Die Zahl der Erwerbstätigen sagt zwar etwas darüber aus, wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt gearbeitet haben, aber noch nichts über den Umfang und die Stabilität der Erwerbstätigkeit. Der deutsche Arbeitsmarkt ist in den zurückliegenden Jahrzehnten heterogener geworden. Arbeitsverträge werden in geringerem Umfang auf Basis von Flächentarifverträgen geregelt. Teilzeitbeschäftigung und geringfügige Beschäftigung (Minijobs) haben zugenommen. Erwerbsformen, die Unternehmen mehr Flexibilität geben, wie befristete Beschäftigung oder Leiharbeit, haben an Bedeutung gewonnen.
Atypische Beschäftigungsverhältnisse bringen für die so Erwerbstätigen andere Bedingungen mit sich als ein klassisches Normalarbeitsverhältnis. Die traditionelle Vorstellung von einer Arbeitsstelle ist eine unbefristete abhängige Beschäftigung. Sie geht zudem von einer Vollzeittätigkeit aus, bei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unmittelbar bei oder direkt im Auftrag für einen Arbeitgeber arbeiten, und davon, dass ein Arbeitsvertrag zwischen beiden Parteien geschlossen wurde. In der Realität ist das auch nach wie vor der am häufigsten anzutreffende Fall. Dieses sogenannte Normalarbeitsverhältnis erhält seine Bedeutung durch seine ungebrochene Dominanz auf dem Arbeitsmarkt und der damit verbundenen Ausrichtung der Sozialsysteme auf diesen "Normalfall". Beschäftigungsformen, die der Sammelbegriff "atypische Beschäftigung" zusammenfasst, haben aber an Bedeutung gewonnen und prägen stärker als früher das Arbeitsleben vieler Erwerbstätiger.
Info 4Erwerbsformen
Um ein besseres Verständnis für die Rahmenbedingungen zu erlangen, unter denen die Menschen erwerbstätig sind, berichtet das Statistische Bundesamt zusätzlich über die Erwerbsformen, in denen sie arbeiten – also ob Erwerbstätige selbstständig sind, sich in einem Normalarbeitsverhältnis befinden oder in einer Form der atypischen Beschäftigung. Zu den atypisch Beschäftigten zählen befristet Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 20 Wochenstunden, geringfügig Beschäftigte (im Jahr 2023 bis zur Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro, sogenannte Minijobs) sowie Personen in Leiharbeit (Zeitarbeit). Ein Normalarbeitsverhältnis ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das in Vollzeit beziehungsweise Teilzeit mit über 20 Wochenstunden und unbefristet ausgeübt wird. Der oder die Beschäftigte arbeitet hierbei zudem direkt für das Unternehmen, mit dem er oder sie einen Arbeitsvertrag hat. Die statistische Betrachtung und die entsprechenden Ergebnisse beziehen sich auf Kernerwerbstätige, das heißt auf Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, soweit diese nicht in Bildung oder Ausbildung sind. Studierende, die neben dem Studium arbeiten, oder Menschen im Ruhestand zählen daher nicht hinzu. Diese Gruppe der Kernerwerbstätigen befindet sich in einem Lebensabschnitt, in dem Erwerbsarbeit in deutlich stärkerem Maße als Schwerpunkt der Lebensgestaltung gesehen wird als beispielsweise während der Ausbildung oder im Ruhestand. Sie gilt daher, vor allem im Rahmen der Berichterstattung zur atypischen Beschäftigung, als Bezugsgröße für die Berechnung von Quoten.
Selbstständige Tätigkeiten werden nicht arbeitsvertraglich geregelt und bringen allein dadurch vielfältige Arbeitsbedingungen mit sich. Einkommen, Arbeitsumfang und ob eine Geschäftsbasis längerfristig die Existenz sichern kann, variieren stark. Aus diesem Grund wird Selbstständigkeit gesondert von Normal- und atypischer Beschäftigung betrachtet. In den vergangenen Jahren haben sich im Zuge der Digitalisierung der Arbeitswelt auch neue Erwerbsformen gebildet, wie die sogenannte Plattform-Arbeit. Hierbei handelt es sich um – zum Teil auch sehr kleine – Tätigkeiten und Aufträge, die durch digitale Plattformen vermittelt werden. Entsprechend Erwerbstätige befinden sich häufig bei Auftraggebern in einem quasiabhängigen Beschäftigungsverhältnis, ohne die entsprechende arbeitsrechtliche Absicherung. Die Stellung von Uber-Fahrerinnen und -Fahrern – als Selbstständige oder abhängig Beschäftigte – ist vor diesem Hintergrund ein häufig diskutierter Fall. Erste empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Plattform-Arbeit zumindest bislang quantitativ eine eher geringe Bedeutung hat.
