Der "Datenreport" befasste sich rund 40 Jahre lang mit den Lebensbedingungen, Erfahrungen, Sorgen und Einstellungen der Menschen in Deutschland. Er berichtete über die soziale Ungleichheit bei der Verteilung von Wohlstand und Lebenschancen, über Formen der politischen Beteiligung und sozialen Engagements sowie die Problemlagen verschiedener Bevölkerungsgruppen. Er diagnostizierte umfassend und regelmäßig den Zustand unserer Gesellschaft auf Grundlage aktuell verfügbarer und verlässlicher statistischer Daten. Von dieser Ausgabe an heißt der Datenreport "Sozialbericht". Der Sozialbericht bietet weiterhin nicht nur aktuelle Daten zu vielen Aspekten des sozialen Lebens, er zeigt sie auch in ihrer zeitlichen Entwicklung.
Die Kapitel des Sozialberichts behandeln die Themen Demografie, Lebensformen, Bildung, Arbeitsmarkt, Einkommen und Konsum, Wohnen, Sozialstruktur, Gesundheit, soziale Sicherung, gesellschaftliche und politische Partizipation, Werte und Einstellungen sowie Umwelt und Mobilität. Sie bilden die Lebenslagen, Einstellungen und Sorgen der Menschen in ihren vielfältigen Facetten ab. Gleichzeitig stellen sie damit aktuelle Daten zu wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen bereit. Nur vier Beispiele, die im Wahljahr 2024 die öffentliche Diskussion beschäftigten, seien hier hervorgehoben: 1) die Sicht der Menschen auf die Umsetzung demokratischer Prinzipien, 2) Aspekte der Zuwanderung nach Deutschland und der Integration von Eingewanderten, 3) Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie Armut, 4) Ursachen und Gegenstrategien bezüglich des zunehmenden Arbeitskräftebedarfs.
Die Einstellungen der Menschen zum demokratischen Regierungssystem sind – auch vor dem Hintergrund des Erstarkens rechtsnationaler Parteien – ein wichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion. Der neue Sozialbericht zeigt, dass die Zustimmung zur Demokratie als Staatsform ungebrochen hoch ist. Auch die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie haben daran nichts geändert. Deutlich kritischer fällt das Urteil der Menschen allerdings aus, wenn nach der Umsetzung der Demokratie, also nach dem Funktionieren demokratischer Mechanismen in der Praxis, gefragt wird. Hier hat die Unzufriedenheit seit 2020 im Westen wie im Osten deutlich zugenommen. In Ostdeutschland ist sie besonders hoch: Weniger als die Hälfte der Bevölkerung ist hier mit dem Funktionieren unserer Demokratie zufrieden. Dieser Befund wirft die Frage nach den Ursachen auf. Warum fühlen sich bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht ausreichend vertreten? Welche Gruppen drohen abgehängt zu werden? Die Daten des Sozialberichts helfen bei dieser Spurensuche und geben wichtige Hinweise, etwa mit Blick auf Schieflagen bei der Einkommens- und Armutsentwicklung, die zunehmende Trennung von Arm und Reich in den Städten oder die Sorgen der Bevölkerung angesichts des Klimawandels, der Zuwanderung und Integration, des Friedens und sozialen Zusammenhalts.
Die Lebensrealität der Menschen mit Einwanderungsgeschichte spielt eine wichtige und kapitelübergreifende Rolle im Sozialbericht 2024. Zuwanderung prägt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in vielfältiger Weise. So lebten im Jahr 2023 rund 16,2 Millionen Eingewanderte und weitere 5 Millionen direkte Nachkommen Eingewanderter in Deutschland. Hinzu kommen 4 Millionen Menschen mit einem eingewanderten Elternteil. Zusammengenommen hatte damit gut ein Viertel der Bevölkerung eine Einwanderungsgeschichte und weitere knapp 5 % eine einseitige Einwanderungsgeschichte. In verschiedenen Kapiteln wird die Lebenslage der Menschen mit Einwanderungsgeschichte beleuchtet und mit derjenigen der Menschen ohne Einwanderungsgeschichte verglichen. Zudem werden an vielen Stellen die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine statistisch sichtbar. Ende 2023 stammten knapp 1 Million Schutzsuchende und damit fast ein Drittel aller Schutzsuchenden in Deutschland aus der Ukraine. Deren Lebenssituation sowie Bildungs- und Berufsqualifikation und Erwerbstätigkeit wird in mehreren Kapiteln thematisiert und darüber hinaus in einem eigenen Kapitel vertieft dargestellt.
