Die Daten des Deutschen Alterssurveys (DEAS) belegen für Deutschland eine Diskrepanz zwischen den objektiven Merkmalen der Wohnsituation älterer Menschen und deren subjektiver Bewertung. So wohnten zum Beispiel mehr als zwei Drittel (69 %) der Älteren mit starken Einschränkungen beim Treppensteigen in einer Wohnung, die nicht stufenlos erreichbar war. Dennoch bewerteten sie ihre Wohnsituation im Durchschnitt sehr positiv. Nur wenige von ihnen (7 %) äußerten die Absicht, in eine altersgerechte, barrierefreie Wohnung ziehen zu wollen. Wie die vertiefende Analyse zeigt, beeinflussen neben den objektiven Wohnbedingungen auch soziale Faktoren wie gute nachbarschaftliche Beziehungen und eine enge Verbundenheit mit dem eigenen Zuhause die Bewertung der Wohnsituation. Sind diese sozialen und emotionalen Faktoren positiv, fühlen sich ältere Menschen trotz mangelnder objektiver Wohnbedingungen in ihren eigenen Wänden wohl und sind relativ sesshaft.
Für die Politik legen die Ergebnisse nahe, dass ältere Menschen mit enger Verbundenheit zu ihrer Wohnung und dem Wunsch, dort ihren Lebensabend verbringen zu wollen, mit einem altersgerechten Umbau der Wohnung und wohnortnahen Hilfeangeboten unterstützt werden sollten. Erweist sich ein Umzug als unvermeidbar, sollte dafür Sorge getragen werden, dass ältere Personen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Coronapandemie dürften diese Erkenntnisse noch an Bedeutung gewinnen. Da ältere Menschen pauschal als Risikogruppe eingestuft werden, sind viele von ihnen gezwungen, ihre Zeit fast ausschließlich zu Hause zu verbringen. Durch den reduzierten Lebensradius wächst die Bedeutung der Wohnung für die Lebensqualität der Älteren um ein Vielfaches. Die Möglichkeit, sich in der Wohnung angemessen bewegen zu können, ist besonders für Personen mit Mobilitätseinschränkungen bedeutsam. Darüber hinaus dürften andere, für die Wohnzufriedenheit ausschlaggebende Wohnaspekte (wie Gartenzugang oder Balkon) zusätzlich an Gewicht gewinnen. Dazu gehören auch die nachbarschaftlichen Beziehungen und Hilfestrukturen. Die Nähe zu den Nachbarn kann neben konkreten Hilfen im Alltag auch Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation mildern, gerade dann, wenn der Kontakt zu Freunden und zur Familie eingeschränkt ist. Um diese und andere Folgen der Coronakrise empirisch zu untersuchen, sind spezifische Befragungen erforderlich.