Grundsätzlich gibt es vonseiten der gesetzlichen Rentenversicherung keine Verpflichtung, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit einzustellen und in den Ruhestand überzuwechseln. Geregelt ist dagegen der frühestmögliche Beginn des Bezugs einer Altersrente. Die einzelnen Altersrentenarten haben jeweils einen gesetzlich festgelegten Namen und bestimmte Bedingungen, unter denen sie erfolgreich beantragt werden können. Kommen zum Zeitpunkt der Antragstellung mehrere Rentenarten in Betracht, dann ist die gesetzliche Rentenversicherung verpflichtet, so zu beraten, dass die günstigste Rentenart mit der höchsten Auszahlungssumme gewählt wird.
Die Regelaltersrente ist abschlagsfrei und kann – mit der Ausnahme von Vertrauensschutzregelungen – frühestmöglich zum Erreichen der gesetzlich festgelegten Regelaltersgrenze beansprucht werden. Diese Altersgrenze wird für Geburtsjahrgänge ab 1947 vom 65. Lebensjahr stufenweise bis zum Jahrgang 1964 auf das 67. Lebensjahr angehoben. Sie ist der gesetzlich festgelegte Bezugspunkt für alle früher möglichen Rentenübergänge. Die Zugangsquoten in Regelaltersrenten schwanken in den hier betrachteten Geburtsjahrgängen zwischen 32 und 46 %.
Der Bezug einer Rente vor dem gesetzlich normierten Alter für die Regelaltersrente ist in Abhängigkeit der einzelnen vorgezogenen Altersrentenarten an besondere biografische Voraussetzungen geknüpft (wie das Erreichen einer bestimmten Mindestanzahl rentenrechtlich relevanter Zeiten, Arbeitslosigkeit oder die Vereinbarung von Altersteilzeit) und wird daher als sozialpolitisches Privileg verstanden. In den hier betrachteten Geburtsjahrgängen konnte die Mehrheit eine der vielen besonderen Optionen der früheren Rente nutzen. Vor allem durch die Abschaffung der frühesten Rentenarten (Altersrente für Frauen und Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeitarbeit) und die Einführung von Abschlägen auf den vorzeitigen Rentenbeginn sollte das Rentenzugangsalter erheblich heraufgesetzt werden. Für die Rentenversicherung wurde bereits 1992 beschlossen, dass die demografische Entwicklung der steigenden Lebenserwartung eine Erhöhung des Verrentungsalters erforderlich mache.
In den hier dargestellten Rentenzugangsdaten spiegeln sich die Auswirkungen der Rentenreform 1992 (RRG 1992) in Verbindung mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG vom 25. September 1996) wider. Mit diesen Reformen wurde die stufenweise Anhebung der Altersgrenzen bei den vorgezogenen Altersrenten initiiert und dann beschleunigt. Bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme wurde die Rentenhöhe mit einem Abschlag von 0,3 Prozentpunkten je vorgezogenen Monat belegt. Die Rente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeitarbeit sowie die Altersrente für Frauen wurden für ab 1952 Geborene abgeschafft. Die Auswirkung der weiteren, stufenweisen Anhebung der Altersgrenzen auf 67 Jahre wird ab der Geburtskohorte 1947 sichtbar, die Anhebung bis zur Geburtskohorte 1952 beträgt bereits ein halbes Jahr. Für ausgewählte Versichertengruppen wurden bei Vorliegen besonderer Tatbestände Vertrauensschutzregelungen eingeführt, die es diesen Versicherten ermöglichen, ohne beziehungsweise mit einem deutlich niedrigeren Abschlag eine vorgezogene Altersrente zu beanspruchen. Aufgrund des empirischen Schwerpunkts dieses Kapitels wird auf eine detaillierte Darstellung der umfangreichen Vertrauensschutzregelungen verzichtet. Die wichtigsten Zugangsvoraussetzungen der einzelnen Altersrentenarten und die im Rahmen der Rentenreformen veränderten Altersgrenzen sind in Info 2 dargestellt.
Info 2Zugangsvoraussetzungen der Altersrentenarten
Die früheste Altersrente: Rente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeitarbeit
Vor der Abschaffung dieser vorgezogenen Altersrentenart (für ab 1952 Geborene) war es erforderlich, dass bis zu bestimmten Stichtagen mit dem Arbeitgeber eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen wurde oder Arbeitslosigkeit vorlag. Darüber hinaus musste in definierten Abschnitten der Biografie ein Mindestmaß an rentenrechtlich definierten Zeiten vorliegen. In der vorliegenden empirischen Betrachtung spiegeln sich vor allem die stufenweisen Anhebungen der Altersgrenzen wider. Die Anhebung vom 60. auf das 65. Lebensjahr erfolgte bereits ab dem Jahrgang 1937 um je einen Monat pro Geburtsmonat, für ab 1942 Geborene war die Anhebung auf das 65. Lebensjahr somit abgeschlossen. Aufgrund dieser Anhebung konnte diese Rentenart zwar weiterhin mit Vollendung des 60. Lebensjahres beansprucht werden, jedoch mit einem Abschlag von 0,3 Prozentpunkten je vorgezogenen Monat auf die Rentenhöhe. Zwischen den Jahrgängen 1946 und 1949 wurde die Altersgrenze für die frühestmögliche Inanspruchnahme stufenweise vom 60. auf das 63. Lebensjahr erhöht.
