Für einen Vergleich der Höhe des Nettovermögens innerhalb europäischer Länder stellt die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Beginn des vergangenen Jahrzehnts harmonisierte Mikrodaten zur Verfügung. Mittels eines standardisierten Fragebogens werden alle relevanten Vermögenskomponenten erfasst, um das Nettovermögen der Privathaushalte zu beschreiben. Im Folgenden wird das Nettohaushaltsvermögen ausgewiesen. Dabei ist zu beachten, dass die Haushaltsgröße je nach Land unterschiedlich groß ausfällt. Insbesondere in südeuropäischen Ländern leben mehr Personen in einem Haushalt als in Ländern Mitteleuropas. Bei einer Pro-Kopf-Betrachtung, würden damit die Unterschiede zwischen den Ländern etwas geringer ausfallen im Vergleich zu der im Folgenden verwendeten Analyse des Haushaltsnettovermögens.
Zieht man zunächst den Median des Nettohaushaltsvermögens heran, also den Wert, der die reichsten 50 % der Haushalte von der ärmeren Hälfte trennt, so lag dieser für die betrachteten europäischen Länder im Jahr 2017 bei 99.000 Euro. Das höchste Median-Nettohaushaltsvermögen fand sich in Luxemburg mit knapp 500.000 Euro, gefolgt von Malta mit rund 236.000 Euro und Belgien mit 213.000 Euro. Aber auch die von der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 schwer getroffenen Staaten Spanien und Italien wiesen mit gut 120.000 Euro beziehungsweise 132.000 Euro ein relativ hohes mittleres Nettohaushaltsvermögen auf. Am anderen Ende hatte Lettland mit 20.000 Euro das geringste Nettohaushaltsvermögen. Nur wenig mehr wies Ungarn mit 36.000 Euro auf. Für Griechenland, das durch die Finanzmarkt- und die sich daran anschließende Eurokrise ab 2008 besonders stark getroffen wurde, lag ein Wert von 60.000 Euro vor. Für Deutschland betrug der Median des Nettohaushaltsvermögens rund 71.000 Euro. Dieser Wert liegt etwas unterhalb des mittleren Bereichs der betrachteten Länder und fällt damit in etwa so hoch aus wie in Portugal mit 75.000 Euro oder der Slowakei mit 70.000 Euro.
Wird alternativ der Mittelwert anstelle des Medians herangezogen – der Mittelwert kann stark von einzelnen Ausreißern wie Milliardären beeinflusst sein, was beim Median nicht der Fall ist – und sortiert man die Länder nach der Höhe dieses Werts, so ändert sich die Reihung der Länder am unteren und oberen Rand kaum. Zwei Länder verbessern aber ihre Position in dieser Reihung um jeweils fünf Ränge. Dies sind Deutschland und Österreich, die beide ein relativ geringes Median-, aber ein deutlich höheres Durchschnittsvermögen aufweisen. So lag der Wert des Durchschnitts des Nettohaushaltsvermögens in Deutschland bei 233.000 Euro und damit etwa im Schnitt aller betrachteten europäischen Länder mit 229.000 Euro. Die unterschiedliche Positionierung bei der Reihung der Länder, je nachdem ob der Median oder der Mittelwert herangezogen wird, ergibt sich aus dem Ausmaß an Ungleichheit des Vermögens. Deutschland und Österreich sind zwei Länder mit einem überdurchschnittlichen Ausmaß an Vermögensungleichheit, bei dem wenige Personen sehr hohe Vermögen besitzen. Nach Angaben von Capgemini Financial Service Analysis (2019) lebten im Jahr 2018 in Deutschland 1,35 Millionen Vermögensmillionäre und in Österreich 145.000. Der Anteil dieser Vermögensmillionäre an der gesamten Bevölkerung lag in beiden Ländern bei 1,6 %. Im Vergleich dazu betrug in Spanien der entsprechende Anteil der Vermögensmillionäre an der Gesamtbevölkerung nur 0,5 %.
Ein weiteres Maß zur Messung der Ungleichheit der Haushaltsnettovermögen ist neben dem Bevölkerungsanteil der Vermögensmillionäre der Anteil der reichsten 10 % aller Haushalte am Gesamtvermögen. Je höher der Wert ausfällt, desto größer ist die beschriebene Ungleichheit. Innerhalb der von der EZB betrachteten europäischen Länder lag dieser Anteil im Jahr 2017 bei knapp 52 %. Mit anderen Worten: Die reichsten 10 % der Haushalte besaßen rund die Hälfte des Nettovermögens. Ein ähnlicher Wert lag für Länder wie Luxemburg oder Spanien vor. Eine geringe Vermögensungleichheit wiesen vor allem osteuropäische Länder wie die Slowakei und Polen, aber auch Griechenland mit Werten von etwa 41 % auf. Im Gegensatz dazu ist die Vermögensungleichheit besonders hoch in Ländern wie Zypern, Estland, den Niederlanden, aber auch in Deutschland und Österreich. In den beiden letztgenannten Ländern hatten die reichsten 10 % aller Haushalte einen Anteil am Nettogesamtvermögen von rund 56 %. An der Spitze stand Zypern mit einem Anteil von 62 %.
Eine der Ursachen für das unterschiedliche Ausmaß an Vermögensungleichheit zwischen den europäischen Ländern besteht in Unterschieden im Besitz selbst genutzter Immobilien. Diese Vermögensart bildet die quantitativ wichtigste Vermögensform in faktisch allen europäischen Ländern. Dabei findet sich typischerweise folgendes Muster: Länder mit einem geringen Anteil von Eigentümerinnen und Eigentümern selbst genutzter Immobilien weisen typischerweise auch ein höheres Maß an Vermögensungleichheit auf. So hatten in Deutschland und Österreich nur 44 beziehungsweise 46 % aller Haushalte auch eine eigene selbst genutzte Immobilie. In Ländern mit einem hohen Anteil an Haushalten mit selbst genutzten Immobilien ist die Vermögensungleichheit dagegen eher gering. Dies trifft beispielsweis auf Länder wie Kroatien oder die Slowakei zu, die einen Anteil von mehr als 85 % selbst nutzender Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien aufwiesen.
Dass der Immobilienbesitz in Deutschland so gering ausfällt, hat auch historische Gründe. So wurden durch den Zweiten Weltkrieg große Teile des Immobilienbestands stark beschädigt oder zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg zudem aufgrund der Vertreibung von deutschstämmigen Personen vornehmlich aus den ehemaligen Ostgebieten wie Ostpreußen, Pommern und Schlesien die Bevölkerungszahl stark an, sodass Wohnraum fehlte. Im Ergebnis herrschte lange Jahre nach dem Krieg Wohnungsmangel in Deutschland. Diesem Mangel wurde unter anderem durch den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau begegnet. In der DDR lag die Quote selbst nutzender Immobilienbesitzerinnen und -besitzer nochmals deutlich niedriger als in Westdeutschland. Hier machte sich die Wohnungspolitik der DDR bemerkbar, die eine Nivellierung der Lebensformen zugunsten eines sozialistischen Familienbilds anstrebte, bei der privater Immobilienbesitz verpönt war. Zudem zeichnet sich Deutschland im internationalen Vergleich durch einen hohen Mieterschutz aus, der einen Verbleib in einer Mietwohnung attraktiv macht.