Die Wanderungsstatistik weist die räumliche Mobilität der Bevölkerung nach und ermöglicht Aussagen über die Zahl und Struktur der Zu- und Fortzüge über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (Außenwanderungen) sowie der Umzüge innerhalb Deutschlands (Binnenwanderungen). Gleichzeitig ist die Wanderungsstatistik neben den natürlichen Bevölkerungsbewegungen (Geburten und Sterbefälle) eine Komponente im Bilanzierungsverfahren der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung. Die Ergebnisse fließen in die Fortschreibung des Bevölkerungsstands am Ort der Hauptwohnung ein.
Info 5Wanderungsstatistik
Die Wanderungsstatistik erfasst alle Zu- und Fortzüge, die die Meldebehörden im Zuge der An- und Abmeldeverfahren registrieren und den statistischen Ämtern übermitteln. Berücksichtigt werden dabei die Wechsel der Haupt- beziehungsweise alleinigen Wohnung über die Gemeindegrenzen. Umzüge innerhalb von Gemeinden werden in der Wanderungsstatistik nicht erfasst. Der Wanderungssaldo ergibt sich aus der Differenz der Zu- und Fortzüge. Das Wanderungsvolumen bezeichnet die Summe aus der Binnen- und Außenwanderung. Zuzüge "von unbekannt" und Fortzüge "nach unbekannt" zählen dabei zur Außenwanderung.
Die Wanderungsstatistik weist Wanderungsfälle nach, also die Zu- oder Fortzüge über die Gemeindegrenzen, nicht die wandernden Personen. Die Zahl der Wanderungsfälle in einem Jahr ist in der Regel etwas größer als die Zahl der wandernden Personen, da eine Person in einem Jahr mehrmals zu- und fortziehen kann. Durch die Binnenwanderung ändert sich nur die regionale Verteilung der Bevölkerung, durch die Außenwanderung die Einwohnerzahl Deutschlands.
Binnenwanderung
Die Gründe für Wanderungen innerhalb Deutschlands sind vielfältig und variieren stark nach der jeweiligen Lebenssituation der Wandernden. So zeigt sich beispielsweise eine hohe Mobilität bei Personen, die eine neue Arbeits- oder Ausbildungsstelle annehmen. Bei Ausländerinnen und Ausländern können neben anderen Gründen soziale Verflechtungen eine Rolle spielen, sodass sie bevorzugt dort hinziehen, wo bereits Menschen gleicher Herkunft leben. Darüber hinaus gibt es Verteilungsquoten für Personen, die als Spätaussiedlerinnen und -aussiedler oder als Schutzsuchende aufgenommen werden.
Im Jahr 2022 registrierten die Meldebehörden 4 Millionen Wanderungen über die Gemeindegrenzen innerhalb Deutschlands. In den meisten Fällen blieben die Personen in ihrem Bundesland; nur etwa 26 % aller Binnenwanderungen (rund 1,1 Millionen Umzüge) fanden zwischen Bundesländern statt. Dabei verzeichneten Brandenburg und Schleswig-Holstein im Jahr 2022 die größten Wanderungsgewinne mit Wanderungssalden von 14.300 Personen (Brandenburg) und 9.200 Personen (Schleswig-Holstein). Diese hohen Zuwanderungsüberschüsse sind insbesondere auf Zuzüge von Deutschen zurückzuführen. So betrug der Wanderungsüberschuss für Zuzüge von Deutschen aus anderen Bundesländern nach Brandenburg 15.800 Personen und nach Schleswig-Holstein 9.800 Personen. Nordrhein-Westfalen war 2022 bei Umzügen zwischen den Bundesländern das beliebteste Zielland für Ausländerinnen und Ausländer mit einem Wanderungssaldo von 9.300 ausländischen Personen.
Die höchsten Abwanderungsverluste bei Umzügen zwischen den Bundesländern wiesen Berlin (Saldo: – 11.400 Personen) und Baden-Württemberg (– 10.100 Personen) auf. Allerdings gibt es auch hier unterschiedliche Muster für deutsche und ausländische Personen: Der Wanderungsverlust war für Deutsche am höchsten in Nordrhein-Westfalen (– 13.600 Personen), gefolgt von Berlin (– 12.800 Personen) und für ausländische Personen in Niedersachsen (– 5.700 Personen).
