Neben der langjährigen Abwanderung aus den neuen Bundesländern in das frühere Bundesgebiet ist die regionale Bevölkerungsentwicklung maßgeblich durch Wanderungen zwischen ländlichen, städtischen und suburbanen Gebieten gekennzeichnet. Zur Abgrenzung verschiedener Raumtypen wird im Folgenden die Raumklassifikation des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) verwendet. Anhand dieser Klassifikation kann jeder der 401 deutschen Kreise einer von vier Kategorien zugeordnet werden: kreisfreie Großstadt, städtischer, ländlicher sowie dünn besiedelter ländlicher Kreis. Abbildung 2 zeigt die Nettowanderungsraten deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger für verschiedene Raumtypen über den Zeitraum 1991 bis 2018. Nettowanderungsraten geben den Prozentwert von Bevölkerungsgewinnen oder -verlusten im Verhältnis zur Einwohnerzahl des jeweiligen Kreises an. Eine Nettowanderungsrate von 1 % bedeutet demnach, dass eine Region einen Wanderungsgewinn von einer Person je 100 Einwohnerinnen und Einwohner verzeichnet.
Zunächst fällt auf, dass sich die Wanderungsmuster in den letzten drei Jahrzehnten mehrfach gewandelt haben. Unmittelbar nach der deutschen Vereinigung setzte eine Phase der Suburbanisierung ein, in der vor allem die ländlichen Kreise Bevölkerungsgewinne aufwiesen. Die kreisfreien Großstädte hingegen verzeichneten im Zeitraum 1991 bis 1999 Wanderungsverluste. In den Jahren 2000 bis 2004 war die Wanderungsbilanz zwischen städtischen und ländlichen Räumen weitgehend ausgeglichen. Ab dem Jahr 2005 waren jedoch Wanderungsgewinne für die kreisfreien Großstädte und eine Phase der Urbanisierung (Verstädterung) zu beobachten, die bis etwa ins Jahr 2011 andauerte. Auf dem Höhepunkt dieser Urbanisierungsphase lag der Wanderungsgewinn bei rund 0,4 Personen je 100 Einwohnerinnen und Einwohner. Für eine Großstadt mit 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bedeutet dies einen Bevölkerungsgewinn von durchschnittlich 2.000 Personen im Jahr. Die ländlichen Kreise verzeichneten im Zeitraum 2005 bis 2011 hingegen Bevölkerungsverluste von rund 0,2 % und 0,3 %. Ab dem Jahr 2011 begann eine erneute Trendumkehr und ab 2014 verzeichneten die kreisfreien Großstädte wieder Wanderungsverluste gegenüber den ländlichen Kreisen. Diese Entwicklung deutet auf eine erneute Suburbanisierungsphase in Deutschland hin.
Auch die Wanderungsmuster für verschiedene Raumtypen variieren stark mit dem Lebensalter. Gerade junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren ziehen besonders häufig für eine Ausbildung, ein Studium oder den Berufseinstieg von ländlichen in städtische Regionen. Zu einem etwas geringeren Grad gilt dies auch für die 25- bis 29-Jährigen. Die sogenannten Familienwanderer (unter 18-Jährige und 30- bis 49-Jährige) zieht es dagegen häufiger in kleinere städtische Kreise oder ländliche Gebiete. Diese Entwicklung ist ebenso bei den 50- bis 64-Jährigen und den über 64-Jährigen zu beobachten, wobei Personen dieser Altersgruppe insgesamt deutlich seltener umziehen.