Die Armutsrisiken unterscheiden sich erheblich zwischen sozialen Gruppen und variieren im zeitlichen Verlauf, sowohl hinsichtlich der Armutsbetroffenheit als auch hinsichtlich des Bevölkerungsanteils spezifischer Risikogruppen. Um die Differenzierungen und Trends auch für kleine Bevölkerungsgruppen, die von Armut betroffen sind, in robuster Weise abzubilden, werden die Armutsquoten zu den ausdifferenzierten Personengruppen über verschiedene Jahre gemittelt – dazu wird neben der letzten Periode (2015–2018) auch die eine Dekade zurückliegende Periode (2005–2009) betrachtet.
Im Folgenden wird gezeigt, welche Bevölkerungsgruppen, Familien- und Haushaltsformen über- oder unterdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Die Armutskennziffern beziehen sich auf die Verteilung des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens innerhalb der gesamten Bevölkerung. Neben der gesamtdeutschen Darstellung im zeitlichen Verlauf werden die Armutsrisiken der jeweiligen Bevölkerungsgruppen hier für die Periode 2015 bis 2018 auch in regionaler Differenzierung dargestellt. Dazu werden Bevölkerungsanteile und Armutsrisiken in Ostdeutschland jeweils separat ausgewiesen. Zudem werden die Armutsrisikoquoten in soziodemografischer Differenzierung für strukturschwache Gebiete dargestellt – also Gebiete, die nach europäischen und nationalen Kriterien als Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Förderungen zur Stärkung der regionalen Struktur und Wirtschaftskraft erhalten (Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" im Zeitraum 2014–2020). Die Zuweisung nach Förderregionen erfolgt jeweils einheitlich anhand der davon ganz oder teilweise betroffenen Landkreise (basierend auf dem Gebietsstand Dezember 2017) ungeachtet weiterer interner Differenzierungen (prädefinierte oder nicht prädefinierte C-Fördergebiete mit oder ohne Grenzzuschlag sowie D-Fördergebiete). Die Bevölkerung in strukturschwachen Gebieten umfasst etwa 40 % der Gesamtbevölkerung und verteilt sich im gesamten Bundesgebiet insbesondere auf die Regionen Nord-West, die Stadtstaaten sowie nahezu die gesamte Region Ost (38 %) – die Region Süd-West ist indes weniger betroffen. Die nachfolgend beschriebenen Armutsquoten geben die Armutsrisiken innerhalb der jeweiligen Bevölkerungsgruppen wieder. Ergänzend werden in den Tabellen zudem die Bevölkerungsanteile der jeweiligen Gruppen in der Gesamtbevölkerung, in Ostdeutschland und den strukturschwachen Gebieten ausgewiesen.
Die Armutsrisiken erhöhten sich in der Gesamtbevölkerung von knapp 13 % in den Jahren 2005 bis 2009 auf 16 % in den Jahren 2015 bis 2018. Die Armutsrisikoquote in Ostdeutschland lag in den Jahren 2015 bis 2018 bei 22,1 % und damit deutlich über dem gesamtdeutschen Wert. Die Armutsrisikoquote in strukturschwachen Gebieten betrug in diesem Zeitraum 20,6 % und lag damit ebenfalls deutlich über dem gesamtdeutschen Vergleichswert.
Frauen wiesen in Gesamtdeutschland in den Jahren 2015 bis 2018 geringfügig höhere Armutsrisiken auf als Männer. In Ostdeutschland wie auch in den strukturschwachen Gebieten lagen die Armutsrisiken bei den Männern etwas höher. Das Armutsrisiko von Kindern, Jugendlichen und mittleren Altersgruppen erhöhte sich im Zeitverlauf. Zudem stiegen die Armutsrisiken beim Übergang in den Ruhestand (60–69 Jahre) stark an. In Ostdeutschland wiesen alle Altersgruppen mit Ausnahme der Älteren (ab 71 Jahre) überdurchschnittliche Armutsrisiken auf, insbesondere junge Erwachsene (20–29 Jahre) sowie auch Personen im jungen Erwerbsalter (30–39 Jahre). Zudem waren Ältere in Ostdeutschland beim Übergang in den Ruhestand (60–69 Jahre) weit überdurchschnittlichen Armutsrisiken ausgesetzt. Die ältere ostdeutsche Rentnergeneration profitierte dabei noch von systembedingten Unterschieden in der Arbeitsmarktbeteiligung mit durchgehenden Beschäftigungsverhältnissen bei Männern und Frauen aus der Zeit vor der Vereinigung. Bei der nachwachsenden Rentnergeneration kamen hingegen bereits die Anpassungsbrüche in den Erwerbskarrieren nach der deutschen Vereinigung mit erhöhter Altersarmut zum Tragen. In strukturschwachen Gebieten waren ebenfalls insbesondere jüngere Altersgruppen sowie Personen beim Übergang in den Ruhestand stärker von Einkommensarmut betroffen.
