Die Herkunft aus einer bestimmten sozialen Klassenlage hat trotz der Betonung von Chancengleichheit im Bildungswesen und der Hervorhebung des Leistungsgedankens in der Berufswelt nach wie vor einen starken Einfluss auf die spätere Klassenposition von Männern und Frauen in Deutschland. Viele Personen, die heute eine bestimmte Klassenposition innehaben, kommen aus Familien, in denen bereits der Vater die gleiche Klassenposition hatte. Dies trifft insbesondere für Landwirtinnen und Landwirte sowie Facharbeiterinnen und Facharbeiter zu, aber auch abgeschwächt für Menschen in der oberen Dienstklasse und aus der Klasse der ungelernten Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten. Über die Zeit gab es hier nur wenige Veränderungen, die insbesondere die Klassen der Facharbeiterinnen und Facharbeiter, der Landwirtinnen und Landwirte und vor allem im Osten die oberen Dienstklassenpositionen betreffen. Die oberen Dienstklassen rekrutieren sich zunehmend aus sich selbst.
Bei der Vererbung von Klassenpositionen zeigen sich eine Reihe von Trends: Die Vererbungsraten in der oberen Dienstklasse nehmen zu. Das gilt für Männer und Frauen in Ost- und Westdeutschland. In der Klasse der ungelernten Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten nehmen die Vererbungsraten der Frauen ab, die der Männer dagegen tendenziell zu. Auffällig sind zudem in Ostdeutschland die geringer werdenden Vererbungsraten bei Facharbeiterpositionen. Insgesamt zeigt sich eine etwas stärkere Polarisierung für Männer in Ost- und Westdeutschland, während Frauen zunehmend bessere Positionen erreichen können und seltener absteigen.
Der Trend zu mehr Abstiegen und weniger Aufstiegen, wie er sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends andeutete, hat sich zwischen 2010 und 2018 nicht fortgesetzt. Es gibt wieder mehr Aufstiege, während sich der Anteil der Abstiege nur wenig geändert hat. Insgesamt überwiegen weiterhin die Aufstiege, insbesondere für westdeutsche Männer. Im Osten stellt sich dieser Zusammenhang weniger deutlich dar. Auch beim Ausmaß der sozialen Mobilität sind bei den Männern Unterschiede zwischen Ost und West deutlicher ausgeprägt. Bei den Frauen in Ost- und Westdeutschland fällt die soziale Mobilität mittlerweile sehr ähnlich aus.
Die hier vorgestellte Betrachtung der tatsächlichen Mobilitätschancen – bereinigt um Veränderungen in der Berufsstruktur – zeigt für westdeutsche Männer einen klaren kontinuierlichen Trend hin zu einem abnehmenden Einfluss der sozialen Herkunft auf die eigene Klassenposition. Den gleichen Trend kann man für westdeutsche Frauen beobachten. Im Osten dagegen nimmt der Einfluss der sozialen Herkunft deutlich zu. Der zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung deutlich geringere Einfluss des Elternhauses auf die Mobilitätschancen für Männer und Frauen in Ostdeutschland ist Geschichte. Es kommt bei beiden Geschlechtern zu einer Angleichung der Mobilitätschancen in Ost und West. Inwieweit die Mobilitätschancen in Ost- und Westdeutschland fortan ähnlich bleiben, werden die kommenden Jahre zeigen.