Aus historischem Anlass kommt den Wanderungsströmen zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern und Berlin-Ost eine besondere Bedeutung zu. Zwischen 1989 und 1991 war eine hohe Abwanderung von Ost nach West festzustellen. In den Folgejahren bis 1996 war die Entwicklung der Wanderungen zwischen dem früheren Bundesgebiet und den ostdeutschen Ländern gegenläufig: Die Zuzüge aus den neuen Ländern verringerten sich, die Wanderungen nach Osten stiegen an, sodass der Wanderungssaldo 1997 nur noch 28.200 Personen betrug. Ab 1998 begann eine neue Wanderungswelle von Ost nach West (Saldo 2001: 97.600 Personen), die nach 2001 langsam zurückging. Bis einschließlich 2016 überstiegen die Fortzüge nach Westen die Zuzüge nach Osten (Abwanderungsüberschuss 2016: 14.900 Personen). In den vergangenen Jahren ist jedoch bei innerdeutschen Umzügen eine Veränderung zu beobachten. So ziehen seit 2017 durchgängig mehr Menschen von Westdeutschland in die ostdeutschen Länder als umgekehrt – und zwar überwiegend Personen im Erwerbsalter. Im Jahr 2022 waren von insgesamt 90.600 aus dem Westen in den Osten Zugezogenen 77 % zwischen 18 und 64 Jahre alt, 33 % waren zwischen 18 und 29 Jahre alt.
Außenwanderung
Unter Außenwanderung werden alle Wanderungen über die Außengrenzen Deutschlands hinweg subsummiert. Motive für die Immigration nach beziehungsweise für die Emigration aus Deutschland sind wie bei der Binnenwanderung vielfältig und von vielen Faktoren beeinflusst. Neben persönlichen und wirtschaftlichen Gründen, die sich beispielsweise in der gezielten Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland zeigt, sind bei der Zuwanderung aus dem Ausland auch Vertreibung und Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten zu nennen. Der globale Klimawandel mit seinen regional sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf die dortigen Lebensbedingungen wird zukünftig ein immer stärkerer Anlass für die Abwanderung aus der Heimatregion vieler Menschen werden.
Von 1950 bis zum Mauerbau am 13. August 1961 wurden rund 2,6 Millionen Menschen aus der DDR als Übersiedlerinnen und Übersiedler in der Bundesrepublik aufgenommen. Ferner kamen seit 1950 rund 4,6 Millionen (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler in das frühere Bundesgebiet beziehungsweise seit 1990 nach Deutschland (siehe auch Kapitel 1.2, Seite 30). Im Jahr 1990 wurde mit rund 397.000 Personen die mit Abstand höchste Zahl von Aussiedlerinnen und Aussiedlern aufgenommen. Danach gingen die Zahlen zurück auf seit 2006 jährlich weniger als 10.000 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, wie die ab dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogenen Aussiedlerinnen und Aussiedler genannt werden.
Durch die Zuwanderung aus den früheren deutschen Gebieten im Osten, der ehemaligen DDR sowie von Aussiedlerinnen und Aussiedlern gab es für die Bundesrepublik Deutschland seit Gründung bis Anfang des neuen Jahrtausends einen Zuwanderungsgewinn von Deutschen. Seit 2005 werden allerdings Wanderungsverluste beobachtet: Es wandern also mehr Deutsche ins Ausland ab, als Deutsche nach Deutschland (zurück-)ziehen. Zeitgleich zur nachlassenden Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern erhöhte sich die Zahl der Fortzüge deutscher Personen ins Ausland. So gab es in den 1990er-Jahren noch rund 110.000 Fortzüge von Deutschen pro Jahr, im Jahr 2008 etwa 17.000 Fortzüge. Allerdings verminderte sich die Abwanderung – wahrscheinlich infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise – ab 2009 (155.000 Fortzüge) wieder und blieb bis 2015 mit jährlich 130.000 bis 150.000 Fortzügen annähernd konstant. Demgegenüber standen Zuzüge aus dem Ausland in der Größenordnung von 115.000 bis knapp über 120.000 Deutschen zwischen 2009 und 2015. Seit dem Jahr 2016 werden die Zu- und Fortzüge deutscher Personen, deren bisheriger oder neuer Wohnort nicht bekannt ist, in der Wanderungsstatistik zusätzlich berücksichtigt.
