Die Auswertungen des Adult Education Survey (AES) zeigen, dass Bildung im Erwachsenenalter in allererster Linie über Kurse, Lehrgänge und selbstgesteuertes Lernen stattfindet und kaum über formale Weiterbildungen, die zu Bildungszertifikaten führen. Im Jahr 2020 nahmen nur 7 % der 25- bis 64-Jährigen in Deutschland an formalem Lernen teil. Mehr als die Hälfte dieser Altersgruppe (59 %) besuchte im Jahr 2020 hingegen nonformale Kurse. Auch informelles Lernen war weitverbreitet. Im Jahr 2020 gaben zwei Drittel (68 %) der Befragten an, sich an informellen Lernaktivitäten beteiligt zu haben.
Teilnahme an Weiterbildung
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Sozialbericht: Kapitel 3.2.1
Im Zeitverlauf zeigt sich bei allen drei Lernformen von 2012 bis 2018 ein leichter Aufwärtstrend bei der Teilnahme – lebenslanges Lernen wurde also für immer mehr Menschen in Deutschland zur gelebten Praxis. Dieser Trend wurde allerdings durch die Coronapandemie ab dem Jahr 2020 unterbrochen. Besonders deutlich zeigte sich das beim nonformalen Lernen. Dieser Trend kann nicht mit dem AES abgebildet werden, da sich zwischen 2018 und 2020 der Erhebungsmodus änderte und die Daten nicht mit der vorangegangenen Zeitreihe vergleichbar sind. Daher wird hier auf Zeitreihen aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) zurückgegriffen. Diese haben den Vorteil, dass über die Zeit die gleichen Personen auf die gleiche Art und Weise befragt wurden.
Die Zahlen des NEPS fallen im Vergleich zum AES niedriger aus, da Weiterbildung in beiden Studien nicht identisch definiert wurde. Der Einfluss der Pandemie ist hier aber deutlich sichtbar: Die Teilnahme an nonformalen Kursen verringerte sich von 2019 auf 2020 um 10 Prozentpunkte. Hier zeigt sich deutlich, dass diese Lernform wegen der Kontaktbeschränkungen für einen Teil der Befragten nicht mehr möglich war. Auch im Jahr 2021 erholte sich die Teilnahmequote kaum. Teilnahmen an informellen Angeboten änderten sich hingegen weniger, da Präsenzformate bei dieser Lernform eine geringere Rolle spielen.
Wie ungleich ist die Weiterbildungsteilnahme in der Bevölkerung verteilt? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Aufgrund der hohen zahlenmäßigen Verbreitung von nonformalem Lernen werden vorrangig die Ergebnisse für diese Form der Weiterbildung dargestellt. Um eine vergleichbare Operationalisierung über die Jahre zu gewährleisten, werden die Daten des AES herangezogen. Durch Abweichungen im Erhebungsmodus kann das Niveau der Teilnahme allerdings nicht mit den Vorwellen verglichen werden. Es können nur Trends in den relativen Verteilungen zwischen den Gruppen über die Jahre interpretiert werden.
Deutliche Unterschiede gab es 2020 wie auch schon in den Vorjahren im Ausmaß der Beteiligung zwischen verschiedenen Erwerbsgruppen: Mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen (67 %) nahm mindestens einmal im Jahr an einem Kurs oder Lehrgang teil. Demgegenüber nahmen bei Nichterwerbspersonen, also Personen, die nicht arbeiten und nicht aktiv Arbeit suchen (beispielsweise Hausfrauen oder Hausmänner), mit 30 % nur etwa halb so viele Menschen an nonformaler Weiterbildung teil. Auch Arbeitslose wiesen 2020 deutlich geringere Teilnahmequoten auf als Erwerbstätige. Ein Grund für die Unterschiede zwischen Erwerbstätigen und den anderen beiden Gruppen ist, dass Kurse und Lehrgänge häufig über den Arbeitgeber angeboten werden (siehe
Ähnlich deutlich sind die Unterschiede mit Bezug auf den höchsten beruflichen Abschluss. Während 77 % der Personen mit Hochschulabschluss 2020 in den vergangenen zwölf Monaten an Kursen oder Lehrgängen teilgenommen hatten, waren es bei jenen ohne Berufsabschluss 47 %. Der große Abstand zwischen der höchsten und der niedrigsten Bildungsgruppe ist dabei über die Jahre relativ konstant geblieben. Dementsprechend nehmen auch Menschen ohne Berufsabschluss immer häufiger an Weiterbildung teil, holen aber nicht zu den Höhergebildeten auf.
