärinnen und Volontären, die erwartungsgemäß erhöhten Armutsrisiken unterliegen – die höchsten Armutsquoten unter den un- und angelernten Arbeiterinnen und Arbeitern. Insbesondere in Ostdeutschland befanden sich un- und angelernte Arbeiterinnen und Arbeiter in erheblichem Ausmaß in prekären Lebenslagen. Bei einfachen Angestellten lag das Armutsrisiko über dem nationalen Durchschnitt. Im Vergleich dazu waren qualifizierte Angestellte oder auch Facharbeiterinnen und Facharbeiter sowie Meisterinnen und Meister seltener von Armut betroffen, gefolgt von Beamtinnen und Beamten sowie hoch qualifizierten und leitenden Angestellten, die unverändert ein sehr geringes Armutsrisiko trugen. Selbstständige wiesen insgesamt ein eher unterdurchschnittliches Armutsrisiko auf, mit allerdings etwas höheren Armutsquoten in Ostdeutschland sowie mittleren Risiken in strukturschwachen Gebieten.
Bei der Betrachtung nach Haushaltstypen zeigen sich im Zeitverlauf erhöhte Armutsquoten bei Einpersonenhaushalten und Mehrpersonenhaushalten ab fünf Personen sowie bei jüngeren Haushalten. In Ostdeutschland waren die Armutsquoten zudem bei den jüngeren Haushalten sowie in Haushalten beim Eintritt in den Ruhestand (Haushaltsvorstand 55 bis 74 Jahre) überdurchschnittlich hoch. In strukturschwachen Regionen zeigt sich ein deutliches Altersgefälle bei den Armutsrisiken zulasten der jüngeren Haushalte.
Ein-Eltern-Haushalte (Alleinerziehende) waren 2020 bis 2022 weit überdurchschnittlich von Armutsrisiken betroffen, Paarhaushalte ohne Kind demgegenüber unterdurchschnittlich. Die hohen Armutsrisiken von Alleinerziehenden haben sich gegenüber den Jahren 2015 bis 2019 verringert und unterscheiden sich in Ostdeutschland oder strukturschwachen Gebieten nur wenig vom gesamtdeutschen Mittel.
Ordnet man die unterschiedlichen Haushaltstypen nach dem Ablauf im Lebenszyklus, so fallen zuerst die vergleichsweise hohen Armutsquoten bei jungen Alleinlebenden ins Auge. In den Jahren 2015 bis 2019 war etwa ein Drittel aller jungen Einpersonenhaushalte von Einkommensarmut (34 %) betroffen. Dieser Anteil hat sich bis zu den Jahren 2020 bis 2022 auf knapp 29 % verringert. Noch höher lag der Anteil in Ostdeutschland (36 %) und in strukturschwachen Gebieten (33 %). Damit waren jüngere Alleinlebende nahezu ähnlich stark von Armut betroffen wie Alleinerziehende. Auch Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern waren überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen. Singlehaushalte im Alter von 55 bis 74 Jahren unterlagen ebenfalls einem erhöhten Armutsrisiko, das in den Jahren 2020 bis 2022 nochmals etwas gestiegen und vor allem in Ostdeutschland überdurchschnittlich ausgeprägt war. Ungeachtet der insgesamt noch weiterhin eher niedrigen Altersarmut gab es offenkundig unter den Älteren vermehrt Gruppen mit erhöhten Armutsrisiken. Die niedrigsten Armutsquoten hatten Paarhaushalte ohne Kind.