Personen mit Migrationshintergrund waren in allen Zeitabschnitten einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Personen mit direktem Migrationshintergrund, sprich mit eigener Migrationserfahrung, wiesen darunter etwas höhere Armutsrisiken auf als Personen mit indirektem Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden. Der starke Anstieg der ausgewiesenen Armutsrisiken bei Personen mit indirektem Migrationshintergrund geht auch einher mit der genaueren methodischen Erfassung dieser Personengruppen. In Ostdeutschland war die Armutsbetroffenheit bei Migrantinnen und Migranten – insbesondere mit direktem Migrationshintergrund − höher als in Deutschland insgesamt. Allerdings ist ihr Bevölkerungsanteil hier weit geringer als in Westdeutschland. In strukturschwachen Gebieten lagen die Armutsrisiken bei Menschen mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund in den Jahren 2015 bis 2018 ebenfalls über den (hohen) Werten in Deutschland insgesamt, bei einem etwas geringeren Bevölkerungsanteil als in der Gesamtbevölkerung, aber einem höheren als in Ostdeutschland.
Die regionale Differenzierung verdeutlicht nochmals, dass die Armutsrisiken in Ostdeutschland weiterhin höher waren als in den anderen Landesteilen. Allerdings wiesen die Stadtstaaten zuletzt hohe Zuwächse bei den Armutsrisikoquoten auf, mit deutlich überdurchschnittlichen Werten. Auch in den nordwestlichen Flächenländern stiegen die Armutsrisikoquoten. Die Bundesländer im Südwesten Deutschlands wiesen weiterhin die geringsten Armutsrisiken auf. Innerhalb der Region Ost lagen die Armutsrisiken in Stadtstaaten (Berlin-Ost) etwas über dem regionalen Mittel. Die Armutsrisiken in strukturschwachen Gebieten fielen in den Stadtstaaten am höchsten aus, gefolgt von der Region Ost.
Die Armutsrisiken stiegen zuletzt insbesondere in den mittleren und größeren Städten. Ländliche Gebiete wiesen in Gesamtdeutschland (auch in Ostdeutschland) nur geringfügig höhere Armutsrisiken auf als städtische Gebiete. In strukturschwachen Regionen waren hingegen die städtischen Armutsziffern geringfügig höher. Mieterhaushalte waren erwartungsgemäß weitaus stärker von Armutsrisiken betroffen als Eigentümerhaushalte. Dies galt in gleicher Weise in Ostdeutschland wie auch in strukturschwachen Regionen.
Verheiratet Zusammenlebende waren nach wie vor am geringsten von Armut betroffen. Getrenntlebende, Ledige und Geschiedene trugen ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko insbesondere in Ostdeutschland und den strukturschwachen Gebieten. Verheiratet Zusammenlebende wiesen in Ostdeutschland sowie den strukturschwachen Gebieten nur geringfügig höhere Armutsquoten auf – bei Verwitweten lagen die Armutsziffern hier jeweils sogar unter dem gesamtdeutschen Mittel.
Für Personen mit Hauptschulabschluss ohne beruflichen Abschluss oder mit sonstigem Bildungshintergrund erhöhten sich die Armutsrisiken im Zeitverlauf stark. Diese Personen wiesen in Deutschland insgesamt wie auch in Ostdeutschland oder den strukturschwachen Regionen jeweils eine weit überdurchschnittliche Betroffenheit von Armut auf. Die Armutsrisiken bei Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen haben sich ebenfalls etwas erhöht, lagen aber erwartungsgemäß deutlich unter dem gesamtdeutschen Mittel – dies gilt auch für Ostdeutschland sowie die strukturschwachen Regionen.