Die besondere Option für Frauen: Altersrente für Frauen
Frauen der Geburtsjahrgänge bis 1951 konnten auch die vorgezogene "Altersrente für Frauen" beantragen. Mit 60 Jahren konnten damit die Frauen in den Ruhestand gehen, die seit dem 40. Lebensjahr mindestens zehn Jahre gearbeitet hatten und außerdem insgesamt 15 Jahre Versicherungszeiten in ihrem Rentenkonto verbucht hatten. Von den Möglichkeiten des frühen Rentenbeginns war die Altersrente für Frauen damit die am leichtesten zugängliche. In den vorliegenden Daten ist vor allem die Abschaffung für alle ab 1952 geborenen Frauen sowie die Anhebung der Altersgrenzen vom 60. auf das 65. Lebensjahr sichtbar. Die Anhebung erfolgte ab dem Jahrgang 1940 um je einen Monat pro Geburtsmonat. Für ab 1945 Geborene war die Anhebung somit abgeschlossen, der Zugang in diese Rentenart vor dem 65. Lebensjahr war somit abschlagsbehaftet.
Rente für schwerbehinderte Menschen
Voraussetzung ist das Vorliegen einer anerkannten Schwerbehinderung oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und die Erfüllung von 35 Jahren Wartezeit. Die Altersgrenze von 60 Jahren wurde für ab 1941 Geborene stufenweise angehoben. Für im Juni bis Dezember Geborene des Jahrgangs 1952 liegt sie bereits bei 63 Jahren und sechs Monaten. Die Erhöhung der Grenze der vorzeitigen Inanspruchnahme beginnt mit dem Jahrgang 1952. Wegen umfangreicher Vertrauensschutzregelungen kamen die angehobenen Altersgrenzen aber für viele Jahrgänge noch nicht zur Anwendung, weshalb diese Rentenart für einige Jahre attraktiver war als andere vorgezogene Altersrentenarten.
Für dauerhaft Beschäftigte: Rente für langjährig Versicherte
Altersrente für langjährig Versicherte konnte im Geburtsjahrgang 1941 beziehen, wer das 63. Lebensjahr vollendet und eine Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hatte, allerdings lag die Altersgrenze bereits bei 65 Jahren, für die frühestmögliche Inanspruchnahme wurde mit 63 Jahren ein Abschlag von 7,2 % auf die Rentenhöhe berechnet. Für den Jahrgang 1952 war die Altersgrenze bereits auf 65 Jahre und neun Monate angehoben worden. Für einen Rentenbeginn mit 63 Jahren musste somit ein Abzug von 9,9 % hingenommen werden.
Für durchgängig Erwerbstätige: Rente für besonders langjährig Beschäftigte
Eingeführt wurde diese Altersrentenart im Jahr 2012, als für Geburtsjahrgänge ab 1947 mit der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze vom 65. auf das 67. Lebensjahr begonnen wurde. Der abschlagsfreie Zugang war ab dem 65. Lebensjahr nach Erfüllung einer Wartezeit von 45 Jahren möglich. Mit der Einführung der sogenannten "Rente mit 63" wurde ab Juli 2014 der abschlagsfreie Zugang ab dem 63. Lebensjahr ermöglicht. Zur Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren wurden zusätzliche Zeiten angerechnet, sodass mehr Personen die Chance bekamen, diese Rentenart zu beanspruchen. Allerdings konnten nur die Geburtsjahrgänge bis 1952 und jene Personen, die in der zweiten Jahreshälfte 1951 geboren sind, exakt mit Vollendung des 63. Lebensjahres in diese Altersrente wechseln. Alle früher Geborenen haben zum 1. Juli 2014 – dem Tag, an dem die Reform in Kraft trat – bereits das 63. Lebensjahr vollendet.
Das Renteneintrittsalter lag in Ostdeutschland in der Geburtskohorte 1941 bei Männern und besonders bei den Frauen deutlich niedriger als in Westdeutschland. In der Kohorte 1941 betrug der Abstand zwischen west- und ostdeutschen Männern sechs Monate. Die ab 1942 Geborenen gingen dann zunehmend später in Rente, wobei der Anstieg in Ostdeutschland stärker war. Am Ende der Zeitreihe gingen ostdeutsche Männer der Kohorte 1952 dann im Schnitt nur noch rund drei Monate früher in Rente als westdeutsche Männer. Bei den Frauen hat zeitgleich eine noch stärkere Angleichung zwischen Ost- und Westdeutschland stattgefunden: Frauen des Geburtsjahrgangs 1941 gingen in Ostdeutschland rund 23 Monate früher in Rente, im Jahrgang 1952 betrug dieser Unterschied zwischen den west- und ostdeutschen Frauen nur noch acht Monate.