Info 6Methodische Hinweise zu den Ergebnissen der Wanderungsstatistik seit 2016
Die Ergebnisse der Wanderungsstatistik seit Berichtsjahr 2016 sind aufgrund methodischer Änderungen, technischer Weiterentwicklungen der Datenlieferungen aus dem Meldewesen an die Statistik sowie der Umstellung auf ein neues statistisches Aufbereitungsverfahren nur bedingt mit den Vorjahreswerten vergleichbar. Insbesondere werden seit dem 1. Januar 2016 Zu- und Fortzüge von Deutschen von beziehungsweise nach "unbekannt/ohne Angabe" in der Wanderungsstatistik unter der Außenwanderung verbucht. Zuvor blieben sie weitgehend unberücksichtigt. Daher werden Meldungen von Personen, die zuvor "nach unbekannt" abgemeldet waren und sich wieder anmelden, statistisch nur dann als Zuzug "von unbekannt" verarbeitet, wenn die vorherige Abmeldung "nach unbekannt" in der Statistik berücksichtigt wurde (das heißt seit 2016 stattfand). Da im Gegenzug alle Abmeldungen von Deutschen "nach unbekannt" ohne Einschränkung berücksichtigt wurden, wird eine zu niedrige Zahl von Anmeldungen "von unbekannt" im Verhältnis zu den Abmeldungen "nach unbekannt" und somit eine erhöhte Nettoabwanderung von deutschen Personen nachgewiesen. Dieser methodisch unvermeidbare Effekt trifft insbesondere auf die Ergebnisse 2016 zu und dürfte bis etwa 2019 wirksam sein. Die sonstigen Ergebnisse zur Außenwanderung von Deutschen nach Herkunfts-/Zielländern sind von dieser methodischen Änderung nicht betroffen.
Die Themenseite "Wanderungen" auf Externer Link: www.destatis.de bietet ausführliche methodische Erläuterungen.
Im Jahr 2016 wurden daher rund 146.000 Zuzüge und 281.000 Fortzüge von Deutschen verzeichnet. Rechnet man die in Info 6 beschriebenen Effekte heraus, ergeben sich auch für das Jahr 2016 sowohl bei den Zuzügen (115.000 Personen) als auch bei den Fortzügen (131.000 Personen) keine wesentlichen Veränderungen gegenüber den Vorjahren. Im Jahr 2022 lag die Zahl der Zuzüge deutscher Personen bei 185.000 und die Zahl der Fortzüge bei 268.000. Hauptzielländer von auswandernden Deutschen waren im Jahr 2022 die Schweiz mit 20.100 Personen, Österreich mit 12.400 Personen und die Vereinigten Staaten von Amerika mit 9.500 Personen. Die deutschen Auswandernden waren mehrheitlich männlich (60 %) und vergleichsweise jung mit durchschnittlich 35,0 Jahren im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 45,9 Jahren.
Ab Anfang der 1960er-Jahre hatte die Zu- und Abwanderung von ausländischen Personen durch die Anwerbung von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern erheblich an Bedeutung gewonnen. Seit Mitte der 1970er-Jahre wird das Wanderungsverhalten der Ausländerinnen und Ausländer auch von anderen Faktoren beeinflusst, zum Beispiel dem Familiennachzug oder der politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Situation in den Herkunftsländern. Insbesondere politische Umbrüche, Kriege und Krisen können Auswanderungswellen nach Deutschland auslösen. Zudem wirken sich staatliche Maßnahmen zur Steuerung der Wanderungsströme aus. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der 1973 erlassene Anwerbestopp oder das Rückkehrhilfegesetz von 1983.
Die Zuwanderung ausländischer Staatsangehöriger hatte 1992 mit 1,2 Millionen Personen einen ersten Höhepunkt erreicht. Gründe waren die Öffnung der Grenzen in Osteuropa und die Flucht vieler Menschen vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Asylrechtliche Neuregelungen wie die Änderung des Grundgesetzes (Artikel 16a) im Jahr 1993 bewirkten, dass Einreisen zum Zweck der Asylsuche nach 1993 erheblich zurückgingen.
Bis 2006 war die Zuwanderung mit einigen Schwankungen eher rückläufig; in den Folgejahren stieg die Zuwanderung wieder an. Eine Ursache hierfür sind Beschlüsse auf Ebene der Europäischen Union, beispielsweise EU-Erweiterungen, Freizügigkeitsregelungen, Abkommen mit Ländern der Europäischen Freihandelszone (EFTA-Länder) oder veränderte Visaregelungen. Infolge der Wirtschaftskrise in den südeuropäischen Ländern zwischen etwa 2009 und 2013 sowie des Beitritts vieler osteuropäischer Länder zur EU 2004 beziehungsweise 2007 und 2013 nahm die Zuwanderung aus diesen Ländern sprunghaft zu. Auch haben 2011 die Zuzüge aus den 2004 beigetretenen Ländern – nach Ablauf der letzten Einschränkungen zum Arbeitsmarktzugang – stark zugenommen. Das Gleiche gilt seit 2013 für die 2007 beigetretenen Rumänien und Bulgarien.
