Kinderlosigkeit gehörte schon immer zum Leben einer Gesellschaft dazu, da nicht alle Frauen – gewollt oder ungewollt – Mutter wurden. In den zwei vergangenen Jahrzehnten ist jedoch das Thema Kinderlosigkeit stärker in den Fokus gerückt, weil immer mehr Menschen aufgrund ihrer Lebensumstände oder bewusster Entscheidung kinderlos geblieben sind. Um für Paare mit Kinderwunsch bessere Voraussetzungen zu schaffen, wurden seit 2007 zusätzliche familienpolitische Maßnahmen eingeführt. Das Elterngeld und ElterngeldPlus reduzieren die sogenannten Opportunitätskosten, also den Einkommensverlust der Eltern aufgrund von Unterbrechung der Erwerbstätigkeit. Durch den Ausbau der Kleinkinderbetreuung ermöglicht der Staat den Eltern, berufliche und familiäre Pflichten besser zu vereinbaren. In Kombination mit einer guten wirtschaftlichen Lage und einer günstigen Arbeitsmarktentwicklung haben diese Maßnahmen die Rahmenbedingungen für werdende Eltern deutlich verbessert. Nach wie vor gibt es aber viele Gründe für potenzielle Eltern, ihre Kinderwünsche auf einen späteren Zeitpunkt im Leben zu verschieben. Dazu gehören lange Ausbildungszeiten, die Suche nach einem sicheren Arbeitsplatz, nach einer verlässlichen Partnerschaft und – in den vergangenen Jahren – gestiegene Verunsicherung unter anderem durch die Coronapandemie, den Krieg in der Ukraine und die gestiegene Inflation. Durch das Verschieben der Familiengründung verengt sich vor allem für Frauen das biologische Fenster, in dem sie ihr eigenes Kind gebären können, und die Erfüllung des Kinderwunschs hängt zunehmend von biomedizinischen Voraussetzungen ab.
Die Datengrundlage für die Messung der Kinderlosigkeit von Frauen bietet seit 2008 der Mikrozensus. Die Angaben zur Zahl der geborenen Kinder werden im Mikrozensus alle vier Jahre erfragt. Die letzten aktuellen Ergebnisse beruhen auf dem Mikrozensus 2022.
Die Kinderlosigkeit wird anhand der sogenannten Kinderlosenquote gemessen, das heißt des Anteils der Frauen, die kein Kind geboren haben, an allen Frauen des jeweiligen Geburtsjahrgangs. Adoptiv- oder Pflegekinder werden dabei nicht berücksichtigt. In Bezug auf die Frauenjahrgänge im fertilen Alter (hier: von 15 bis 49 Jahren) spricht man von temporärer Kinderlosenquote. Statistisch gesehen verändert sich jedoch die Kinderlosenquote bereits nach dem Alter von 42 Jahren nur noch geringfügig und kann deshalb ab dem Alter von 45 Jahren als endgültig betrachtet werden.
Langjähriger Trend
Zwischen den Jahrgängen 1947 und 1968 ist die endgültige Kinderlosenquote fast kontinuierlich von 14 auf 22 % gestiegen. Bei den Frauen der Jahrgänge 1968 und 1969 wurde mit 22 % bisher die höchste Kinderlosenquote der Nachkriegszeit gemessen. Anschließend nahm aber die Kinderlosigkeit in den frühen 1970er-Jahrgängen auf 19 bis 21 % ab. Die durchschnittliche Kinderlosenquote liegt für die Jahrgänge 1968 bis 1972 bei 21 % und für die Jahrgänge 1973 bis 1977 bei 20 %.
Die Anteile der (noch) kinderlosen Frauen an allen Frauen der jüngeren Jahrgänge, die noch im gebärfähigen Alter sind, zeigen außerdem, dass voraussichtlich auch in den nächsten Jahren mit einem relativ stabilen Niveau der endgültigen Kinderlosigkeit zu rechnen ist.
