Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Politik ist ein wichtiger Gradmesser dafür, inwieweit sie das politische Geschehen registrieren und an ihm teilnehmen, das heißt, ob Politik für die Bürgerinnen und Bürger wichtig genug ist, um sich darüber zu informieren und sich gegebenenfalls dafür zu engagieren. Das politische Interesse wird durch die Frage "Wie stark interessieren Sie sich für Politik: sehr stark, stark, mittel, wenig oder überhaupt nicht?" bereits seit 1969 in repräsentativen Bevölkerungsumfragen erfasst.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Anteil derjenigen, die sich stark oder sogar sehr stark für Politik interessieren, beständig und sehr dynamisch verändert. Zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung 1990 war er in den alten Bundesländern am höchsten und sank dann wieder ab. Allerdings lag das Niveau weiterhin höher als Anfang der 1980er-Jahre. Das politische Interesse stieg in den vergangenen Jahren insgesamt wieder deutlich, sodass es 2014 den Stand von 1990 erstmals wieder übertraf und mit leichten Schwankungen auch bis 2018 auf diesem Niveau blieb. Das politische Interesse war in den alten Bundesländern 2018 leicht höher als zu seinem Höhepunkt 1990. Der langfristige Vergleich zeigt, dass heute mehr Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen interessiert sind als noch Ende der 1960er-Jahre. So waren 1969 lediglich 18 % stark oder sehr stark an Politik interessiert. In Ostdeutschland waren die Bürgerinnen und Bürger bis etwa 2010 etwas weniger politisch interessiert als in Westdeutschland. Seit 2010 ist dieser Unterschied sehr klein.
Deutliche Unterschiede beim Interesse an der Politik zeigen sich zwischen jüngeren und älteren Bürgerinnen und Bürgern. Die 18- bis 29-jährigen West- und Ostdeutschen sind deutlich seltener politisch interessiert als der Durchschnitt der Bürgerinnen und Bürger. Dieser Unterschied entstand nach 1990. Davor interessierten sich Jüngere nur geringfügig weniger für Politik. Im Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2018 lag der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die sich für Politik interessierten, in den alten Bundesländern 10 Prozentpunkte und in den neuen Bundesländern 8 Prozentpunkte unter dem jeweiligen Bevölkerungsdurchschnitt. In den vergangenen Jahren ist der Unterschied in den alten Bundesländern etwas kleiner geworden, blieb aber 2018 mit 5 Prozentpunkten immer noch deutlich sichtbar.
Noch größer als die Differenz zwischen jüngerer Bevölkerung und Bevölkerungsdurchschnitt ist jene zwischen Personen mit Abitur und dem Bevölkerungsdurchschnitt. Unter den Bürgerinnen und Bürgern mit Abitur lag der Anteil derjenigen, die sich stark oder sehr stark für Politik interessierten, 2018 in den alten Bundesländern bei 55 % und in den neuen Bundesländern bei 53 %. Damit lagen Personen mit Abitur im Westen wie im Osten etwas mehr als 15 Prozentpunkte über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das politische Interesse ist also deutlich durch Alters- und Bildungsunterschiede geprägt, wohingegen regionale Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern kaum festzustellen sind. Zugleich schwankten die Unterschiede im politischen Interesse zwischen der Gesamtbevölkerung und Bürgerinnen und Bürgern mit Abitur im Zeitverlauf. Die Differenz lag im Schnitt bei etwa 20 Prozentpunkten. Ein Trend lässt sich dabei aber nicht feststellen. Eine Zu- oder Abnahme bildungsbedingter Unterschiede im politischen Interesse ist seit der ersten Allgemeinen Bevölkerungsumfrage in den Sozialwissenschaften (ALLBUS) 1980 also nicht festzustellen.
Politisches Interesse ist sicherlich förderlich für politische Beteiligung. Das Repertoire der Beteiligungsformen hat sich über klassische institutionalisierte Formen wie Wahlen hinaus in den vergangenen Jahrzehnten stark ausgeweitet. Neben organisatorischen Formen der Beteiligung wie der Mitarbeit in Parteien, Bürgerinitiativen, Vereinen und Organisationen nutzen Bürgerinnen und Bürger vermehrt Formen nicht institutionalisierter politischer Beteiligung wie die Kontaktaufnahme zu Politikerinnen und Politikern, Unterschriftensammlungen und Demonstrationen, um ihren Interessen Ausdruck zu verleihen. Diese Arten politischer Aktivität haben in Deutschland seit Ende der 1950er-Jahre kontinuierlich zugenommen. In diesem Zusammenhang wurde von einer "partizipatorischen Revolution" gesprochen, mit der sich nicht nur in Deutschland, sondern in allen modernen Demokratien nicht institutionalisierte Formen der politischen Beteiligung etablierten.