Hinzu kamen seit 2014 Schutzsuchende aus den von (Bürger-)Kriegen betroffenen Ländern, vor allem Syrien, Afghanistan und Irak sowie ab Februar 2022 Schutzsuchende aus der Ukraine aufgrund des dortigen russischen Angriffskriegs. So wurden im Jahr 2022 rund 2,5 Millionen Zuzüge ausländischer Personen verzeichnet. Rund 25 % der Personen (624.000) kamen dabei aus der EU, 18 % (445.000 Personen) aus dem außereuropäischen Ausland und 54 % aus einem sonstigen europäischen Land (1.348.000 Personen). Die Hauptherkunftsländer 2022 waren die Ukraine (1.096.000 Zuzüge), Rumänien (204.000), Polen (105.000) und die Türkei (75.000).
Info 7Erfassung der Schutzsuchenden in der Wanderungsstatistik
Schutzsuchende Personen sind meldepflichtig, sobald sie in Deutschland angekommen sind. Damit sind sie grundsätzlich bei ihrer Ankunft in Deutschland in der Wanderungsstatistik enthalten.
Der Status als Schutzsuchende beziehungsweise Schutzsuchender wird in der Wanderungsstatistik nicht erfasst. Am 4. März 2022 ist aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine die EU-Richtlinie zur Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fall eines Massenzustroms von Vertriebenen zur Anwendung gekommen. Dadurch können Betroffene in Deutschland unkompliziert und ohne aufwendige Einzelfallprüfung durch ein Asylgesuch eine Aufenthaltserlaubnis für zwölf Monate von einer Ausländerbehörde erhalten. Ein Asylantrag braucht nicht gestellt werden. Mit den erleichterten Einreiseregelungen für Ukrainerinnen und Ukrainer können eine verzögerte behördliche und damit auch statistische Erfassung einhergehen. Zur Abschätzung der Wanderungsbewegungen von Schutzsuchenden werden die Wanderungsfälle von Staatsangehörigen von Staaten mit einem hohen Anteil an Schutzsuchenden wie die Ukraine oder Syrien betrachtet.
Die Abwanderung von Ausländerinnen und Ausländern erreichte 1993 mit 711.000 Fortzügen einen ersten Höhepunkt. Danach war die Tendenz bis 2007 rückläufig, abgesehen von einem vorübergehenden Anstieg in den Jahren 1997, 1998 und 2004 infolge der Rückkehr bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge in ihr Heimatland.
Die Fortzugszahlen zwischen 2008 und 2010 sind durch bundesweite Bereinigungen der Melderegister überhöht und mit den Vor- und Folgejahren nicht vergleichbar. Die Bereinigungen führten zu zahlreichen Abmeldungen von Amts wegen, die sich in den Fortzugszahlen niedergeschlagen haben.
Seit 2011 stieg die Zahl der Fortzüge von Ausländerinnen und Ausländern wieder an und lag 2022 bei 936.000 Fortzügen. Da viele Zugewanderte, vor allem aus der EU, nicht dauerhaft in Deutschland bleiben und nach einer kürzeren oder längeren Zeit in ihr Herkunftsland zurückkehren oder in ein anderes Land weiterziehen, geht eine hohe Zuwanderung zeitversetzt mit einer hohen Abwanderung einher.
Der Wanderungssaldo Deutschlands gegenüber dem Ausland war seit Beginn der Statistik in den 1950er-Jahren überwiegend positiv. Lediglich in konjunkturell schlechten Zeiten der 1960er- und 1970er-Jahre, in der Zeit des Rückkehrhilfegesetzes in den 1980er-Jahren und 1997/98, nach Ende des Bosnienkriegs, fiel der Saldo negativ aus. Die bis dahin höchsten Wanderungsüberschüsse (mehr als 600.000 Personen Zugewinn pro Jahr) wurden zur Zeit der politischen Umbrüche in Osteuropa, des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien zwischen 1989 und 1992, des Bürgerkriegs in Syrien und seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ab dem 24. Februar 2022 verzeichnet – als Folge der hohen Zuwanderung in diesen Jahren. Seit 2011 werden wieder hohe Wanderungsüberschüsse mit einem Höchstwert im Jahr 2022 verzeichnet (2020: + 220.000 Personen; 2021: + 329.000; 2022: + 1.462.000).