Für viele Menschen in Deutschland und Europa werden der Alltag und das Berufsleben zunehmend komplex. Die sich rasant entwickelnde Digitalisierung, die weiter voranschreitende Internationalisierung und der Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft machen die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben anspruchsvoller. Das einst erlernte Wissen reicht in vielen Bereichen nicht mehr aus, um mit den gestiegenen Anforderungen Schritt halten zu können. Der Schlüssel für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe liegt in einer kontinuierlichen Weiterbildung. Doch haben nicht alle Menschen in Deutschland gleichen Zugang zu Weiterbildung. In diesem Kapitel werden aktuelle Daten zur Teilnahme an Weiterbildung, zu den Motiven dahinter und zu den Anbietern vorgestellt. Bevor auf die einzelnen Entwicklungen eingegangen wird, gilt es zunächst zu klären, was überhaupt unter Weiterbildung verstanden wird.
Die in der Forschung verwendete Definition von Weiterbildung ist weiter gefasst als das, was in Deutschland zumeist im Alltag darunter verstanden wird. Weiterbildung besteht aus einer Vielfalt von Lerngelegenheiten im Erwachsenenalter nach der Beendigung der Erstausbildung und wird in drei verschiedene Aktivitäten kategorisiert: Formales Lernen bezeichnet Lernaktivitäten im Rahmen des üblichen Bildungssystems, an deren Ende eine formale Qualifikation steht, etwa ein Schul- oder Berufsabschluss oder ein Meister- oder Technikerabschluss. Nonformales Lernen findet außerhalb von Schulen und Hochschulen statt. Es gibt dabei aber eine klar strukturierte Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Beispiele sind Kurse und Lehrgänge, Schulungen, Seminare oder auch Privatunterricht. Falls es ein Zertifikat für die Teilnahme gibt, ist dies kein allgemein anerkannter Bildungsabschluss. Informelles Lernen schließlich umfasst alle absichtsvollen Lernaktivitäten, bei denen es keine klare Lehrenden-Lernenden-Beziehung und keine klare Kursstruktur gibt, etwa beim Lesen von Fachbüchern, beim Austausch mit Kolleginnen und Kollegen oder bei der Nutzung von Lernprogrammen. Bei dieser Lernform erfolgt die Aneignung des Wissens also selbstgesteuert.
Die Bildungsbeteiligung von Erwachsenen findet in sehr unterschiedlichen Kontexten statt, unter anderem in Betrieben, in Meisterschulen, Hochschulen, Volkshochschulen oder bei privaten Weiterbildungsanbietern. Die Erfassung von Weiterbildungsaktivitäten kann daher – anders als bei der Erstausbildung – nicht über Bildungsstatistiken von Schulen oder Hochschulen erfolgen. Üblicherweise werden in Bevölkerungsumfragen die Menschen direkt danach gefragt, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten an formalem, nonformalem oder informellem Lernen teilgenommen haben. Für Deutschland gibt es zwei wichtige Datenquellen hierfür: den Adult Education Survey (AES) und das Nationale Bildungspanel (NEPS).
Info 1Datenquellen für die Weiterbildungsforschung
Der Adult Education Survey (AES) ist eine repräsentative Querschnittsbefragung im zweijährigen Rhythmus. Darin wird eine Stichprobe der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland zu deren Lernaktivitäten in den vergangenen zwölf Monaten befragt. Außerdem beinhaltet die Befragung soziodemografische Daten und weitere Themen, die das Lernverhalten von Erwachsenen und ihre Lernumwelten beschreiben. In Deutschland gibt es inzwischen sieben AES-Erhebungen (2007, 2010, 2012, 2014, 2016, 2018 und 2020). Die Daten von 2020 sind wegen einer Änderung im Erhebungsmodus nicht direkt mit den vorherigen Wellen vergleichbar. Neben den deutschen Daten gibt es für die Jahre 2007, 2011 und 2016 vergleichbare AES-Erhebungen in zuletzt 35 EU- und Nicht-EU-Ländern. Die deutschen Mikrodaten sind über das GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften verfügbar, die europäischen Mikrodaten sowie deskriptive Statistiken über das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat).
Das Nationale Bildungspanel (NEPS) ist eine Längsschnittstudie, die Bildungsprozesse und Kompetenzen über die gesamte Lebensspanne erhebt. Zu diesem Zweck wurden repräsentative Stichproben aus verschiedenen Geburtskohorten gezogen und jedes Jahr im Rahmen von Panelstudien wieder befragt. In diesem Kapitel werden Daten der Startkohorte 6 (Erwachsene), Scientific Use File 14.0.0 des Nationalen Bildungspanels genutzt (vgl. dazu Hans-Peter Blossfeld/ Hans-Günther Roßbach [Hrsg.], Education as a lifelong process: The German National Educational Panel Study [NEPS]. Edition ZfE, Wiesbaden, 2. Aufl. 2019; NEPS-Netzwerk, Nationales Bildungspanel, Scientific Use File der Startkohorte Erwachsene. Leibniz-Institut für Bildungsverläufe [LIfBi], Bamberg 2023, Externer Link: https://doi.org/10.5157/NEPS:SC6:14.0.0). Das NEPS wird vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi, Bamberg) in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk durchgeführt. Die Befragten kommen aus den Jahrgängen 1944 bis 1986. Seit 2009 wurden die Erwachsenen in dieser Startkohorte jährlich bis zu ihrem 75. Lebensjahr zu ihrem Lernverhalten und weiteren Themen befragt. Somit waren die Befragten in der neuesten vorliegenden Welle im Jahr 2021 zwischen 35 und 75 Jahre alt. Die Mikrodaten sind über das Forschungsdatenzentrum des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) verfügbar.