Die regionale Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ist maßgeblich durch Wanderungen zwischen ländlichen, städtischen und suburbanen Gebieten beeinflusst. Zur Abgrenzung verschiedener Raumtypen wird im Folgenden die Raumklassifikation (Kreisgebietsstand 2021) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) verwendet. Anhand dieser Klassifikation kann jeder der 400 deutschen Kreise einer von vier Kategorien zugeordnet werden: kreisfreie Großstadt, städtischer Kreis, ländlicher Kreise mit Verdichtungsansätzen sowie dünn besiedelter ländlicher Kreis. Abbildung 2 zeigt die Nettowanderungsraten für verschiedene Raumtypen über den Zeitraum 1991 bis 2021.
Stadt-Land-Wanderungen
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Sozialbericht: Kapitel 1.3.3 und 1.3.4
Zunächst fällt auf, dass sich die Wanderungsmuster in den vergangenen drei Jahrzehnten mehrfach gewandelt haben. Unmittelbar nach der deutschen Vereinigung setzte eine Phase der Suburbanisierung ein, in der vor allem die ländlichen Kreise Bevölkerungsgewinne aufwiesen. Die kreisfreien Großstädte hingegen verzeichneten im Zeitraum 1991 bis 1999 Wanderungsverluste. In den Jahren 2000 bis 2004 war die Wanderungsbilanz zwischen städtischen und ländlichen Räumen weitgehend ausgeglichen. Ab dem Jahr 2005 sind Wanderungsgewinne für die kreisfreien Großstädte und eine Phase der Urbanisierung (Verstädterung) zu beobachten, die bis etwa ins Jahr 2011 andauerte. Auf dem Höhepunkt dieser Urbanisierungsphase lag der Wanderungsgewinn bei rund 0,4 Personen je 100 Einwohnerinnen und Einwohner. Für eine Großstadt mit 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bedeutet dies einen Bevölkerungsgewinn durch Binnenwanderung von durchschnittlich 2.000 Personen im Jahr. Die ländlichen Kreise verzeichneten im Zeitraum 2005 bis 2011 hingegen Bevölkerungsverluste von rund – 0,25 %.
Ab dem Jahr 2011 begann eine erneute Trendumkehr und seit 2014 verzeichnen die kreisfreien Großstädte wieder Wanderungsverluste gegenüber den ländlichen Kreisen. In den beiden ersten Jahren der Coronapandemie, 2020 und 2021, hat sich dieser Trend der Wanderungsverluste für Städte und Wanderungsgewinne für stärker ländliche Kreise noch einmal intensiviert. Betrugen die Wanderungsverluste der Städte 2019 im Durchschnitt – 0,3 %, waren es in den Jahren 2020 und 2021 rund – 0,5 %, sodass die größten Städte in diesen Jahren so viel Bevölkerung durch Binnenwanderung verloren haben wie zuletzt Mitte der 1990er-Jahre. Gründe hierfür waren die teils ausbleibenden Wanderungen junger Menschen in die Städte und die verstärkte Abwanderung von Familien aus den Großstädten. Die zuletzt deutlichen Gewinne für die ländlichen Kreise erklären sich auch aus den vermehrten Umzügen ins Umland der größten Städte, das teilweise als ländlich klassifiziert wird, wie etwa an Berlin deutlich wird.
Die Wanderungsmuster für verschiedene Raumtypen variieren stark mit dem Lebensalter. Gerade junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren ziehen besonders häufig, etwa für eine Ausbildung, ein Studium oder den Berufseinstieg, von ländlichen in städtische Regionen. Zu einem etwas geringeren Grad galt dies 2021 für die 25- bis 29-Jährigen, wobei für diese Bevölkerungsgruppe derzeit kein eindeutiger Trend zu verzeichnen ist. Die sogenannten Familienwanderer (unter 18-Jährige und 30- bis 49-Jährige) zog es dagegen häufiger in kleinere städtische Kreise oder ländliche Gebiete. Diese Entwicklung war ebenso bei den über 50-Jährigen zu beobachten.
Zusammenfassung
Binnenwanderung ist im Kontext niedriger Geburtenraten und einer relativ stabilen, hohen Lebenserwartung in Deutschland von grundlegender Bedeutung für die regionale Bevölkerungsentwicklung und deren Altersstruktur. Bezogen auf die Umzüge zwischen ländlichen und städtischen Kreisen findet, nach einer gut zehnjährigen Phase der verstärkten Wanderung in die Städte, seit 2014 wieder eine Wanderung in Umlandregionen statt. Diese neue Phase der Suburbanisierung hat sich in den beiden ersten Jahren der Coronapandemie, 2020 und 2021, noch einmal verstärkt. Trotz aktuell negativer Binnenwanderungssalden ist die Bevölkerung in den Großstädten jedoch aufgrund internationaler Zuwanderung und mehr Geburten als Sterbefällen im Zeitraum von 2012 bis 2021 (mit Ausnahme von Oberhausen) insgesamt gewachsen.
Insbesondere die Kreise im Umland der größten Städte, aber auch andere städtische Kreise sowie ländliche Kreise, die in den Vorjahren schrumpften, haben im Jahr 2021 durch Binnenwanderung an Bevölkerung gewonnen.
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