Von den 37,7 Millionen Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahren, die sich nicht in Bildung oder Ausbildung befanden (sogenannte Kernerwerbstätige, siehe Info 4), waren 2023 rund 27,7 Millionen Personen normalerwerbstätig und 6,9 Millionen atypisch beschäftigt. Damit befanden sich 18,2 % der Erwerbstätigen in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis, das mindestens eines der folgenden Merkmale aufwies: eine Befristung (2,4 Millionen Personen), eine Teilzeitbeschäftigung mit maximal 20 Wochenstunden (4,3 Millionen Personen), geringfügige Beschäftigung (1,7 Millionen Personen) oder Zeit- beziehungsweise Leiharbeit (890.000 Personen).
Eine Verschiebung der Anteile zwischen Normalbeschäftigung und atypischer Beschäftigung zeichnete sich bereits 1994 ab. Damals lag der Anteil atypisch Beschäftigter bei 14 %. Er stieg kontinuierlich an und lag zwischen 2006 und 2010 in etwa auf dem gleichen Niveau von rund 22 %. Seit 2011 ist eine leichte, aber kontinuierlich rückläufige Tendenz zu verzeichnen.
Personen mit einer geringeren beruflichen Qualifikation sind deutlich häufiger atypisch beschäftigt. Im Jahr 2023 waren 30,9 % der Kernerwerbstätigen ohne eine anerkannte Berufsausbildung atypisch beschäftigt. Solche mit einem (Fach-)Hochschulabschluss waren nur zu 13,5 % atypisch beschäftigt. Während hoch qualifizierte Erwerbstätige dabei am häufigsten wegen einer Befristung oder Teilzeit bis 20 Wochenstunden atypisch beschäftigt waren, waren Geringqualifizierte in allen Formen atypischer Beschäftigung überproportional häufig vertreten. Am häufigsten arbeiteten sie in einer Teilzeitbeschäftigung bis 20 Wochenstunden (18,2 %). In geringfügiger Beschäftigung arbeiteten 10,9 %, während dieser Anteil bezogen auf alle Kernerwerbstätigen bei 4,5 % lag.
Im Jahr 2023 waren von den Kernerwerbstätigen 3,0 Millionen selbstständig. Jeweils rund 1,5 Millionen von ihnen führten als Arbeitgeber ein Unternehmen mit Beschäftigten oder waren als sogenannte Solo-Selbstständige ohne Beschäftigte unternehmerisch tätig.
In den zurückliegenden knapp 30 Jahren stagnierte der Anteil der Selbstständigen mit Beschäftigten weitgehend. Zwischen 1993 und 2007 lag er etwas über 5 % und sank dann bis auf 4,1 % im Jahr 2023. Der Anteil der Solo-Selbstständigen war bis 2005 kontinuierlich gestiegen und lag dann bis 2012 ohne größere Veränderungen über 6 %. Seitdem ist aber auch der Anteil der Solo-Selbstständigen rückläufig und fiel bis 2023 auf 4,0 %. Zu dem vorübergehenden Anstieg der Selbstständigenzahlen trugen auch ihre Förderung durch die Arbeitsagenturen (Existenzgründungszuschüsse, "Ich-AG", Einstiegsgelder) bei. Im Jahr 2023 lag der Anteil an den Kernerwerbstätigen wieder auf dem Niveau von 1991.
Die beobachtbare Verschiebung von selbstständiger Arbeit und atypischer Beschäftigung hin zu Normalarbeitsverhältnissen könnte ein Hinweis darauf sein, dass Arbeitgeber wegen des sich abzeichnenden Fachkräftemangels bereits damit begonnen haben, Arbeitskräfte längerfristig an sich zu binden. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der substanziellen Teilzeit mit mehr als 20 Wochenarbeitsstunden, die zur Normalarbeit zählt, bemerkenswert. Ihr Anteil begann ab dem Jahr 2000 zu steigen, während er davor bei rund 5 % lag. Im Jahr 2023 wurde ein Anteil von 13,5 % erreicht.