Die Auswertungen des Adult Education Survey (AES) zeigen, dass Weiterbildung in allererster Linie über Kurse, Lehrgänge und selbst gesteuertes Lernen stattfindet und kaum über formale Weiterbildungen, die zu zusätzlichen Bildungszertifikaten führen. Im Jahr 2018 nahmen nur 5 % der 25- bis 64-Jährigen in Deutschland an formalem Lernen teil. Mehr als die Hälfte dieser Altersgruppe (54 %) besuchte im Jahr 2018 hingegen nonformale Kurse. Auch informelles Lernen war weit verbreitet. Im Jahr 2018 gab fast jede / jeder Zweite (43 %) an, sich an informellen Lernaktivitäten beteiligt zu haben.
Im Zeitverlauf zeigt sich bei allen drei Lernformen seit 2012 ein leichter Aufwärtstrend bei der Teilnahme – lebenslanges Lernen wird also für immer mehr Menschen in Deutschland zur gelebten Praxis. Am deutlichsten wird dies bei der nonformalen Weiterbildung. Verglichen mit 2012 stieg hier die Teilnahmequote bis 2018 um 6 Prozentpunkte. Auch die Teilnahmequote an der formalen Weiterbildung war 2018 leicht höher als 2012. Allerdings schwanken die Zahlen hier stärker über die Zeit. Die Teilnahme an informeller Weiterbildung wurde erst ab 2016 vergleichbar erhoben. Allerdings zeichnet sich auch hier eine stärkere Beteiligung über die Jahre ab.
Wie ungleich ist die Weiterbildungsteilnahme in der Bevölkerung verteilt? Gibt es Unterschiede nach Geschlecht, Alter, Bildung und Erwerbsstatus sowie zwischen Ost- und Westdeutschland? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Aufgrund der hohen zahlenmäßigen Verbreitung von nonformalem Lernen werden dabei vor allem Ergebnisse für diese Form der Weiterbildung dargestellt. Die Ergebnisse beziehen sich auf Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren.
Deutliche Unterschiede gab es 2018 im Ausmaß der Beteiligung zwischen verschiedenen Erwerbsgruppen: Mehr als jede / jeder zweite Erwerbstätige (59 %) nahm mindestens einmal im Jahr an einem Kurs oder Lehrgang teil. Demgegenüber nahmen bei Nichterwerbspersonen, also Personen, die nicht arbeiten und nicht aktiv Arbeit suchen (beispielsweise Hausfrauen oder Hausmänner), mit 30 % nur etwa ein halb so großer Anteil an nonformaler Weitbildung teil. Ein Grund hierfür ist, dass Kurse und Lehrgänge häufig über den Arbeitgeber angeboten werden (siehe Interner Link: Abschnitt 3.2.3). Das bedeutet aber auch, dass Nichterwerbspersonen, denen Weiterbildung vermutlich viel für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt helfen würde, nur bedingt Zugang zu jenen Kursen und Lehrgängen haben, die für Arbeitgeber relevant sind. Bei Arbeitslosen hingegen war 2018 eine ähnlich starke Beteiligung an nonformaler Weiterbildung wie bei Erwerbstätigen zu verzeichnen. Verglichen mit den Vorjahren ist dieser Anteil auch deutlich gestiegen. Dies kann an einer Veränderung der Zusammensetzung der Arbeitslosen liegen (im gleichen Zeitraum ist die Arbeitslosenquote weiter gesunken) oder auch an einer stärkeren Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit.
Ähnlich deutlich sind die Unterschiede mit Bezug auf den höchsten beruflichen Abschluss. Während 71 % der Menschen mit Hochschulabschluss in den vergangenen zwölf Monaten an Kursen oder Lehrgängen teilgenommen hatten, waren es bei Menschen ohne Berufsabschluss nur 44 %. Bei Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung war es knapp die Hälfte (48 %).
Die höhere Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen kommt hauptsächlich durch den ausgeübten Beruf zustande, wie weitergehende Analysen der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigen. Personen mit hohen Bildungsabschlüssen üben Berufe aus, die viel Weiterbildung erfordern. Beispiele dafür sind Ärzte und Ärztinnen, Juristen und Juristinnen oder Lehrer und Lehrerinnen. Dagegen üben Menschen ohne Schulabschluss oder mit niedrigen Bildungsabschlüssen eher Berufe aus, in denen sehr wenig Weiterbildung angeboten wird. Beispiele dafür finden sich in der Gastronomie oder im Reinigungsgewerbe. Außerdem zeigt sich, dass der Charakter der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten eine entscheidende Rolle spielt: Insbesondere in Berufen, die sich durch wiederholende Tätigkeiten (sogenannte Routinetätigkeiten) auszeichnen, findet besonders wenig Weiterbildung statt, da für die Ausübung dieser Tätigkeiten nur selten neues Wissen nötig ist. Dieser Zusammenhang wiegt besonders schwer, da viele dieser Routineberufe zukünftig potenziell von Maschinen ausgeführt werden könnten. Beschäftigte mit Routinetätigkeiten sind also einem wachsenden Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt und haben gleichzeitig wenig Möglichkeiten dazuzulernen, um sich beruflich weiterzuentwickeln oder zu verändern.
