Die Zunahme der Ungleichheit geht mit einer Veränderung der Einkommensschichtung einher. Bei der Schichtung der Bevölkerung nach Einkommen werden verschiedene Einkommensklassen in prozentualer Relation zu einem Referenzwert, hier dem mittleren Wert der Einkommensverteilung (Median), betrachtet. Die beiden untersten Einkommensschichten mit weniger als 60 beziehungsweise 50 % der mittleren bedarfsgewichteten Medianeinkommen leben in relativer Einkommensarmut (unter 60 % des Medianeinkommens) oder strenger Einkommensarmut (unter 50 % des Medianeinkommens). Die höchsten Einkommensklassen – ab dem Doppelten der mittleren bedarfsgewichteten Einkommen (also ab 200 % des Medianeinkommens) – kennzeichnen den Bevölkerungsanteil mit ausgeprägtem materiellem Wohlstand. Anhand der relativen Einkommensschichtung lassen sich die bei der Einkommensungleichheit beschriebenen Trends differenzierter abbilden. Es lässt sich ablesen, inwieweit alle Bevölkerungsteile in gleicher Weise an der Wohlstandsentwicklung des Landes teilhaben. Die Bevölkerungsanteile am unteren Rand der Einkommensverteilung erhöhten sich in den letzten Dekaden kontinuierlich. Auch die Bevölkerungsanteile am oberen Rand erhöhten sich bis 2009, sind aber seit 2016 wieder leicht gesunken. Entsprechend gingen die Anteile in den dazwischenliegenden mittleren Einkommensschichten insgesamt zurück. Der Rückgang der mittleren Einkommensgruppen erfolgte aber nicht linear für alle Teilgruppen gleichermaßen.
Der hier verwendete Armutsbegriff beruht auf dem sogenannten relativen Armutskonzept und orientiert sich an der Definition der Europäischen Union. Gemäß den vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) empfohlenen Schwellenwerten gilt demnach als arm, wer in einem Haushalt lebt, dessen Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Einkommen in der gesamten Bevölkerung beträgt. Genau genommen wird ab dieser Schwelle von einem deutlich erhöhten Armutsrisiko gesprochen, da das Einkommen nur einen indirekten Indikator für Armut darstellt. Deshalb wird im EU-Kontext eher der Begriff "Armutsrisikoquote" genutzt; in diesem Kapitel werden die Begriffe "Armutsquote" und "Armutsrisikoquote" synonym verwendet.
Die auf dem Median basierenden Armutsquoten werden anhand des sogenannten FGT-Maßes (nach den Autoren Foster, Greer und Thorbecke) weiter differenziert: Neben der Armutsquote FGT(0), die den Umfang der Armutspopulation in Prozent ausweist, werden dabei auch die Armutsintensität und die Armutsungleichheit berücksichtigt. Die Kennziffer FGT(1) entspricht der Armutslücke, das heißt dem relativen Einkommensbetrag (in Prozent des Schwellenwerts), der erforderlich wäre, um die Armutsgrenze zu überwinden. Die erweiterte Armutsintensität FGT(2) berücksichtigt zudem die Ungleichheit innerhalb der Armutspopulation und gewichtet Personen innerhalb der Armutspopulation stärker, je weiter sie von der Armutsgrenze entfernt sind; besonders niedrige Einkommen fallen also stärker ins Gewicht als Einkommen, die knapp unter der 60-Prozent-Schwelle liegen.