Arbeitslose trugen nach wie vor ein sehr hohes Armutsrisiko, das sich im zeitlichen Verlauf (ungeachtet der zuletzt sinkenden Bevölkerungsanteile) noch weiter erhöht hat. Sie waren in den Jahren 2015 bis 2018 mit 69 % in Gesamtdeutschland, 83 % in Ostdeutschland und 77 % in den strukturschwachen Gebieten die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Armutsbetroffenheit. Auch in anderen Erwerbsgruppen, wie den Teilzeiterwerbstätigen, den in Ausbildung Befindlichen sowie den Nichterwerbstätigen, partizipierten nicht alle in gleichem Umfang an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung und die Armutsrisiken haben sich im Zeitverlauf etwas erhöht. Die Differenzierung der Armutsrisiken nach der Erwerbsbeteiligung gilt in gleicher Weise für Ostdeutschland wie auch für die strukturschwachen Gebiete.
Innerhalb der beruflichen Statusgruppen fanden sich, von den Auszubildenden sowie Volontärinnen und Volontären einmal abgesehen, die erwartungsgemäß erhöhten Armutsrisiken unterliegen, die höchsten Armutsquoten unter den un- und angelernten Arbeiterinnen und Arbeitern mit im Zeitverlauf steigender Tendenz. Insbesondere in Ostdeutschland befanden sich un- und angelernte Arbeiterinnen und Arbeiter in erheblichem Ausmaß in prekären Lebenslagen. Bei einfachen Angestellten stieg das Armutsrisiko im Vergleich zu den qualifizierten Angestellten oder den Facharbeiterinnen und Facharbeitern sowie Meisterinnen und Meistern im Zeitverlauf stärker an, wohingegen Beamtinnen und Beamte sowie hoch qualifizierte Angestellte 2015 bis 2018 unverändert ein sehr geringes Armutsrisiko trugen. Selbstständige wiesen insgesamt ein eher unterdurchschnittliches Armutsrisiko auf, mit allerdings höheren Armutsquoten in Ostdeutschland sowie mittleren Risiken in strukturschwachen Gebieten. Die im Zeitverlauf gestiegenen Armutsquoten betrafen innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung demzufolge insbesondere gering qualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter und einfache Angestellte.
Bei der Betrachtung nach Haushaltstypen zeigt sich im Zeitverlauf ein deutlicher Anstieg der Armutsquoten bei Einpersonenhaushalten und Mehrpersonenhaushalten ab fünf Personen sowie bei jüngeren Haushalten. In Ostdeutschland waren die Armutsquoten zudem bei den jüngeren Haushalten sowie in Haushalten beim Eintritt in den Ruhestand (Haushaltsvorstand 55 bis 74 Jahre) überdurchschnittlich hoch. In strukturschwachen Regionen zeigt sich ein deutliches Altersgefälle bei den Armutsrisiken zulasten der jüngeren Haushalte.
Ein-Eltern-Haushalte (Alleinerziehende) waren weit überdurchschnittlich von Armutsrisiken betroffen, Paarhaushalte ohne Kinder demgegenüber unterdurchschnittlich. Die hohen Armutsrisiken von Alleinerziehenden unterscheiden sich indes in Ostdeutschland oder strukturschwachen Gebieten kaum vom gesamtdeutschen Mittel.
Ordnet man die unterschiedlichen Haushaltstypen nach dem Ablauf im Lebenszyklus, so fällt zuerst der starke Anstieg der Armutsquoten bei jungen Alleinlebenden ins Auge. In den Jahren 2015 bis 2018 war mehr als ein Drittel aller jungen Einpersonenhaushalte von Einkommensarmut (35 %) betroffen. Noch höher lag der Anteil in Ostdeutschland (47 %) und in strukturschwachen Gebieten (42 %). Damit waren jüngere Alleinlebende inzwischen nahezu ähnlich stark von Armut betroffen wie Alleinerziehende. Auch Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern waren überdurchschnittlich stark von Armut betroffen. Bei Singlehaushalten im Alter von 55 bis 74 Jahren war das Armutsrisiko in den Jahren 2015 bis 2018 gestiegen und vor allem in Ostdeutschland überdurchschnittlich ausgeprägt. Ungeachtet der insgesamt noch weiterhin eher niedrigen Altersarmut gab es offenkundig unter den Älteren vermehrt Gruppen mit erhöhten Armutsrisiken. Die niedrigsten Armutsquoten hatten Paarhaushalte ohne Kinder.