In Tabelle 2 wird die Sichtweise auf soziale Mobilität verändert und aus der Perspektive der Väter dargestellt. Die Zahlen geben nun ausgehend von der Klassenposition der Väter an, wie viele Kinder wieder in die gleiche Klassenposition gelangen. Bei diesen Vererbungsraten ist nun nicht mehr die Klassenposition der Befragten die Prozentuierungsgrundlage für die Ergebnisse, sondern die Klassenposition des Vaters. Deutlich wird dieser Unterschied bei den Landwirten: Wie oben gezeigt, hatten die meisten heutigen Landwirte auch einen Landwirt zum Vater. Allerdings werden heute nicht alle Kinder von Landwirten wieder Landwirte. Die Vererbungsrate ist deutlich geringer. Nur gut jeder fünfte Sohn eines Landwirts in Westdeutschland ist später ebenfalls Landwirt geworden (23 % im jüngsten Jahrzehnt). Das bedeutet, die meisten Bauernsöhne haben heute eine andere Klassenposition als ihre Väter und sind damit sozial mobil.
Vererbung von Klassenpositionen nach sozialer Herkunft
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Ähnliche Vererbungsraten findet man in der Klasse der ungelernten Arbeiter und Angestellten und (etwas geringer) in der Klasse der Selbstständigen. Die höchsten Vererbungsraten gibt es in Westdeutschland in der oberen Dienstklasse und in der Klasse der Facharbeiter: Fast die Hälfte (46 %) der Väter in der oberen Dienstklasse konnten im jüngsten Beobachtungszeitraum ihre vorteilhafte Position an ihre Söhne weitergeben; von den Facharbeitervätern waren es 39 %, die ihre Arbeiterposition an ihre Söhne "vererbten". Die niedrigste Vererbungsrate findet man bei westdeutschen Männern in der Klasse der qualifizierten Büroberufe (14 %). Für die meisten Klassen haben sich Vererbungsraten in den vergangenen Jahrzehnten für westdeutsche Männer als weitgehend stabil erwiesen. Nur in der Facharbeiterklasse zeigt sich nach der Jahrtausendwende eine merkliche Abnahme der Vererbungsraten.
Die Vererbungsraten von Vätern auf ihre Töchter sind in der Tendenz niedriger als die Vererbungsraten von Vätern auf ihre Söhne. Dies liegt vor allem an geschlechtsbezogenen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt. Frauen und Männer besetzen typischerweise unterschiedliche Berufsfelder (zum Beispiel Arzthelferin, KFZ-Mechatroniker) und finden sich somit auch in unterschiedlichen Klassenpositionen wieder. Unterschiede in den Vererbungsmustern von Vater-Sohn und Vater-Tochter gibt es in Westdeutschland vor allem bei der oberen Dienstklasse, bei der Klasse der Facharbeiterinnen und Facharbeiter, bei ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen und vor allem in der Klasse der qualifizierten Büroberufe. Im Schnitt nahmen etwa 36 % der Töchter eines Vaters aus dieser Klasse eine Position in der Klasse der qualifizierten Bürotätigkeiten ein. Bei den Söhnen waren es im jüngsten Jahrzehnt nur 14 %. Ähnlich hoch sind die Vererbungsraten für westdeutsche Frauen in der unteren Dienstklasse und bei ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen. Knapp zwei Fünftel (37 beziehungsweise 36 %) der Töchter nahmen die gleiche Klassenposition ein wie ihre Väter. Doch während es bei der unteren Dienstklasse und bei den qualifizierten Bürotätigkeiten nur Schwankungen über die Zeit gab, findet man bei den ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen eine merkliche Abnahme der Vererbungsraten von 47 auf 36 %. Genau entgegengesetzt ist der Trend in der oberen Dienstklasse. In den 1970er-Jahren gelang es nur 15 % der Töchter aus dieser Klasse, ebenfalls eine solche vorteilhafte Position zu erreichen. Bis 2018 hat sich dieser Anteil mehr als verdoppelt: Im jüngsten Beobachtungszeitraum schaffte es knapp ein Drittel der Frauen (32 %), diese vorteilhafte Position aus dem Elternhaus zu behaupten. Allerdings "erben" die Töchter aus der oberen Dienstklasse die vorteilhaften Positionen nach wie vor deutlich seltener als die Söhne aus dieser Klasse.
Die übrigen Klassenpositionen der Selbstständigen, Landwirte und Facharbeiter wurden in Westdeutschland selten an die Töchter weitergegeben (knapp 10 %). Die Werte veränderten sich kaum beziehungsweise sanken in der Tendenz bei den Töchtern von Facharbeitern. Die entscheidenden Entwicklungen fanden am oberen und unteren Ende der Klassenskala statt. Westdeutschen Frauen gelang es in zunehmendem Maße, ebenso gute Positionen wie ihre Väter einzunehmen. Gleichzeitig haben sie häufiger die weniger vorteilhafte Klasse der ungelernten Arbeiterinnen und Angestellten verlassen.
