Im Kindes- und Jugendalter werden die Weichen für die gesundheitliche Entwicklung im späteren Leben gestellt. Störungen während der frühen Phasen des Körperwachstums und der Organreifung machen sich nicht nur unmittelbar bemerkbar, sondern können auch zu langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen führen. Gesundheitsbezogene Einstellungen und Verhaltensmuster, die sich im Kindes- und Jugendalter ausbilden, haben häufig bis ins Erwachsenenalter hinein Bestand.
Insgesamt haben sich die allgemeinen Lebensbedingungen und die Qualität der gesundheitlichen Versorgung von Kindern in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Dies lässt sich unter anderem an einer historisch niedrigen Säuglings- und Kindersterblichkeit, einer verbesserten Mundgesundheit und einer deutlich geringeren Verbreitung ehemals häufiger Infektionskrankheiten festmachen. Doch auch wenn ein Großteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gesund aufwächst, besteht zwischen ihrer gesundheitlichen Lage und der sozialen Lage ihrer Familie noch immer ein enger Zusammenhang. Ergebnisse aus den Schuleingangsuntersuchungen der Bundesländer belegen, dass frühe Gesundheitsstörungen und Entwicklungsverzögerungen vermehrt bei sozial benachteiligten Kindern auftreten. Jene weisen demnach weitaus häufiger körperliche, psychische, kognitive, sprachliche und motorische Entwicklungsdefizite auf als Kinder aus sozial bessergestellten Familien.
Bereits rund um die Geburt treten deutlich ausgeprägte soziale Unterschiede in der Verbreitung gesundheitsbezogener Risiko- und Schutzfaktoren zutage. Wie die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS, www.kiggs-studie.de) des Robert Koch-Instituts für die Jahre 2014 bis 2017 zeigt, besteht hinsichtlich des mütterlichen Rauchens in der Schwangerschaft ein auffälliger sozialer Gradient: Je höher der sozioökonomische Status, desto geringer war der Anteil der Kinder, deren Mutter während der Schwangerschaft geraucht hat.
Einen ebenso gerichteten Zusammenhang belegen die Daten der KiGGS-Studie Welle 1 (2009–2012) mit Blick auf das Stillverhalten: Mit zunehmendem sozioökonomischen Status sank der Anteil der Kinder, die nie gestillt wurden. Stillen hat protektive Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes. Es fördert beispielsweise die Bindung zur Mutter und reduziert das Risiko von Adipositas (Fettleibigkeit).
Übergewichtsprävalenz bei 3- bis 17-Jährigen nach Geschlecht und sozioökonomischem Status 2014–2017 — in Prozent (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Übergewichtsprävalenz bei 3- bis 17-Jährigen nach Geschlecht und sozioökonomischem Status 2014–2017 — in Prozent (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Darüber hinaus belegen die Ergebnisse der KiGGS-Studie Welle 2, dass Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren mit niedrigem sozioökonomischen Status seltener einen guten bis sehr guten allgemeinen Gesundheitszustand aufwiesen als diejenigen mit einem höheren sozioökonomischen Status. Während bei körperlichen Erkrankungen nur geringe Unterschiede nach dem sozioökonomischen Status festzustellen waren, traten psychische Auffälligkeiten vermehrt bei Kindern und Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischen Status auf. Bei 3- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen ist das Risiko für psychische Auffälligkeiten in der Gruppe mit einem niedrigen sozioökonomischen Status im Vergleich zu der mit einem hohen sozioökonomischen Status um das 3,5-Fache erhöht. Das Risiko für eine Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) war um das 2,8-fache größer. ADHS gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend. Sie äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation; manchmal kommt zusätzlich starke körperliche Unruhe (Hyperaktivität) hinzu.
Mit Blick auf das Gesundheitsverhalten war unter anderem zu beobachten, dass sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche seltener Sport trieben und sich ungesünder ernährten. Außerdem rauchten sie häufiger und waren in stärkerem Maße Passivrauchbelastungen ausgesetzt. Auch die Verbreitung von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter hängt vom sozioökonomischen Status der Familie ab. Während etwa ein Viertel der Jungen und Mädchen aus sozial benachteiligten Familien übergewichtig waren, waren es bei gleichaltrigen Jungen und Mädchen aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status nur 8,9 beziehungsweise 6,5 %.
Hinzu kommt, dass Angebote wie die Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten im Kindesalter ("U-Untersuchungen") von sozial benachteiligten Eltern mit ihren Kindern etwas seltener in Anspruch genommen wurden als von sozial besser gestellten Familien. Dieser Unterschied ist in den vergangenen Jahren deutlich geringer geworden.
Wird die vollständige Inanspruchnahme der Untersuchungsreihe (U3 bis U9, ohne U7a) betrachtet, so haben 94,6 % der 7- bis 13-jährigen Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status an allen Untersuchungen teilgenommen, während die Gleichaltrigen aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status zu 98,0 % teilgenommen haben. Der Unterschied liegt laut den Daten der KiGGS-Studie in den Jahren 2014 bis 2017 bei nur noch gut 3 Prozentpunkten. In den Jahren 2009 bis 2012 waren es noch knapp 9 Prozentpunkte.