Aus der amtlichen Statistik lässt sich bei Personen im Alter von 65 und mehr Jahren für den Zeitraum von 2000 bis 2019 ein stetig steigender Beschäftigungstrend im Ruhestandsalter erkennen. So zeigen die Daten von Eurostat, dass der Anteil der Erwerbstätigen im Ruhestandsalter in Deutschland von 7 % im Jahr 2009 auf 12 % im Jahr 2019 angestiegen ist. Dieser Anteil lag oberhalb der Erwerbstätigenquote der EU-28-Länder in dieser Altersgruppe (9 %) und im EU-weiten Vergleich im oberen Drittel. Jedoch hatten Italien (29 %), Tschechien und die Niederlande (jeweils 14 %) sowie Großbritannien (13 %) im Jahr 2019 bei den 65-Jährigen und Älteren höhere Erwerbstätigenquoten als Deutschland.
Die Erwerbstätigenquoten im Ruhestandsalter unterschieden sich deutlich nach Geschlecht. Männer wiesen im Jahr 2019 in Deutschland eine Erwerbstätigenquote von 14 % auf, was einem Anstieg um 5 Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr 2009 entspricht. Dagegen waren 9 % der Frauen im Ruhestandsalter im Jahr 2019 erwerbstätig gegenüber 4 % im Jahr 2009. Zudem lässt sich ein deutliches Bildungsgefälle der Erwerbstätigenquote im Ruhestandsalter in Deutschland nach der International Standard Classification of Education (ISCED 2011) erkennen, das sowohl bei Frauen als auch bei Männern beobachtet werden kann.
So hatten Männer im Alter von 65 und mehr Jahren, die einen Bildungsabschluss im Primär- oder Sekundärbereich I hatten (ISCED 2011: 0 bis 2), im Jahr 2019 eine Erwerbstätigenquote von 7 %. Bei den Männern mit einem hohen Bildungsabschluss (ISCED 2011: 5 bis 8) lag die Erwerbstätigenquote bei 15 %. Frauen wiesen im Vergleich zu den Männern mit ähnlichem Bildungsniveau geringere Erwerbstätigenquoten auf. So waren 3 % der Frauen mit geringem Bildungsabschluss (ISCED 2011: 0 bis 2) im Jahr 2019 erwerbstätig. Bei den Frauen mit hohem Bildungsabschluss (ISCED 2011: 5 bis 8) waren es hingegen 10 %.
Die Daten der amtlichen Statistik zeigen, dass es in Deutschland in den letzten 20 Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbstätigenquote im Ruhestandsalter gekommen ist. Allerdings ist aus diesen Zahlen nicht abzulesen, in welchem zeitlichen Umfang ältere Menschen erwerbstätig sind oder wie es zur Entscheidung zu einer verlängerten Arbeitsmarktbeteiligung jenseits der gesetzlichen Altersgrenze kommt. Auch können diese Daten keine Auskunft darüber geben, welche Merkmale jenseits von Alter, Geschlecht und Bildung die Entscheidung beeinflussen, im Ruhestandsalter weiterzuarbeiten. Die amtlichen Daten werden daher im Folgenden durch Ergebnisse aus der Surveyforschung ergänzt, die bezüglich dieser Aspekte Rückschlüsse erlauben. Wir fokussieren uns dabei besonders auf Daten der Studie "Transitions and Old Age Potential" (TOP).
In der Panelstichprobe von TOP, die Personen der Jahrgänge 1942 bis 1958 umfasst, die im Zeitraum von sechs Jahren wiederholt befragt wurden, sind höhere Anteile von erwerbstätigen Personen im Ruhestandsalter zu beobachten als in der amtlichen Statistik. Erwerbstätigkeit wurde in der Studie TOP ebenso wie bei Eurostat in Anlehnung an die Definition der International Labour Organisation (ILO) bestimmt als jede Art von bezahlter Tätigkeit, unabhängig von Dauer, Einkommenshöhe und Beschäftigungsverhältnis. Laut dieser Definition zählen auch eine geringfügige Beschäftigung (450-Euro-Job) oder eine Nebenerwerbstätigkeit im Umfang von mindestens einer Stunde wöchentlich zur Erwerbstätigkeit.