Für Ostdeutschland können aufgrund der Fallzahlen für einige Klassenpositionen keine gesicherten Aussagen getroffen werden. Bei den Klassen, für die gesicherte Erkenntnisse vorliegen, fällt auf, dass ostdeutsche Männer in den beiden Dienstklassen deutlich geringere Vererbungsraten aufwiesen als westdeutsche Männer. Insbesondere in der oberen Dienstklasse gelang es ostdeutschen Männern seltener, eine ebenso vorteilhafte Position wie ihre Väter einzunehmen. Etwa jeder dritte ostdeutsche Mann (35 %) vermochte in der jüngsten Zeit die oberste Klassenposition zu behaupten, im Westen war es dagegen fast jeder Zweite (46 %). Die Vererbungsrate in der unteren Dienstklasse war in Ostdeutschland mit zuletzt etwa 23 % deutlich geringer als die Vererbungsrate in der oberen Dienstklasse. Während die Väter in Ostdeutschland ihre obere Dienstklassenposition in zunehmendem Maße an ihre Söhne weitergeben konnten (Steigerung von rund einem Viertel in den 1990er-Jahren auf mehr als ein Drittel im jüngsten Jahrzehnt), pendelten die Vererbungsraten in der unteren Dienstklasse um ein Fünftel.
Deutliche Veränderungen sind in der Facharbeiterklasse und der Klasse der ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen zu verzeichnen. Während im ersten Jahrzehnt nach der Vereinigung (1991 – 1999) knapp zwei Drittel der ostdeutschen Facharbeitersöhne ebenfalls eine Position in der Facharbeiterklasse einnahmen, ist dieser Anteil auf 51 % im jüngsten Jahrzehnt (2010 – 2018) gesunken. Die abnehmende Vererbungsrate bei gleichzeitiger Zunahme der Selbstrekrutierungsrate deutet auf ein deutliches Schrumpfen solcher Positionen in Ostdeutschland hin. Bei den ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen hingegen kam es zunächst zu einem erheblichen Anstieg der Vererbungsraten. Während in den 1990er-Jahren 18 % der Söhne aus der Klasse der ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen mit der gleichen Position vorliebnehmen mussten, ist dieser Anteil zu Beginn des Jahrtausends (2000 – 2009) auf 29 % angestiegen. Im jüngsten Jahrzehnt (2010 – 2018) nahm ein Viertel (25 %) der Söhne von ungelernten Arbeitern und Angestellten wiederum eine solche Klassenposition ein.
Die Befunde für ostdeutsche Frauen zeigen ein eigenständiges Muster. In der oberen Dienstklasse stieg ihre Vererbungsrate zwar ähnlich wie bei den ostdeutschen Männern über die Zeit an und erhöhte sich von 21 % in den 1990er-Jahren auf 28 % im jüngsten Jahrzehnt. Allerdings gelang es Männern besser, die Positionen ihrer Väter zu übernehmen (35 % im Vergleich zu 28 % der Frauen im jüngsten Jahrzehnt). Bei der unteren Dienstklasse gab es hingegen – anders als bei Männern – für Frauen einen Trend zu höheren Vererbungsraten. Diese waren zuletzt (2010 – 2018) mit 46 % bei Frauen deutlich höher als bei Männern (23 %) in dieser Klasse. Genau umgekehrt verhält es sich für die Klasse der Facharbeiterinnen: Die Vererbungsraten waren hier bei ostdeutschen Frauen deutlich geringer als bei ostdeutschen Männern und nahmen über die Zeit kontinuierlich ab. Zuletzt hatten nur 13 % der Facharbeitertöchter wieder eine Facharbeiterposition. Bei den ungelernten Arbeiter- und Angestelltenpositionen sank die Vererbungsrate leicht von 36 auf 32 %. Ostdeutsche Frauen konnten folglich – anders als Männer – diese Klassenposition zunehmend vermeiden. Jedoch ist die Vererbung bei den Frauen in dieser Klasse der ungelernten Arbeiterinnen und Angestellten insgesamt höher als bei den ostdeutschen Männern. Bei den beiden Dienstklassen zeigen sich Unterschiede zwischen Frauen in Ost- und Westdeutschland: Während bei ostdeutschen Frauen die Vererbungsraten bei der unteren Dienstklasse höher waren, wiesen westdeutsche Frauen bei der oberen Dienstklasse höhere Vererbungsraten auf.
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