Regionale Unterschiede
Die Kinderlosenquote am Ende der fertilen Phase hat sich in den vergangenen Jahren sowohl in West- als auch in Ostdeutschland tendenziell stabilisiert, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. In Westdeutschland (früheres Bundesgebiet ohne Berlin-West) war im Jahr 2022 die Kinderlosenquote bei den 45- bis 49-Jährigen mit 20 % sogar geringfügig niedriger als im Jahr 2012 (21 %). In den ostdeutschen Flächenländern war sie mit 15 % gleich hoch wie im Jahr 2018 und um 4 Prozentpunkte höher als vor zehn Jahren (2012: 11 %).
Beim Vergleich der Bundesländer reichte die Kinderlosenquote bei den 45- bis 54-jährigen Frauen von 12 % in Thüringen bis 29 % in Hamburg. In Berlin war sie mit 24 % am zweithöchsten.
Unterschiede nach Bildungsstand
Frauen mit akademischem Bildungsabschluss sind häufiger kinderlos als Nichtakademikerinnen. Besonders hoch war die endgültige Kinderlosenquote mit 26 bis 27 % bei den zwischen 1958 und 1972 geborenen Akademikerinnen. Bei den Frauen der Jahrgänge 1973 bis 1977, die 2022 im Alter von 45 bis 49 Jahren waren, war sie mit 23 % bereits niedriger und näher an der Kinderlosenquote der gleichaltrigen Nichtakademikerinnen (19 %).
Bei den jüngeren, nach 1982 geborenen Frauen war im Jahr 2022 das Kinderlosigkeitsniveau zwischen den Akademikerinnen und Nichtakademikerinnen noch sehr unterschiedlich. Dies liegt vor allem daran, dass die Akademikerinnen durchschnittlich später ihr erstes Kind bekommen als die Nichtakademikerinnen. Ihre temporäre Kinderlosigkeit bis zum Alter von 40 Jahren ist deshalb höher. Ob dies zugleich ein möglicher Hinweis auf eine wieder steigende Kinderlosigkeit bei den Akademikerinnen der jüngeren Jahrgänge ist, bleibt abzuwarten.
Unterschiede nach Geburtsland der Frauen
Der Mikrozensus erlaubt eine Differenzierung nach Geburtsland der Frau und nach Zuzugsjahr nach Deutschland. Die Merkmale "Geburtsland" und "Zuzugsjahr der Frau nach Deutschland" wurden miteinander in zwei Kategorien kombiniert: zum einen in Deutschland geborene oder als junges Mädchen im Alter unter 15 Jahren zugewanderte Frauen (in Deutschland aufgewachsen) und zum anderen im Ausland geborene und im Alter ab 15 Jahren nach Deutschland zugewanderte Frauen (Zuwanderinnen). Der Bildungsstand wird hier nach den drei Kategorien der "International Standard Classification of Education" (ISCED 2011) abgebildet (siehe Interner Link: Info 2).
Die in Deutschland aufgewachsenen Frauen der Jahrgänge 1973 bis 1977, die 2022 im Alter von 45 bis 49 Jahren waren, waren mit einer Quote von 22 % insgesamt viel häufiger kinderlos als die Zuwanderinnen mit 12 %. Innerhalb der beiden Gruppen bestehen jedoch deutliche Unterschiede nach Bildungsstand. Bei den in Deutschland aufgewachsenen Frauen variierte die Kinderlosenquote zwischen 25 % bei Frauen mit hohem Bildungsstand und 16 % bei Frauen mit niedrigem Bildungsstand. Bei den Zuwanderinnen war die Spanne mit 10 Prozentpunkten sogar größer, bewegte sich aber auf deutlich niedrigerem Niveau: zwischen 17 % bei Frauen mit hohem Bildungsstand und 8 % bei Frauen mit niedrigem Bildungsstand.