Im Jahr 2013, dem Zeitpunkt der Erstbefragung in TOP, gingen unter den Bezieherinnen und Beziehern einer Altersrente oder -pension, die zu diesem Zeitpunkt mindestens 60 Jahre alt waren, insgesamt 29 % einer Erwerbstätigkeit nach. Die Anteile unterschieden sich auch in TOP deutlich nach Männern und Frauen. Bei den Männern war im Jahr 2013 etwas mehr als ein Drittel (36 %) im Ruhestandsalter erwerbstätig, während es bei den Frauen jede Fünfte (20 %) war. Diese höheren Erwerbstätigenquoten sind darauf zurückzuführen, dass TOP auch vergleichsweise "junge" Personen betrachtet, die eine Altersrente oder -pension unter Abschlägen bereits ab dem 60. Lebensjahr beziehen. Zudem schließt TOP im Gegensatz zu Eurostat das höhere Lebensalter (80 Jahre und älter) aus. Aus der Forschung ist bekannt, dass die Erwerbstätigenquoten im Ruhestandsalter ungefähr ab dem 75. Lebensjahr stark zurückgehen und im noch höheren Alter praktisch keine Arbeitsmarktbeteiligung mehr stattfindet. Die Daten der amtlichen Statistik (Abbildungen 1 und 2) enthalten im Gegensatz zu TOP auch diese hohen Altersgruppen, was sich in insgesamt deutlich geringeren Erwerbstätigenquoten niederschlägt.
Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass auch in TOP der Anteil der Erwerbstätigen im Ruhestandsalter im Beobachtungszeitraum mit steigendem Alter der Befragten deutlich zurückgeht und im Jahr 2019, dem Zeitpunkt der dritten und letzten Befragungswelle, insgesamt 17 % beträgt, wobei Männer mit 19 % weiterhin häufiger erwerbstätig waren als Frauen (14 %). Somit nähern sich die Erwerbstätigenquoten im Zeitverlauf immer mehr den Daten der amtlichen Statistik an, was für die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse von TOP spricht.
In welchem Stundenumfang sind Bezieherinnen und Bezieher von Altersrenten oder -pensionen erwerbstätig? Die Ergebnisse von TOP zeigen, dass der wöchentliche Arbeitsumfang bei Männern, die im Ruhestandsalter erwerbstätig sind, im Jahr 2013 durchschnittlich 16 Stunden betrug und sie im Durchschnitt an 2,8 Tagen pro Woche arbeiteten. Frauen arbeiteten im Durchschnitt an 2,6 Tagen pro Woche und waren mit wöchentlich 12 Stunden durchschnittlich in etwas geringerem zeitlichen Umfang erwerbstätig als die Männer.
Der durchschnittliche wöchentliche Erwerbsumfang im Ruhestandsalter zeigt zwischen den Jahren 2013 und 2016 bei Männern und Frauen einen leichten Anstieg, um dann bis zum Jahr 2019 etwas stärker zurückzugehen. Wahrscheinlich spiegelt sich in diesem Rückgang eine altersbedingte Reduzierung der Erwerbstätigkeit wider, die zu einem späteren Zeitpunkt in einem endgültigen Verlassen des Arbeitsmarkts mündet. Insgesamt wird deutlich, dass Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter bei beiden Geschlechtern typischerweise in Teilzeit (unter 30 Stunden wöchentlicher Arbeitsumfang) ausgeübt wird. Vor allem bei den Männern unterscheidet sich somit Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter von der Arbeitsmarktbeteiligung im mittleren Erwachsenenalter, die in aller Regel in Vollzeit stattfindet (mindestens 30 Stunden pro Arbeitswoche).
Im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis von Erwerbstätigen im Ruhestandsalter weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Männer häufiger beruflich selbstständig sind und seltener ihre abhängige Beschäftigung beim gleichen Arbeitgeber fortführen als dies bei Frauen der Fall ist. So waren im Jahr 2013 unter den im Ruhestandsalter erwerbstätigen Männern 40 % beruflich selbstständig, während es bei den Frauen knapp jede Fünfte (19 %) war. Die Anteile der beruflich Selbstständigen schwankten insbesondere bei den Frauen zwischen den drei Befragungswellen. Sie blieben aber im gesamten Zeitraum unterhalb der Anteile der Männer, bei denen auch im Jahr 2019 jeder Dritte beruflich selbstständig war. Im Gegensatz dazu war etwas mehr als die Hälfte der Frauen im Jahr 2019 beim gleichen Arbeitgeber wie vor dem Eintritt in den Ruhestand beschäftigt, was auf eine gewisse Kontinuität des Beschäftigungsverhältnisses bei den Frauen hinweist. Bei den Männern war demgegenüber im Jahr 2019 nur etwas mehr als jeder Fünfte (22 %) beim gleichen Arbeitgeber wie vor dem Ruhestand tätig.