Die höhere Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen kommt hauptsächlich durch den ausgeübten Beruf zustande, wie weitergehende Analysen der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigen. In Berufen, die einen hohen Bildungsabschluss voraussetzen, werden in der Regel Tätigkeiten ausgeübt, die ein häufiges Dazulernen erfordern, zum Beispiel die Arbeit mit Computern. Zeichnen sich Berufe hingegen durch sich wiederholende Tätigkeiten (sogenannte Routinetätigkeiten) aus, findet besonders selten Weiterbildung statt, da für die Ausübung dieser Tätigkeiten kaum neues Wissen nötig ist. Dieser Zusammenhang wiegt besonders schwer, da viele dieser Routineberufe zukünftig potenziell von Maschinen ausgeführt werden könnten. Beschäftigte mit Routinetätigkeiten sind also einem wachsenden Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt und haben gleichzeitig wenig Möglichkeiten dazuzulernen, um sich beruflich weiterzuentwickeln oder zu verändern.
Die früher häufig gefundenen und diskutierten Unterschiede im Weiterbildungsverhalten zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sind größtenteils verschwunden. Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation (selbst nach Deutschland migriert) nahmen 2020 in Deutschland im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund etwas seltener an nonformaler Weiterbildung teil. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass diese Menschen häufiger einen geringeren Bildungsabschluss und damit weniger Zugang zu Weiterbildung haben. Bei der zweiten Generation (Eltern nach Deutschland migriert) war die Quote im Jahr 2020 hingegen etwa auf dem gleichen Niveau wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Damit bestätigen die aktuellen Zahlen den Trend einer Annährung der Weiterbildungsbeteiligung dieser Gruppen, der schon seit längerer Zeit zu beobachten ist.
Unterschiede im Weiterbildungsverhalten zwischen Männern und Frauen waren 2020 nicht zu erkennen. Nachdem Männer 2018 noch ein etwas höheres Weiterbildungsniveau aufwiesen, setzte sich 2020 der schon vorher sichtbare Trend einer Angleichung des Weiterbildungsverhaltens zwischen den Geschlechtern fort. Auch bezüglich der Unterschiede zwischen Ost und West war 2020 im Vergleich zum Jahr 2018 wieder eine Angleichung zu beobachten. Mit 60 % im Westen lag die Weiterbildungsteilnahme 2020 nur noch um 2 Prozentpunkte höher als im Osten (58 %).
Der Vergleich der Weiterbildungsbeteiligung bei verschiedenen Altersgruppen zeigt in der Tendenz weniger große Unterschiede als zuvor. Am häufigsten nahmen Menschen in der frühen Lebensphase zwischen 25 und 34 Jahren an Weiterbildung teil (65 %). Mit zunehmendem Alter nimmt die Teilnahme ab. Bei Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren lag die Weiterbildungsbeteiligung deutlich niedriger (51 %). Ein Grund hierfür ist das Näherrücken des Erwerbsendes. In der Folge gibt es für diese Personen seltener die Chance und Notwendigkeit, sich weiterzubilden. Nachdem die Älteren bis 2016 kontinuierlich gegenüber den Jüngeren aufgeholt hatten, stagnierte der Abstand in der Weiterbildungsbeteiligung in den Jahren danach und wurde 2020 sogar wieder leicht größer.
Die Idee des lebenslangen Lernens legt eine regelmäßige, wiederkehrende Weiterbildungsteilnahme über längere Zeiträume nahe. Die Längsschnittbetrachtung des NEPS zeigt, dass eine solche regelmäßige Weiterbildungsteilnahme deutlich seltener vorkommt, als es die jährlichen Weiterbildungsquoten vermuten lassen. Zwischen 2009 und 2021 nahmen demnach etwa 16 % der Befragten nie an einem Kurs oder Lehrgang teil. Das heißt, dass ein Sechstel der erwachsenen Bevölkerung aus den Geburtskohorten 1944 bis 1986 dauerhaft nicht an nonformaler Weiterbildung teilgenommen hat. Dies betrifft vor allem Geringqualifizierte und tendenziell eher Männer als Frauen. Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, im aktuell stattfindenden Wandel der Arbeitswelt diese Personengruppe nicht gänzlich abzuhängen. Etwa 84 % der Erwachsenen nahmen in den 13 Jahren zwischen 2009 und 2021 mindestens in einem Jahr an Weiterbildung teil. Allerdings bildeten sich die meisten (55 %) maximal in einem bis fünf von 13 Jahren weiter. Deutlich weniger (29 %) nahmen in mehr als fünf Jahren oder häufiger und somit zumindest etwa jedes zweite Jahr an einer Weiterbildung teil. Eine kontinuierliche Teilnahme in jedem Jahr wies nur knapp 1 % auf.
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