Zwei wichtige Indikatoren für das Ausmaß sozialer Ungleichheit in unserer Gesellschaft sind zum einen die Verteilung von Einkommen und Vermögen und zum anderen das Risiko von Armut. Die durchschnittlichen Realeinkommen sind laut Daten des Sozio-oekonomischen Panels bis 2021 gestiegen, verzeichneten nach dem starken Preisauftrieb infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine jedoch im Jahr 2022 wieder einen Rückgang. Die Armutsrisikoquote ist insgesamt etwas gesunken und die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West haben sich weiter angeglichen. Auch Ungleichheiten bei der Vermögensverteilung waren leicht rückläufig. Dennoch springt die im internationalen Vergleich hohe Vermögensungleichheit in Deutschland immer noch ins Auge. So verfügten 2021 die obersten 10 % der Bevölkerung über mehr als die Hälfte des gesellschaftlichen Gesamtvermögens. Zugleich lebte fast ein Sechstel der bundesdeutschen Haushalte unterhalb der Armutsrisikoschwelle, und mehr als die Hälfte der armutsgefährdeten Bevölkerung war 2021 von dauerhafter Armut betroffen, mit Armutsperioden von drei Jahren und mehr.
Schließlich prägt auch der zunehmende Arbeitskräftebedarf die öffentliche Debatte in Deutschland. Während aktuell die Zahl der Erwerbspersonen noch steigt, wird für die kommenden Jahre wegen des Ausscheidens der Babyboomer ein deutlicher Rückgang erwartet. Das Erwerbspersonenpotenzial ist jedoch nicht ausgeschöpft, wie an den Arbeitszeiten von Müttern deutlich wird. Die Daten im Sozialbericht zeigen, dass die allgemein als ideal angesehene Arbeitszeit für Mütter von Schulkindern deutlich höher liegt als deren tatsächliche Arbeitszeit. Hochgerechnet ergibt dieses Potenzial mehrere Hunderttausend zusätzliche Vollzeitäquivalente. Bei vielen Müttern ist ein unerfüllter Wunsch nach einem Kitaplatz ein Grund, weniger arbeiten zu können. Auch die Geflüchteten aus der Ukraine stellen ein erhebliches Arbeitsmarktpotenzial dar, für deren stärkere Integration in den Arbeitsmarkt ein tieferer Blick in ihre Lebenssituation hilfreich ist.
Diese Daten und Fakten sind nur ein Auszug aus dem neuen Sozialbericht. Die einzelnen Kapitel sind thematisch gegliedert. Ihre institutionelle Einbindung wird durch eine farbige Zuordnung unterstützt. Neue Kapitel befassen sich mit Einsamkeitserfahrungen, Lebenserwartung, Vulnerabilität älterer Menschen, den Lebenswelten queerer junger Menschen, Nutzung medizinisch assistierter Reproduktion, der Lebenssituation ukrainischer Geflüchteter, digitalen Formen der politischen Partizipation, Zeitverwendung, Wohnungslosigkeit, Gleichstellung der Geschlechter, Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen, Segregation in den deutschen Städten, sozioökonomischen Unterschieden bei Kitanutzung und -bedarf und den mentalen Belastungen von Paaren bei der Organisation der Sorge- und Hausarbeit.
Der Sozialbericht ist ein einzigartiges Gemeinschaftsprojekt von amtlicher Statistik und wissenschaftlicher Sozialberichterstattung. Die amtliche Statistik ist mit ihren umfangreichen, vielfältigen und kontinuierlich durchgeführten Erhebungen nach wie vor die wichtigste Anbieterin von Informationen über die Lebensverhältnisse und die gesellschaftliche Entwicklung. Die Erfahrung hat aber auch gezeigt, dass eine leistungsfähige sozialwissenschaftliche Datenerhebung, etwa zu subjektiven Wahrnehmungen und Einstellungen, für eine aktuelle und differenzierte Sozialberichterstattung ebenso notwendig ist.
Der Sozialbericht zielt nicht nur darauf ab, dem Informationsbedürfnis einer interessierten Öffentlichkeit gerecht zu werden, sondern auch, den Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Politik und Wirtschaft handlungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Der Sozialbericht vermittelt ein Gesellschaftsbild aus nachprüfbaren, methodisch sauber erhobenen Zahlen und bietet im Gegensatz zur persönlichen Alltagserfahrung objektivierbare Informationen. Weiterführende Erläuterungen zu den Daten, die der Veröffentlichung zugrunde liegen, befinden sich im Anhang. Alle Beiträge, Grafiken und zusätzliche Informationen finden sich auf der neuen Webseite: Externer Link: www.sozialbericht.de