Die Anteile derjenigen, die angaben, an den beiden häufigsten Formen nicht institutionalisierter Beteiligung – Unterschriftensammlungen und Demonstrationen – mitgewirkt zu haben, waren in den 1990er-Jahren recht stabil. Seit der Jahrtausendwende zeigt sich in den alten wie den neuen Bundesländern eine mehr oder minder als Trend verlaufende Zunahme von Kontakten zu Politikerinnen und Politikern, sowie, noch deutlicher, der Mitarbeit in einer Organisation oder einem Verein. In den alten Bundesländern verzeichnete auch die Beteiligung an Unterschriftensammlungen einen klaren Trend nach oben. Bei Politikerkontakten (2018 etwa 20 %) und der Mitarbeit in Organisationen oder Vereinen (2018 etwa 32 %) gab es keine Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Auch bei den anderen Formen der Beteiligung wie die Beteiligung an Unterschriftensammlungen, Demonstrationen oder Parteien beziehungsweise Bürgerinitiativen waren die Unterschiede eher marginal und weisen kein systematisches Muster auf.
Etwa eine beziehungsweise einer von fünf Bürgerinnen und Bürgern hatte 2018 in den vergangenen zwölf Monaten eine Politikerin oder einen Politiker kontaktiert. Mehr als jede / jeder Dritte hatte sich an einer Unterschriftensammlung beteiligt und etwa jede / jeder Zehnte an einer Demonstration. Bei den institutionalisierten Beteiligungsformen wie der Mitarbeit in Parteien und Bürgerinitiativen lagen die Anteile bei etwa 5 %.
Werden die Werte zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne Hochschulabschluss sowie zwischen Jüngeren und Älteren 2018 verglichen, waren die regionalen Unterschiede am geringsten und nahezu vernachlässigbar. Die politische Integration und Teilhabe waren in den neuen und alten Bundesländern gleich hoch ausgeprägt. Dasselbe lässt sich allerdings nicht für die Unterschiede zwischen Bildungsgruppen sagen. Hier zeigt sich bei allen Formen der Beteiligung eine sehr viel stärkere Beteiligung von Menschen mit Hochschulabschluss. Der Unterschied zwischen den Bildungsgruppen lag 2018 bei der Arbeit in Vereinen und Organisationen sowie bei der Beteiligung an Unterschriftensammlungen bei 16 Prozentpunkten, bei der Kontaktaufnahme mit Politikerinnen und Politikern waren es 10 Prozentpunkte, bei Demonstrationsteilnahmen 9 Prozentpunkte und bei der Mitarbeit in Parteien oder Bürgerinitiativen lagen Bürger und Bürgerinnen mit einem Hochschulabschluss 4 Prozentpunkte vorn.
Der Vergleich zwischen jüngeren Bürgerinnen und Bürgern im Alter von 18 bis 29 Jahren und Älteren ab 30 Jahren zeigt, dass es über die verschiedenen Formen der Beteiligung hinweg keinen allgemeinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab. Es waren nicht immer die Jüngeren, die sich stärker beteiligten, vielmehr kam es auf die Art der Beteiligung an. Demonstrationen als Mittel der Beteiligung wurden 2018 in den letzten zwölf Monaten von 13 % der Jüngeren genutzt, aber nur von 9 % der Älteren und auch bei der Unterschriftensammlung war die Beteiligung der Jüngeren leicht höher. Bei anderen Beteiligungsformen waren Personen in einem Alter von 30 Jahren und älter stärker aktiv als die Jüngeren. Sie nahmen fast doppelt so häufig Kontakt zu Politikerinnen und Politikern auf und waren auch deutlich häufiger in Parteien und Bürgerinitiativen sowie in Organisationen und Vereinen aktiv. Was die Ausgeglichenheit der politischen Integration und politischen Teilhabe angeht, ergibt sich damit insgesamt ein gemischtes Bild. Die großen Unterschiede zwischen Ost und West sind verschwunden, auch die Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren verweisen nicht auf Defizite politischer Integration. Anders zu beurteilen ist das Gefälle in der Beteiligung von Menschen mit und ohne Hochschulbildung. Hier zeigen sich über alle Beteiligungsformen hinweg systematische Unterschiede, die als sozial induzierte politische Ungleichheit zu bewerten sind.