Die früher häufig gefundenen und diskutierten Unterschiede im Weiterbildungsverhalten zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sind 2018 größtenteils verschwunden. Menschen mit Migrationshintergrund der ersten Generation (selbst nach Deutschland migriert) nahmen in Deutschland im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund etwas seltener an nonformaler Weiterbildung teil. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass diese Menschen häufiger einen geringeren Bildungsabschluss und damit weniger Zugang zu Weiterbildung haben. Bei der zweiten Generation (Eltern nach Deutschland migriert) war die Quote im Jahr 2018 hingegen sogar etwas höher als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Damit bestätigen die aktuellen Zahlen den Trend einer Annäherung der Weiterbildungsbeteiligung dieser Gruppen, der schon seit längerer Zeit zu beobachten ist.
Die Unterschiede im Weiterbildungsverhalten zwischen Männern und Frauen haben sich – entgegen dem Trend einer zunehmenden Angleichung der Weiterbildungsquoten in den zurückliegenden Jahren – im Jahr 2018 wieder leicht vergrößert. Im Jahr 2016 waren die Unterschiede praktisch nicht mehr sichtbar. 2018 wiesen Männer eine um 5 Prozentpunkte höhere Weiterbildungsbeteiligung als Frauen auf. Auch zwischen Ost- und Westdeutschland haben die Unterschiede im Weiterbildungsverhalten nach einer Phase der Angleichung wieder deutlich zugenommen: Mit 56 % im Westen lag die Weiterbildungsteilnahme 2018 sogar um 8 Prozentpunkte höher als im Osten (48 %).
Der Vergleich der Weiterbildungsbeteiligung bei verschiedenen Altersgruppen zeigt in der Tendenz weniger große Unterschiede als früher. Dennoch sind die bekannten Muster und Unterschiede deutlich sichtbar. Am häufigsten nahmen demnach Menschen in der mittleren Lebensphase zwischen 35 und 44 Jahren an Weiterbildung teil (59 %). Für jüngere Menschen sind die Raten etwas niedriger, da viele noch ihre Ausbildung oder ihr Studium absolvieren. Bei Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren lag die Weiterbildungsbeteiligung jedoch deutlich niedriger (47 %). Ein Grund hierfür ist das Näherrücken des Erwerbsendes und der oft vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben. In der Folge gibt es für diese Personen seltener die Chance und Notwendigkeit, sich weiterzubilden. Gleichzeitig hat die Gruppe der Älteren im Vergleich zu den anderen Altersgruppen seit 2016 aufgeholt, was auf die gestiegene Erwerbsbeteiligung im Alter zurückzuführen ist.
Die Idee des lebenslangen Lernens legt eine regelmäßige, wiederkehrende Weiterbildungsteilnahme über längere Zeiträume nahe. Die Längsschnittbetrachtung des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigt, dass eine solche regelmäßige Weiterbildungsteilnahme deutlich seltener vorkommt, als es die jährlichen Weiterbildungsquoten vermuten lassen. Zwischen 2009 und 2019 nahmen demnach etwa 19 % der Befragten nie an einem Kurs oder Lehrgang teil. Das heißt, dass fast ein Fünftel der erwachsenen Bevölkerung aus den Geburtskohorten 1944 bis 1986 dauerhaft nicht an nonformaler Weiterbildung teilgenommen hat. Dies betrifft vor allem Geringqualifizierte und tendenziell eher Männer als Frauen. Zudem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass diese Personen über die Zeit hinweg auch das Lernen selbst verlernen, also immer weniger in der Lage sind, sich Wissen über Weiterbildung anzueignen. Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, im aktuell stattfindenden Wandel der Arbeitswelt diese Personengruppe nicht gänzlich abzuhängen. Etwa vier Fünftel (81 %) der Erwachsenen nahmen in den zehn Jahren zwischen 2009 und 2019 mindestens in einem Jahr an Weiterbildung teil. Allerdings bildeten sich die meisten (53 %) maximal in ein bis vier von zehn Jahren weiter. Deutlich weniger (28 %) nahmen in fünf Jahren oder häufiger und somit zumindest jedes zweite Jahr an einer Weiterbildung teil. Eine kontinuierliche Teilnahme in jedem Jahr wies nur etwa 1 % auf.
Bei der Teilnahme an formalen und informellen Lernaktivitäten zeigen sich ebenfalls Unterschiede zwischen verschiedenen Personengruppen. Die Teilnahme an formalen Lernaktivitäten wird besonders stark von der Bildungsprägung des Elternhauses beeinflusst. Bezüglich der informellen Lernaktivitäten finden sich hingegen ähnliche Gruppenunterschiede wie bei der Teilnahme an nonformaler Weiterbildung.