Schließlich finden vergleichsweise häufig Arbeitgeberwechsel bei einer Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter statt. Die Anteile der abhängig Beschäftigten, die im Ruhestandsalter einen Arbeitgeberwechsel vollzogen, unterschieden sich in den Jahren 2013 und 2016 nur geringfügig zwischen Männern und Frauen. Lediglich im Jahr 2019 waren bei den Männern deutlich häufiger Arbeitgeberwechsel zu beobachten als bei den Frauen (45 % gegenüber 35 %). Offenbar ist der Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit im Ruhestandsalter bei Männern weiter verbreitet als bei den Frauen. Im Gegensatz dazu scheint bei Frauen die Bindung zum alten Arbeitgeber stärker zu sein.
Wie hoch liegen die Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter? In der Studie TOP wurde in der zweiten Welle 2016 sowie in der dritten Welle 2019 die Frage nach der Höhe des Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter gestellt ("Sie sagten vorhin, dass Sie im Ruhestand arbeiten. Können Sie uns in etwa die Höhe des monatlichen Einkommens aus dieser Tätigkeit nennen? Gemeint ist das Einkommen nach den Abzügen."). Falls die Befragten die Höhe des Einkommens nicht nennen wollten, wurden sie gebeten, das Erwerbseinkommen mithilfe von Kategorien näherungsweise zu bestimmen ("unter 450 Euro", "450 bis unter 850 Euro", "850 bis unter 1.200 Euro" und so weiter). Die Mittelwerte dieser Kategorien wurden genutzt, um fehlende Angaben bei den offenen Einkommensnennungen zu ersetzen.
Im Jahr 2016 betrug der durchschnittliche Verdienst aus einer Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter 718 Euro. Männer verdienten mit durchschnittlich 828 Euro deutlich mehr als Frauen mit durchschnittlich 485 Euro. Der Anteil der Personen, die ein Einkommen bis einschließlich 450 Euro erzielen, machte im Jahr 2016 rund zwei Drittel (65 %) der erwerbstätigen Altersrentnerinnen und Altersrentner aus. Diese Zahl verdeutlicht, dass es sich bei Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter mehrheitlich um geringfügige Beschäftigungen (450-Euro-Jobs) handelt. Diese waren bei den Frauen zum Zeitpunkt der zweiten Befragungswelle im Jahr 2016 weitaus häufiger (79 %) als bei den Männern (59 %).
Das durchschnittliche Erwerbseinkommen von Altersrentnerinnen und Altersrentnern sank in der dritten Befragungswelle des Jahres 2019 auf 651 Euro ab. Hierfür war vermutlich eine allgemeine Verringerung des wöchentlichen Arbeitsumfangs bei ansonsten gleicher Tätigkeit verantwortlich. Dementsprechend waren auch die Anteile der geringfügig Beschäftigten im Jahr 2019 höher als zum Zeitpunkt der zweiten Welle. So betrug der Anteil der Erwerbseinkommen bis einschließlich 450 Euro in der dritten Welle 73 %, was einem Anstieg um 8 Prozentpunkte im Vergleich zur zweiten Welle entspricht. Im Jahr 2019 waren 90 % der erwerbstätigen Frauen im Ruhestandsalter geringfügig beschäftigt, bei den Männern waren es fast zwei Drittel (63 %). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass es sich bei Erwerbstätigkeit im Ruhestandsalter in aller Regel um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit mit relativ geringen Arbeitsentgelten handelt, die eher als Ergänzung weiterer Einkommensquellen (zum Beispiel Altersrente oder Einkünfte aus Vermögen), nicht aber als Haupteinkommensquelle in dieser Lebensphase infrage kommt.